Zwei Jahre Pandemie, das bedeutet zwei Jahre bedrohte Existenzen in der Gastronomie. Auch ohne aktuellen Lockdown bleibt die Lage für viele Hospitality-Unternehmen besorgniserregend. „Selbst wenn die Ministerpräsident*innen morgen das mittelfristige Ende zahlreicher Corona-Maßnahmen beschließen sollten, fehlen uns nach wie vor langfristige Planbarkeit und Perspektiven“, sagte Kerstin Rapp-Schwan, Gastronomin und Vorstandsmitglied im Leaders Club Deutschland, bei der heutigen Pressekonferenz des Branchennetzwerks in Berlin. „Eine davon muss die dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer auf 7 Prozent sein! Das ist nicht nur ein Gebot der Fairness und mutmachendes Signal, sondern eine wirkungsvolle Maßnahme, die Ertragskraft und die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen im Wettbewerb zu stärken.“ Gastronom und TV-Koch Tim Mälzer rief die Politik mit Blick auf die Ministerpräsidentenkonferenz am morgigen Mittwoch auf, gerade auch kleine Unternehmen zu unterstützen, die coronabedingt in Not geraten. Als Stimme der Branche stellt sich der Leaders Club unter dem Motto #ZukunftGastro. ab sofort noch stärker als bisher an die Seite des Gastgewerbes.
Tim Mälzer nahm vor den Journalisten in Berlin wie gewohnt kein Blatt vor den Mund: „Die Corona-Pandemie bringt Menschen und Unternehmen völlig unverschuldet ins Wanken. Das ständige Auf und Zu unserer Betriebe verursacht nicht nur immense Kosten, es geht auch hart an unsere Substanz!“ Der TV-Koch und Gastronom kämpft gemeinsam mit dem Leaders Club um das Überleben der Branche. „Gerade für die Kleinen bedeutet das unter Umständen das Aus. Sie dürfen nicht länger von der Politik vergessen werden. Wir müssen uns jetzt mit den Herausforderungen der Zukunft auseinandersetzen.“
ZUGANGSBESCHRÄNKUNGEN MÜSSEN FALLEN
Einen Tag vor der Ministerpräsidentenkonferenz am 16. Februar bekräftigt der Leaders Club seine Forderung nach weiterer Unterstützung für die Branche: „Wir erwarten von Bundeskanzler Olaf Scholz und der gesamten Regierung, dass Wahlversprechen eingehalten werden: Die Zugangsbeschränkungen müssen fallen und es gilt jetzt, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Unternehmen ermöglichen, sich aus eigener Kraft aus der Krise herauszuarbeiten. Dazu gehört die dauerhafte Absenkung der Mehrwertsteuer auf alle gastronomischen Dienstleistungen, wie es sie bereits in 21 europäischen Staaten gibt“, kommentierte Leaders Club-Vorstandsmitglied Erich Nagl (Steuerberatungsgesellschaft ETL Adhoga) die Lage aus Sicht seiner mehr als 1.300 Mandant*innen aus dem Außer-Haus-Markt. „Angesichts der seit zwei Jahren von der Gastronomie und ihren Beschäftigten erbrachten ‚Sonderopfer‘ ist es mehr als angemessen, die Grenze für den abgabenfreien Corona-Bonus auf 3.000 Euro zu erhöhen. Die Mitarbeiter*innen verdienen dieses Zeichen der Wertschätzung, nachdem sie trotz KuG enorme Entbehrungen allein schon durch das ausbleibende Trinkgeld hinnehmen müssen. Ebenso notwendig ist eine pragmatische Anhebung der Verdienstgrenzen für Aushilfen auf 520 Euro schon im Frühjahr.“ Längst ist der Mangel an Mitarbeiter*innen ebenso wie der steigende Kostendruck eine echte Bedrohung für den Fortbestand vieler Unternehmen.
