Direkt auf der Achse des neu entstandenen Gourmet-Dreiecks am nördlichen Savignyplatz kocht Küchenchef Udo Tasting-Menüs, die Haltung und Handschrift zeigen. Gastgeberin ist seine Frau Daniela, die Udos Küche nicht nur blind versteht, sondern sie mit spannenden deutschen, osteuropäischen und sogar ein paar Weinen aus ihrer Schweizer Heimat pairt.
Die gemütliche Wohnzimmeratmosphäre täuscht: In der Kitchen Library befinden wir uns an einem der zur Zeit spannendsten Casual Fine Dining-Adressen Berlins. Udo Knörlein kocht mit französischem Hintergrund, ohne klassisch zu sein. Seine Gerichte sind produktorientiert, aber im Gegensatz zur berühmten einsamen Urkarotte üppig, farbenfroh und geschmacksexplosiv arrangiert. „From Nose to Tail“ und „von der Wurzel bis zum Blatt“ ist für ihn nicht nur ethische Selbstverständlichkeit, sondern auch Quelle der Inspiration für seine Artisan Cuisine. „Für mich ist ein Gericht viel mehr als die Summe der einzelnen Teile. Ich möchte meinen Gästen völlig neue Geschmackswelten eröffnen“ sagt Udo Knörrlein. „Gemüse fällt immer eine tragende Rolle zu. Komplett vegan kochen könnte ich allerdings nie, dafür liebe ich mit meiner klassisch französischen Ausbildung Butter viel zu sehr.“
Foto: Joerg Lehmann
Lange Wege versucht das Paar zu vermeiden, zu vielen der Produzent:innen und Lieferant:innen unterhält es persönliche Beziehungen. Gemüse und Zutaten wie der extra für Udo gesammelte Holunder stammen von einem brandenburgischen Bauern auf dem nahen Wochenmarkt. Davon verarbeitet er erst die Holunderblüten, aus denen er Essig und Sirup macht, dann die unreifen Beeren für Holunderkapern und zum Schluss die reifen Beeren, die als süss-sauer einlegte Pickles enden. Das ausgezeichnete Fleisch kommt vom Wagyuhof Frankenhöhe in Udos Heimat, Kräuter und Fichtensprossen (wie Koji eine der Lieblingszutaten der beiden, die als Sirup unter anderem in den Haus-Aperitif kommen) von Richards Wild aus Brandenburg oder Privatgärten von Freunden. Der Küchenchef betreibt einen immensen Aufwand und steckt sowohl Zeit als auch Hingabe in die Herstellung seiner Menükomponenten. Das schätzt auch Slow Food Deutschland und hat die Kitchen Library auf die Empfehlungsliste gesetzt.
Dreh- und Angelpunkt der feinteiligen Küche von Udo Knörlein sind die Pickles. Seine fränkische Oma war es, die ihm das kleine 1x1 des Fermentierens beibrachte. Auf seinen verschiedenen Stationen - er war lange in der Schweiz und dort unter anderem Sous-Chef im Sterne-Restaurant Schlüssel Mels-, studierte er die Kunst des Fermentierens und entwickelte sie mit Erkenntnissen aus der NOMA-Küche weiter.
Foto: Joerg Lehmann
Eine von Udos Lieblingszutaten ist der japanische Superpilz Koji, den er wie alle Fermente von Mimi Ferments in Moabit bezieht. Er spielt eine wichtige Rolle im Auftakt des aktuellen Menüs, seiner Signature-Koji Karotte mit Melonenschale, Amazake und Tagetes. Ebenso wie bei der Tomate mit Büffelmozzarella und Fichtensprossen sorgen ungewöhnliche Kombinationen und unkonventionelle Zubereitungsmethoden für kulinarische Aha-Erlebnisse. Zwischen Chimchurri-Pulpo, Hirschrücken mit Brioche und Shortribs aus fränkischem Wagyo überraschen eine köstliche selbstgemachte Brotzeit und eine Salty Tea Time, bevor ein leidenschaftlicher Käsegang und ein Dessert aus Himbeeren, weißer Schokolade und Knäckebrot das Menü zum intensiven Abschluss bringen.
Foto: Joerg Lehmann
Und dann ist da noch Daniela - ohne sie gäbe es die Kitchen Library gar nicht: "Ich habe Udo immer in seinem Traum, ein eigenes Restaurant zu eröffnen, unterstützt und wollte unbedingt, dass er dieses Ziel erreicht. Deshalb war ich da von Beginn an sehr involviert und wir haben auch alles gemeinsam entschieden" erzählt die gebürtige Baslerin. Dass sie bis heute für den Service verantwortlich ist, war ursprünglich nicht geplant: Eigentlich sollte sie ihn nur übergangsweise übernehmen und war anfangs sogar noch gleichzeitig in ihrem Beruf als Sozialpädagogin tätig: "Ich bin da einfach reingewachsen und habe das Gastgebersein lieben gelernt." Einige der dort nötigen Skills sind schließlich recht nützlich, um zu verstehen , was Gäste wollen. Und bei der Arbeit entdeckte sie dann auch ihre Liebe zum Wein.
Foto: Joerg Lehmann
Inzwischen hat sie ihren Fokus von Deutschland auf Osteuropa erweitert und sogar einige Schweizer Weine auf die Karte gesetzt. "Insbesondere über den Pinot Noir vom Weingut Riehen aus meiner Heimat Basel freue ich mich sehr. Das sind einfach besondere Weine, die man sonst nicht auf Weinkarten findet." erzählt Daniela. "Mir geht es nicht darum, mich mit meinen Weinen zu profilieren. Ich möchte dem Gast einfach etwas präsentieren können, was er noch nicht kannte und finde, das meine Weine Udos Essen ergänzen sollten." Und das funktioniert ganz hervorragend.
5 Gerichte € 89 | 6 Gerichte € 102 7 Gerichte € 114 | 7 Gerichte für 2 zum Teilen € 65 p.P.
Kitchen Library Bleibtreustraße 55, 10623 Berlin | https://www.kitchen-library.de/
Mittwoch bis Samstag ab 17:30 Uhr
Foto: Kitchen Library
