Von Cornelia Wolter
Die Mayas und Azteken würden sich wahrscheinlich wundern, was in der modernen Welt als Kakao bezeichnet wird. Das anrührfertige, gezuckerte Pulver hat nichts mit dem «xocoatl» der Maya zu tun. Bei ihnen galt das bittere Getränk als «Speise der Götter», dessen Genuss einzig hohen Würdenträgern vorbehalten war. Doch auch heute wird sogenannter Edelkakao als kulinarisches Genussmittel angesehen und konnte sich als Kochzutat für Feinschmecker etablieren.
Andrea Durry, Kuratorin im Schokoladenmuseum in Köln, hat vier Sorten Edelkakaopulver zu Hause. «Sie haben ganz unterschiedliche Geschmacksnuancen - der eine trägt eine bitterer Note, der andere schmeckt eher blumig», erklärt sie. Für eine Trinkschokolade gibt sie fünf bis sechs Löffel Kakaopulver in eine Tasse, rührt das Ganze mit Wasser und Zucker an und gibt einen Schuss Sahne dazu. «Wahlweise kann die Trinkschokolade auch ganz mit Sahne oder mit heißer Milch zubereitet werden.» Wer mehr Abwechselung will, schmeckt noch mit Ingwer, Chili, Zimt, Jasmin oder Branntwein ab.
Für die Zubereitung einer ursprünglichen Trinkschokolade röstet man Kakaobohnen und entfernt die Schale. Diese sogenannten Kakaonibs - sie bestehen aus einem hohen Anteil Kakaobutter, die bei 25 Grad Celsius schmilzt - werden dann solange gestoßen, bis ein Brei entsteht, den man wie Kakaopulver zur Zubereitung einer Trinkschokolade verwenden kann. Bleibt Kakaoknete übrig, lässt sich diese zu kleinen «Balls» rollen, aufbewahren und bei Bedarf mit einer Küchenreibe zu Kakaopulver verarbeiten. Sowohl Bohnen als auch Nibs und Balls sind im Spezialhandel erhältlich.
«Beim Kakao werden die beiden Grundtypen Criollo und Forastero unterschieden», erklärt Rodger Wegner, Geschäftsführer des Vereins der am Rohkakaohandel beteiligten Firmen (Kakaoverein) in Hamburg. Criollo gilt als Edelkakao. Er ist wenig säuerlich, kaum bitter, besitzt neben einem milden Kakaogeschmack eine Fülle von Nebenaromen und macht nur etwa fünf Prozent des weltweiten Anbaus aus.
Die Forasteros sind dagegen die sogenannten Konsumkakaos, die den größten Teil der Produktion ausmachen und für die meisten preiswerten Schokoladensorten und Kakaopulver verwendet werden. «Sie haben einen kräftigeren Kakaogeschmack, sind nicht ganz so aromatisch, dafür aber widerstandsfähiger und produktiver», sagt Wegner. Eine dritte Gruppe bilden die Trinitario-Kakaos - eine Kreuzung aus den beiden anderen. Eine Sonderstellung nimmt der in Ecuador beheimatete Nacional oder Arriba-Kakao ein, aufgrund seines ausgeprägten Aromas zählt er als einziger Forastero zu den Edelkakaos.
Die Edelkakaopulver im Handel sind meist Mischungen, die auf Grundlage von Criollo- oder Trinitario-Sorten produziert werden. Die genaue Herkunft der einzelnen Bestandteile wird in der Regel nicht auf der Verpackung angegeben. Jürgen Rausch, Geschäftsführer des Schokoladenhauses Fassbender & Rausch in Berlin, setzt dagegen auf Sortenreinheit und verarbeitet in einem Produkt jeweils nur den Kakao einer Plantage. «Denn je nachdem, in welchem Land und auf welchem Boden er angebaut wird - ganz wie beim Weinanbau -, hat jeder Kakao einen ganz spezifischen, unverwechselbaren Geschmack», erklärt er.
Schon bei den Mayas diente Kakao nicht nur als Getränk, sondern war auch eine wichtige Kochzutat. «In den Ursprungsländern rund um den Äquator ist es bis heute üblich, mit Kakaopulver und Nibs zu kochen», erklärt Rausch. Im Restaurant von Fassbender & Rausch vermengen die Köche beispielsweise Balls mit Chili oder Pfeffer und reiben diese - ähnlich wie Parmesan - über ein Gericht. «Ziel solcher Mischungen ist es, interessante Gegensätze zu finden, durch die Peaks auf der Zunge entstehen», sagt der Chocolatier. So schmeckt etwa in einer leicht säuerlichen Tomatensuppe etwas untergerührte Bitterschokolade oder Kakao - außerdem sehen die braunen Fäden darin dekorativ aus.
Auch Stefan Dobrecht, Mitglied der Jugendnationalmannschaft der deutschen Köche und Koch im Mercure Hotel Woehrdersee Nürnberg City, schätzt Criollo als Zutat. Allerdings rät er zu maßvollem Gebrauch: «Zum einen, weil es ein wertvolles Produkt ist. Außerdem sollte Kakao wie ein Gewürz verwendet werden und nicht vorschmecken», sagt Dobrecht. Hervorragend passe eine Schokoladensoße zu Hähnchenbrustfilet mit glacierter Ananas. Dafür fügt er der Soße zwei bis drei Esslöffel Kakao dazu. Auch im klassischen Gulasch schmecke Kakao und verleihe ihm einen ganz eigenen, kräftigen Geschmack.
Raffiniert ist auch, Karottensuppe aus pürierten Möhren mit Schokoladensahne zu verfeinern. Dafür hebt man unter die geschlagene Sahne Kakao und gibt jeweils einen Klecks als Haube auf die einzelnen Portionen. Ganz edel ist gebratenes Rinderfilet mit einer Rotwein-Kakao-Schalotten-Soße. «Dafür koche ich Schalotten mit Lorbeer in Rotwein und hebe am Ende etwas Kakao unter», sagt Dobrecht.
Wichtig beim Kochen mit Kakao sei es, dass man den Kakao erst ganz zum Schluss dazugibt, also nachdem der Fond aufgegossen wurde. «Ansonsten besteht die Gefahr, dass er verbrennt, oder, wenn er zu lange mitkocht, dass er sein feines Aroma verliert.» dpa
Schokoladennudeln selber machen
Als leckeres Dessert empfiehlt der Koch Stefan Dobrecht selbst gemachte Schokoladennudeln. «Für den frischen Nudelteig verwendet man weniger Mehl und stattdessen Kakaopulver und Puderzucker», sagt der Fachmann. Über die fertigen, warmen Nudeln gibt man etwas Butter.