BRANCHE WILL ENDLICH WIEDER AUF EIGENEN BEINEN STEHEN
Wie sehr ihr zuvor gesundes Unternehmen durch zwei Jahre Corona-Krise unter Druck geraten ist, berichtete Gastronomin Kerstin Rapp-Schwan: „Seit bald zwei Jahren haben wir und unsere Teams uns immer wieder schnell und sehr pragmatisch auf neue Vorgaben eingestellt. Aber wirklich planbar ist für uns derzeit nur die Rückzahlung der erhaltenen KfW-Kredite. Ich vermisse die Perspektiven, mit denen ich meinen Mitarbeiter*innen vermitteln kann, dass wir ein sicherer Arbeitgeber sind und dass sie wieder normal arbeiten können. Für sie und unsere Gäste wünschen wir uns, dass baldmöglichst alle Einschränkungen fallen, denn wir wollen endlich wieder auf eigenen Beinen stehen, ohne uns von einer Krise zur nächsten zu hangeln. Wir sind es, die Stadtviertel und Innenstädte bunt machen, wir gehören zur Kultur und wir brauchen eine Zukunft!“
SYSTEMGASTRONOMIE KÄMPFT MIT FLICKENTEPPICH
Mirko Silz, Geschäftsführer der FR L’Osteria SE und damit Chef eines der größten deutschen Systemgastronomen, schloss sich dem Wunsch nach Planbarkeit und Perspektiven für die Branche an. „Mit unseren mehr als 120 Restaurants in ganz Deutschland sind wir angesichts des Flickenteppichs von Verordnungen und Regeln täglich mit einer ganzen Reihe zusätzlicher Herausforderungen konfrontiert. Dieser Flickenteppich muss endlich ein Ende haben. Außerdem ist eine Nachbesserung der Überbrückungshilfe IV unverzichtbar. Auch nach zwei Jahren Pandemie ist die Bezugsgröße für deren Berechnung nach wie vor das Jahr 2019. Alleine 2021 haben wir 19 neue Standorte in Deutschland eröffnet und damit Arbeits- und Ausbildungsplätze während der Krise geschaffen. Durch die Art der Berechnung werden wir hierfür nun regelrecht bestraft. Die Zugangsbarriere von mindestens 30 Prozent Umsatzrückgang muss rückwirkend abgeschafft werden.“ Eine dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer auf 7 Prozent ist für Silz ebenfalls unumgänglich: „Andernfalls steht das Geschäftsmodell Gastronomie – und damit ein wesentlicher Faktor für das gesellschaftliche Miteinander in Deutschland – auf dem Spiel.“
LEADERS CLUB STEHT AN DER SEITE DER BRANCHE
Der 2001 gegründete Leaders Club hat sich als Netzwerk aus Gastronomen, Beratern und Produzenten mit mehr als 320 Mitgliedern aus 160 Unternehmen zum Ziel gesetzt, als Impulsgeber und Sprachrohr die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung der Gastronomie in Deutschland zu stärken. Seit Beginn der Corona-Pandemie kämpft der Club dafür, die existenzbedrohende Not des Gastgewerbes angesichts von Lockdowns und sich ständig ändernden Infektionsschutzregeln in das Bewusstsein von Politik und Öffentlichkeit zu rücken – zum Beispiel mit aufmerksamkeitsstarken Kampagnen wie der Aktion „Leere Stühle“. Diese Engagements werden in den kommenden Monaten unter dem Logo und Hashtag #ZukunftGastro. gebündelt und kommuniziert. „Damit geben wir unserer politischen Arbeit noch mehr Gewicht“, erklärt Leaders Club-Präsident Michael Kuriat. „Mit der heutigen Pressekonferenz im Reichstagsgebäude stellen wir uns ausdrücklich hinter die ähnlich lautenden Forderungen all der anderen Branchenverbände und bringen unsere Botschaft genau dorthin, wo sie hingehört: ins Herz des Berliner Regierungsbetriebs.“