Luxus-Wasser Beverly Hills 90H20

Von Peter Schubert

"Die besten Geschäftsideen sind meistens die einfachsten", sagt Jon Gluck auf der Terrasse von Barney Greengrass, hoch oben über dem Wilshire Boulevard in Beverly Hills, und bestellt beim Ober drei leere Gläser. Das Restaurant in der fünften Etage des Nobel-Kaufhauses Barneys erinnert ein wenig an die Schlemmertheke des KaDeWe in Berlin. Stör, Tunfisch und Lachs gehören hier zu den Spezialitäten. Doch heute geht es um ein anderes Luxusgut für Connaisseure: ein neuartiges Mineralwasser

 

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Beverly Hills 90H20 heißt der gute Tropfen, den Entrepeneur Jon Gluck zum Lunch kredenzen lässt. Es könnte der größte Coup seit dem Beverly Hills Cop mit Eddie Murphy werden oder eben jener US-Fernsehserie mit der berühmten Postleitzahl. Man ahnt sofort, wer die Zielgruppe sein soll: die Reichen und Schönen dieser Welt, die sich wie so mancher Hollywood-Star seinen erlesenen Geschmack etwas kosten lassen. Der 28-jährige Gluck ist zuversichtlich, dass seine aus Beverly Hills stammende Familie eine Marktnische entdeckt hat. Und so zaubert er feierlich einen edlen Geschenkkarton hervor. Zum Vorschein kommt, in Klarsichtfolie und mit Schleifchen versehen wie Champagner, eine oktogonale schwere Glasflasche mit schwarzem Etikett. Sie ist nummeriert - ein Sammlerstück gewissermaßen.

"Voilá! Das erste wirkliche Designerwasser der Welt", sagt Gluck, dessen Visitenkarte wie das Flaschenetikett aussieht und ihn als Präsident der Beverly Hills Drink Company AG ausweist. Das Einschenken überlässt er freilich seinem deutschen Wasser-Sommelier Jerk Martin Riese. Ein prüfender Blick. Das Prozedere wie bei einem guten Wein. "Wohl bekomm's!" Der erste Schluck ist angenehm und samtweich. Es handelt sich um ein stilles Wasser, wohlgemerkt, mit hoher Mineralität, aber fast süßlichem Abgang. "Unvergleichlich", schwärmt Gluck und hat insofern Recht, dass Mineralwasser üblicherweise ja nur aus einer Quelle geschöpft und abgefüllt wird. Auch dieses Wasser entspringt zwar einer Bergquelle hoch oben in der kalifornischen Sierra Nevada, doch dann wird es mit Mineralien versetzt. Der PH-Wert liegt bei minmal alkalischen 7,5, der Abdampfrückstand, also der Mineraliengehalt, bei 390 TDS pro Liter. Serviert werden sollte das Wasser bei 15 Grad.

"Nach einem Geheimrezept", betont Riese, "und das haben wir uns natürlich auch patentieren lassen." Für den gelernten Restaurantfachmann aus Nordfriesland ist die Markteinführung dieser Tage in Los Angeles "ein Traum, der in Erfüllung geht". Denn eine gute Idee braucht wie immer auch den hilfreichen Zufall. Riese, in Niebüll an der dänischen Grenze geboren, hat in Westerland auf Sylt das Restaurantfach erlernt. Nach Etappen bei Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann auf Mallorca und Anton Viehhauser in Hamburg ist er in Berlin im Palace Hotel als Maitre d' hotel des Feinschmeckerlokals First Floor bekannt geworden. Und nun ist er in Los Angeles "einfach zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort" gewesen.

"Es hat alles gepasst, wir haben uns auf Anhieb super verstanden mit Martin", sagt Jon Gluck, der mit seinem Vater und seinem Schwager volles Risiko in die Geschäftsidee investiert hat. Vor gut einem Jahr haben sich beide im Restaurant Ray's & Stark Bar in Los Angeles kennen gelernt. Riese hatte kurz zuvor erst den Job in Berlin sausen lassen, um im Restaurant-Imperium des deutschen Spitzenkochs Joachim Splichal anzuheuern und Karriere zu machen.

Das Geschäftsmodell Mineralwasser stand zu diesem Zeitpunkt für den 36-Jährigen "noch in den Sternen". Gluck indes hatte da schon ein gutes Jahr Vorlauf. Er beschreibt die Stunde Null seiner Firma als ein "zauberhaftes Abendessen" in Wolfgang Pucks Nobelrestaurant Spago in Beverly Hills. "Alles war perfekt: die Gäste, das Wetter, das Essen, der Wein", erinnert sich Gluck, "und dann brachte der Kellner dieses herkömmliche Mineralwasser, und wir alle dachten nur, das kann's doch nicht sein." Die Recherchen begannen, gesucht wurde ein Experte in Sachen Mineralwasser. Kein Wunder, dass fast alle Google-Treffer auf Jerk Martin Riese in Berlin verwiesen, den besten so genannten Wasser-Sommelier Deutschlands.

