Von Maren Hennemuth
Kohl ist gerade weniger gefragt. "Im Moment bestellen die Leute frisches Gemüse, besonders Salat. Rotkohl kann keiner mehr sehen", sagt Annette Krehl. Sie ist Geschäftsführerin des Lieferdienstes "Die grüne Bohne" aus Nierstein in Rheinhessen. Ihr Online-Shop umfasst knapp 2000 Produkte, Kunden können zwischen Blutwurst, Fetakäse und Gemüsekisten wählen, die Ware wird an die Haustür gebracht. Drei Mal pro Woche liefern Krehl und ihr Team innerhalb des Rhein-Main-Gebiets aus.
Der Wocheneinkauf im Internet hat hierzulande noch keine ausgeprägte Tradition. Im vergangenen Jahr gaben die Deutschen 175 Milliarden Euro für Lebensmittel aus - gerade einmal 0,5 Milliarden Euro entfielen auf den Vertriebsweg Internet, wie aus einer Studie des Beratungsunternehmen EY hervorgeht. Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh) verzeichnet seit einigen Jahren aber gestiegene Wachstumsraten: Bestellten die Verbraucher 2011 Lebensmittel, Delikatessen und Wein im Wert von 680 Millionen Euro, waren es im vergangenen Jahr bereits 971 Millionen Euro.
"In Deutschland haben wir ein ganz eigenes Konsumentenverhalten, was Lebensmittel angeht", sagt Sebastian Schulz vom bevh. "Der Deutsche gibt durchschnittlich nicht einmal zehn Prozent seines Einkommens für Lebensmittel aus." Das müsse ein Online-Händler in seinem Konzept berücksichtigen.
Es ist vor allem ein Geschäft mit Nischen. In Ballungszentren schießen die Lieferanten von Biolebensmitteln aus dem Boden. Andere Anbieter werben mit Käse-, Tee- und Weinabos, die man sich online selbst zusammenstellen kann. "Es gibt bereits viele professionell aufgestellte Online-Shops, die mit Spezialitäten handeln - zum Beispiel mit belgischen Pralinen, Backwaren aus dem Erzgebirge oder Lebensmitteln aus den USA", sagt Andrea Balas vom Handelsinstitut EHI.
Generell laufe das Geschäft mit Lebensmitteln aus dem Internet im Vergleich zum Handel mit Büchern, Kleidern oder sogar Möbeln noch recht schleppend. Kunden suchten eher gezielt nach Produkten, die sie nicht im Supermarkt um die Ecke kaufen können, erklärt Balas. "Verbraucher kaufen vor allem Feinkost und Wein über das Internet", bestätigt Daniela Wiehenbrauk vom Beratungsunternehmen EY. Auch Trockenprodukte und Konserven würden gerne bestellt.
Ein Klick, und die Ware landet im digitalen Einkaufskorb. Per Paket oder Lieferdienst wird sie dem Kunden dann vor die Haustür gebracht. Oder er muss sie an einer Station abholen. Vor allem die Logistik bereitet der Branche die größten Probleme. "Die Verbraucher haben noch nicht das Vertrauen in Lieferzeit, Qualität und Frische gewonnen und ziehen das Einkaufserlebnis im stationären Handel vor", erklärt Balas. Einige Anbieter hätten das Geschäft wieder einstellen müssen, weil die Kunden fehlten.
Doch die Analysten von EY rechnen damit, dass sich das Geschäft bis 2020 auf bis 20 Milliarden Euro steigern könnte. "Der Markt ist momentan sehr in Bewegung", sagt Wiehenbrauk. "So gut wie alle großen Händler sind derzeit dabei, bestehende Angebote zu erweitern oder Neue zu entwickeln." Auch die Logistik entwickele sich weiter.
Vor allem der Blick in andere Länder macht der Branche Hoffnung. "In den USA lief die Entwicklung ähnlich ab. Da hat man zunächst haltbare Dauerwaren wie Weine oder Öle bestellt", erklärt Schulz. Über die Zeit hätten die amerikanischen Verbraucher aber erkannt, dass man auch Alltagsnahrung wie Käse oder Wurst nach Hause bestellen könne. Auch Großbritannien ist längst weiter als Deutschland. Dort wurden 2012 nach Angaben von EY Lebensmittel im Wert von 5,5 Milliarden Euro über das Internet verkauft.
Seit ein bis zwei Jahren drängten hierzulande aber verstärkt auch Vollsortimentler auf den Markt, berichtet Schulz. "Die bilden im Online-Shop ein ähnliches Angebot ab, wie man es in großen Discountern vorfindet." Mit 30 000 bis 40 000 Artikeln seien sie breiter aufgestellt als der Markt um die Ecke. Daneben gibt es die Online-Shops großer Handelsketten wie Rewe oder Tengelmann.
Für regionale Anbieter wie Annette Krehl stellt das Geschäft im Internet vor allem eine gute Möglichkeit dar, sich einen breiteren Kreis an Abnehmern zu erschließen. "Meine Kunden aus Frankfurt würden nicht hierher in meinen Laden kommen", sagt sie. Reich könne man mit dem Geschäft aber nicht werden. "Das Ausliefern der Ware ist teuer wegen der hohen Spritpreise. Und die Gewinnmargen sind nicht sehr hoch." Ihr Sortiment habe sie in den vergangenen Jahren konstant erweitern können - auch weil immer mehr Menschen auf ihren Shop aufmerksam geworden seien. dpa