Von Maren Hennemuth
Manchmal brutzeln fünfzig Schnitzel gleichzeitig in der Pfanne, das heiße Öl spritzt und der Rücken schmerzt. «Es gibt Tage, an denen man viel Stress hat», sagt Oliver Bödicker. Der 20-Jährige macht eine Ausbildung zum Koch. In einem Hotel am Frankfurter Flughafen steht er täglich acht Stunden in der Küche. Damit hat er einen Ausbildungsweg eingeschlagen, den immer weniger junge Menschen wählen: Die Branche plagen Nachwuchssorgen.
Die Zahl der Lehrlinge hat sich in den vergangenen acht Jahren fast halbiert. Zählte der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) 2006 noch 42 857 Ausbildungsverträge, waren es im vergangenen Jahr noch 23 029. Der Verband der Köche Deutschlands (VKD) schlägt deshalb Alarm. «Ohne Auszubildende gibt es keine Fachkräfte. Ohne Fachkräfte gibt es keine Köche. Und ohne Köche kein Essen», sagt VKD-Präsident Andreas Becker. Er fürchtet, dass aufgrund des Personalmangels in den nächsten Jahren zahlreiche Restaurants schließen müssen.
Becker leitet selbst eine Großküche. Vor zehn Jahren landeten noch siebzig Bewerbungen für eine Lehrstelle auf seinem Schreibtisch, in diesem Jahr waren es bisher zwei. Gründe für den Nachwuchsmangel gebe es viele, sagt Frank Ziemer, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt. Oft seien die Arbeitszeiten ungünstig, die Bezahlung schrecke möglicherweise ab.
Oliver Bödicker ist im dritten Lehrjahr und verdient 615 Euro netto im Monat. Er könne verstehen, warum mancher sich deshalb gegen den Beruf entscheide. Ihm sei der Spaß an der Arbeit wichtiger: «Weil ich es vierzig, fünfzig Jahre lang tun werde.»
Was ein Koch in der Ausbildung verdient, hängt vom Bundesland ab und davon, ob der Betrieb tarifgebunden ist oder nicht. Die Löhne im ersten Lehrjahr schwanken zwischen 479 und 586 Euro. «Die Branche kann sich nicht gerade mit hervorragenden Vergütungen brüsten», stellt Nadine Boltersdorf, Referatsleiterin Bildung und Jugend bei der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG), fest.
Allein mit einer höheren Ausbildungsvergütung werde der Beruf nicht attraktiver, meint Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges. «Der Azubi ist in der Regel ja auch nur drei Tage pro Woche im Betrieb, die übrigen verbringt er in der Berufsschule», sagt sie. «Da kann man nicht sagen, der muss 4000 Euro im Monat verdienen.» Wichtig sei, «dass auch Anerkennung und Lob ihren Platz haben und nicht nur Anweisungen erteilt werden», sagt Hartges.
Im ersten Lehrjahr habe er fast hingeschmissen, schildert Koch-Azubi Bödicker, «weil ich jeden Tag immer irgendwas falsch gemacht habe, obwohl ich es so gezeigt bekommen habe». Der eine wolle das Ei so, der andere so: «Viele Köche verderben den Brei, das trifft es genau auf den Punkt.»
Nicht alle halten der Belastung stand. Dem Bundesinstitut für Berufsbildung zufolge wurden 48 Prozent der Koch-Ausbildungsverträge im Jahr 2012 vorzeitig gelöst. Das liege ein Stück weit auch an den Bewerbern, heißt es beim VKD. Viele Berufsanfänger hätten schlicht falsche Vorstellungen vom Alltag in der Küche. «Kochshows im Fernsehen sind interessant, aber sie zeigen nicht die Wirklichkeit», sagt VKD-Präsident Becker. «Köche müssen auf die Hygiene achten, sie müssen Allergene und Zusatzstoffe kennen, sie arbeiten ganz anders.»
Das Problem sei hausgemacht, meinen hingegen die Gewerkschaften. Azubis hätten oft den Eindruck, ausgenutzt zu werden, heißt es im DGB-Ausbildungsreport 2013 über die Gastronomie. «Viele Betriebe verstoßen regelmäßig gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz», sagt NGG-Expertin Boltersdorf. «Auszubildende müssen zuhauf Überstunden machen, die sie nicht bezahlt bekommen und auch nicht abbauen dürfen.»
Oliver Bödicker bereut seine Berufswahl trotzdem nicht: «Es gibt Tage, die sind einfach nur super. Wenn ich Dinge ausprobieren darf oder etwas Neues beigebracht bekomme. Oder sich ein Gast für das Essen bedankt.» dpa