Riese muss schmunzeln über die Bezeichnung. Für ihn begann alles anno 2007 mit diversen Berichten über Promis wie Madonna und Mariah Carey, die sich angeblich stets nur Voss, Fiji oder andere Spezialwässerchen servieren lassen. "Ich fand das irgendwie witzig", sagt Riese und erweiterte im First Floor die bereits umfangreiche Wasserkarte von 14 auf 40 erlesene Tropfen. Die Hauptstadtpresse griff das Thema dankbar auf, die Sache sprach sich schnell herum, der Trendberuf des Wasser-Sommeliers war geboren. "Inzwischen gibt es für unsere Branche sogar eines Berufsverband", sagt Riese lachend. Der schiere Zufall wollte es, dass Riese just zu dem Zeitpunkt nach Los Angeles umzog, als Gluck einen Wasserexperten suchte. Der deutsche Maitre schien wie geschaffen, das ultimative Tafelwasser zu kreieren.

Hinzu kommt freilich, "dass Martin über einen wirklich untrügerischen Gaumen verfügt", sagt Gluck. Das habe "der Deutsche immer wieder bei Verkostungen unter Beweis gestellt." Ein Jahr lang wurde herum experimentiert, mehrfach auch das Design der Flasche verändert. "Plastik kommt natürlich nicht in Frage", sagt Riese und windet sich vor Grausen, wenn er über Mariah Careys Fiji spricht, das man inzwischen in den USA an Tankstellen erhält.

Jon Gluck, der Marketingexperte, weiß natürlich, dass gute Geschichten allein noch kein neues Produkt verkaufen. Schließlich wird Wasser in den USA bereits mit der Speisekarte auf den Tisch gestellt - kostenlos. Anders als in Deutschland, wo es Hunderte zumeist regional abgefüllte Mineralwasser gibt, handelt es sich in Amerika dabei häufig um eisgekühltes Leitungswasser, bestenfalls gefiltert oder in großen Bottichen heran gekarrt. Das war zwar nicht immer so, in New York und San Francisco gibt es auch heute noch hier und da einen alteingesessenen Seltzerman der Sprudelwasser liefert. Doch in Supermärkten beschränkt sich die Auswahl zumeist auf eine Hand voll Sorten: im Westen zumeist Arrow Springs-Quellwasser, das ebenfalls in Plastikflaschen abgefüllt wird. Im Osten oft Nestles Poland Spring aus dem nordöstlichen US-Bundesstaat Maine. Ansonsten gibt es die weltweit vertriebenen kohlensäurehaltigen Wasser von Perrier, San Pellegrino oder Gerolsteiner.

Für Badoit, Aqua Panna oder gar das wegen des Flaschendesigns gelobte Voss muss man indessen schon den Getränkefachhandel oder einen Weinhändler konsultieren. Wobei Gluck nicht den Wettbewerb mit diesen Marken aufnehmen will. "Wir haben ein völlig einzigartiges Produkt kreiert, das es so noch nicht gibt - ein handgemachtes Designerwasser", sagt er und setzt beim Vertrieb deshalb zunächst einmal auf die Spitzen-Gastronomie und Luxus-Hotels. Dort wird es die Kunden am wenigsten schmerzen, mindestens 16 Dollar (und wahrscheinlich sehr viel mehr) für die Ein-Liter-Flasche zu berappen. Riese: "Wer mehrere Hundert Dollar für guten Wein und Essen ausgibt, wird dankbar sein für ein Wasser, dass das Geschmackserlebnis im Restaurant nicht zerstört oder unterbricht, sondern unterstützt."

Wenig überraschend wird Beverly Hills 90H20, das so geschickt mit der Postleitzahl des Nobelwohnortes und der chemischen Kurzformel für Wasser spielt, ab diesem Monat im berühmten Beverly Wilshire Hotel vertrieben und im Montage und im Petit Ermitage auf jedes Zimmer gestellt. Unter den Spitzenrestaurants werden wohl das Feinschmecker-Lokal Patina in der Walt-Disney-Hall und natürlich Ray's & Stark Bar im LACMA-Museum, dem Arbeitsplatz Martin Rieses, zu ersten Abnehmern zählen. Als Lieferwagen sollen übrigens gepanzerte Geldtransporter eingesetzt werden. Es handele sich schließlich um "flüssiges Gold", sagt Gluck, dessen Familie bereits mit dem Vertrieb von neuartigen Sportler-Sammelkarten des Labels Upper Deck und dem in Disneyland oder in Elvis Presleys Graceland gebräuchlichen Vertriebssystemen für Erinnerungsfotos Millionen verdient hat.

Im April wird das Luxus-Getränk in Shanghai auf der 6. Internationalen Wassermesse CBW erstmals im Ausland vorgestellt. Gluck sieht das mit der Nachfrage betont gelassen: "Die ersten 10.000 Flaschen sind jedenfalls verkauft. Wir gehen fest davon aus, dass die Interessenten auf uns zukommen werden." Dazu bedarf es keiner großen Werbung. Und auch etwaige Stars als Werbeträger seien marketingmäßig nicht vorgesehen. Wie bei Kunstdrucken soll jede Abfüllung mengenmäßig beschränkt bleiben. Wobei sich Wasser, offiziell ein unter Aufsicht stehendes Lebensmittel, anders als guter Wein nur zwei Jahre lagern lässt.

Beverly Hills 90H20, so lautet Glucks Zielgruppenanalyse, sei ein Wasser für die US-Metropolen LA, Miami und New York, für Städte wie Paris, Moskau und Tokio. Auch die Scheichs in Dubai hat Gluck als Stammkunden im Visier - Riese wiederum schwebt das Wartenhaus KaDeWe in Berlin vor. Gut möglich aber auch, dass sich schon bald einer der internationalen Lebensmittel-Multis des Produktes annimmt. Trinkwasser ist scheinbar ein gutes Geschäft.

BeverlyWater.com