Küchenchef Anthony Bourdain ist ein bisschen blutig

Von Antonia Lange

Mit einem Schwall von Fett, Innereien und dem knackenden Brustkorb eines Vogels beginnt das jüngste Werk von US- Starkoch Anthony Bourdain. Im ersten Kapitel von «Ein bisschen blutig - Neue Geständnisse eines Küchenchefs» beschreibt der langjährige Chefkoch der New Yorker Brasserie Les Halles wie er zusammen mit der «Küchenmafia» ein artgeschütztes Vögelchen verspeist. Sein Geschmacksurteil: «wie nach einem guten Fick».

Der New Yorker Koch sorgte bereits 2001 mit einem recht derben Enthüllungsband über den Alltag in der Hochleistungsgastronomie für Aufsehen. Wer nach dem blutigen Beginn des Nachfolgewerks ähnlich unappetitliche Geheimnisse aus der amerikanischen Restaurantszene erwartet, wird allerdings enttäuscht.

«Ein bisschen blutig» beschäftigt sich zwar recht kurzweilig mit dem Essverhalten der Amerikaner. Wenn Bourdain darin auf Vegetarier und Fernsehköche gleichermaßen schimpft, wärmt er dabei allerdings viele Themen des Vorgängerbandes «Geständnisse eines Küchenchefs» auf. Statt auch dieses Mal die widerwärtigen Praktiken seiner Kollegen offenzulegen, widmet der Autor einigen nun jedoch regelrechte Lobeshymnen.

Vergeblich wartet der Leser auf skandalöse Enthüllungen, wenn Bourdain etwa die Hygiene des Filetierers Justo Thomas, im Fischrestaurant Le Bernardin, beschreibt. «Wenn er ein Schneidebrett mit einem feuchten Handtuch abwischt, wirft er das Tuch danach weg.» Jedes «nicht ganz einwandfreie Stück» Fisch wandert in den Müll. Wo also ist der blutige Teil des Buches, wo die schmutzigen Geständnisse aus der Küche?

Nach 28 Jahren in der Branche arbeitet Bourdain mittlerweile nicht mehr als Küchenchef. Und so lebt sein Buch auch weniger von aktuellen Enthüllungen, als von Rückblicken auf seine Karriere. «Ich habe den kotverschmutzten Südzipfel des Warzenschweins gegessen, jede Spielart von Innereien, Ohren und Schnauzen wilder Tiere.»

Auf 400 Seiten beschäftigt sich Bourdain auch mit Phänomenen der modernen Esskultur. Dabei geht er etwa den Fragen nach, ob und wie gut jeder Mensch kochen können muss, wie dick ein Koch sein darf und ob gutes Hamburgerfleisch ein «Grundrecht» jedes Menschen ist. Auch schlägt er den Spaßfaktor als entscheidendes Bewertungskriterium eines Essens im Restaurant vor: «War es besser als ein richtig guter Blowjob?»

Im Kapitel «Helden und Schurken» rechnet der ehemalige Küchenchef schließlich mit einigen Kollegen ab. «Jamie Oliver ist ein Held», schreibt der Autor darin mit feiner Ironie. «Ich würde mich wahrscheinlich nicht mehr aus dem Haus trauen, wenn ich so viel Hass und Verachtung erleben würde wie Jamie Oliver.»

Die wahren Schurken in «Ein bisschen blutig» sind allerdings nicht die Köche, sondern ihre Kritiker. Angesichts von Foodbloggern und Journalisten müsse man «mit den armen Köchen» Mitleid haben, schreibt Bourdain. Er weiß jedoch, wie man dem «potenziellen Feind» begegnen muss. «Ein Gratisessen genügt.» dpa