Kartoffelsalat an Heiligabend

Von Alexandra Bülow

So schick, ausgeklügelt oder feudal der Braten am Ersten Weihnachtstag ist, so bescheiden geht es am Heiligen Abend bei vielen Familien zu: Würstchen mit Kartoffelsalat landen auf den Tellern. Bescheiden muss aber nicht heißen, dass das Mahl nicht ein wenig aufgepeppt werden darf.

Mit dem Brauch, sich Heiligabend beim Essen zurückzunehmen, soll der Armut von Maria und Josef gedacht werden und wie sie in einem einfachen Stall die Geburt Jesu Christi erlebten. «Er geht aber auch darauf zurück, dass es bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts eine zweite Fastenzeit gab, die am Martinstag begann und am 25. Dezember endete», erläutert Ellen Lieske, Leiterin des «Kartoffel-Hotels» in Lübeln in der Lüneburger Heide. Das Haus hat sich auf die Erdknollen in vielfacher Hinsicht spezialisiert - von der Wellnesspackung bis zur Speisekarte.

Die fleischlose Zeit ließ sich Lieske zufolge wunderbar mit dem sättigenden Hauptnahrungsmittel überbrücken: der Kartoffel. «Außerdem wollte man Reste verarbeiten, zum Beispiel in einem Kartoffelsalat.» In der Weihnachtsbäckerei der Adventszeit wurde zum Beispiel stets viel Eiweiß benötigt, es blieb eine Menge Eigelb übrig. «So kam man auf die Idee für die Mayonnaise am Kartoffelsalat.» Die Würstchen kamen erst später hinzu, als die zweite Fastenzeit kaum noch üblich war, der Brauch für Kartoffelsalat an Heiligabend aber blieb.

Entscheidend ist natürlich die Grundlage, die Kartoffel selbst. Fein machen sich die Sorten Bio-Linda oder kleine Varianten wie Drillinge oder Bamberger Hörnchen. Der Heilige Abend kann auch zu einem bunten Abend werden, mit rötlichen oder blauen Exemplaren wie der alten Sorte «Blauer Schwede», die mit ihrem würzigen Aroma bestens zu Meerestieren wie Süßwassershrimps oder norwegischem Hummer passt.

Die Kartoffeln werden mit Schale gekocht, dann gepellt und in Scheiben oder Würfel geschnitten. Ihre Form nämlich wäre dahin, wenn sie vor dem Kochen geschält würden. Kombiniert werden können die Knöllchen mit allerlei Zutaten, sie sind sehr anpassungsfähig. Darauf abgestimmt wird das Dressing oder eine Marinade, in der die Kartoffeln zieht. Daher sollte eine festkochende Kartoffelsorte zum Einsatz kommen, damit die Erdknolle nicht zerfällt und der Salat einem Püree gleicht.

Einen geradezu weihnachtlichen Sud verwendet Gerald Zogbaum, Küchenchef und Eigentümer des Restaurants «Küchenwerkstatt» in Hamburg: Er reduziert Orangensaft gewürzt mit Vanilleschote, einer angedrückten Kardamomkapsel und einer mit Schale angedrückten Knoblauchzehe. «So ist ihr Aroma nicht penetrant», erklärt er diesen Trick. Unter die Reduktion mischt er etwas Weißweinessig und Olivenöl und hebt das Ganze unter die gekochten Kartoffeln, die er zuvor in Würfel geschnitten hat.

Dann lässt Zogbaum Schalen von Orangen in kochendem Wasser kurz aufkochen und trocknet sie anschließend im Ofen bei 80 Grad. Anschließend werden sie in einer Gewürzmühle zu Pulver gemahlen, in dem der Koch dann ein Kabeljaufilet wendet. Den Fisch lässt Zogbaum nun von allen Seiten in der Pfanne bei geringer Temperatur in Olivenöl leicht angehen und gart ihn dann bei 110 Grad im Ofen saftig. Der Fisch wird später auf dem Kartoffelsalat angerichtet.

Spitzenkoch Markus Semmler, Inhaber des gleichnamigen Restaurants in Berlin, schwitzt in feine Würfel geschnittene Schalotten in Olivenöl an und löscht sie mit weißem Balsamico ab. Dann fügt er Olivenöl, etwas Senf, Salz, Pfeffer und einen Tropfen Trüffelöl hinzu und gibt alles über die in Scheiben geschnittenen, gekochten Kartoffeln.

Dann hebt er Frühlingszwiebeln, in Scheiben geschnittenen Artischockenboden und einen Hauch schwarze Wintertrüffel unter die Kartoffeln. Zu dieser edlen Ausgabe des Knollensalates reicht er kross gebratene Gänsebratwürstchen oder Putenkochwürstchen. «Beides kann man beim Schlachter bestellen», sagt der Gourmetkoch, der zum Gericht einen guten Riesling empfiehlt.

Wer es weniger ausgefallen oder aufwendig haben möchte, kann eine riesige Menge Salat nur mit Kartoffeln und etwas frischen Kräutern zubereiten und dazu alle möglichen weiteren Zutaten klein geschnitten in Schüsseln auf den Tisch stellen. Darunter zum Beispiel Paprika, Maiskörner, Rucolasalat, Schafskäsewürfel, Frikadellen, Schnitzel, nach norddeutscher Tradition Hering oder Matjes und Gemüseburger für die Vegetarier.

Dazu kommen Dressings mit Essig und Öl oder Mayonnaise. «Auch deren leichte Variante mit fettarmen Joghurt statt Öl bietet sich an», rät Lieske. Aus den einzelnen Zutaten kann sich jeder am Tisch einen Kartoffelsalat ganz nach seinem eigenen Geschmack mischen. Kartoffelsalat mag auf den ersten Blick ein einfaches Essen sein - aber ganz sicher kein langweiliges. dpa