Machen statt meckern Wirte trotzen der Krise

Die Pandemie hat den Gießener Gastronomen Shadi Souri erfinderisch gemacht. Sein Restaurant «Pizza Wolke» wandelte sich in den vergangenen Monaten zur Produktionsstätte von Tiefkühlpizza. Hunderte Pizzen nach neapolitanischer Art werden hier nun täglich gebacken, belegt und gefrostet, um sie in Supermärkten der Region zu verkaufen. Der 30-Jährige hat derzeit nach eigenen Angaben fast 20 Mitarbeiter und damit dreimal so viele wie vor der Krise.

Die Idee, TK-Ware anzubieten, sei ihm schon einmal 2019 kurz durch den Kopf geschwirrt, aber: «Ohne Corona hätte ich nicht die Zeit gehabt und auch nicht die Motivation, um mich wirklich der Sache anzunehmen», erzählt Souri. Und er habe natürlich in der Krise etwas unternehmen müssen, um seine Mitarbeiter weiterhin beschäftigen und sein Geschäft über Wasser halten zu können. «Dass das jetzt solche Ausmaße annimmt, das hätte ich mir letztes Jahr im März nicht träumen lassen.»

Während des ersten Lockdowns hatte Souri noch auf einen Abhol- und Lieferservice gesetzt. Den gibt es aktuell nicht mehr. Die TK-Pizzen, die bald in einer Produktionshalle in einem Gießener Stadtteil produziert werden sollen, stehen im Fokus: «Diese Sache geht gerade so durch die Decke, dass wir die komplette Manpower und die Ressourcen nur dafür einsetzen», erzählt der Gastronom. Derzeit werden nach seinen Worten fast 40 Supermärkte beliefert, Mitte Februar sollen es 80 sein. Auch der hessenweite Verkauf in zwei Supermarktketten sei angepeilt.

Er sei in der Situation durchaus hin- und hergerissen, sagt Souri. «Corona hat mir persönlich als Unternehmer gezeigt, dass ich mich immer weiterentwickeln muss.» Gleichzeitig gehe das, was man sich jahrelang aufgebaut habe, ein Stück weit zugrunde. Aber er wolle nicht meckern - sondern lieber machen, um Lösungen zu finden.

Ein Gastro-Kollege, der nicht jammert, sondern die Ärmel hochkrempelt: Das dürfte auch dem Wiesbadener Oliver Dürr gefallen. Der Wirt des Restaurants «Amadeus» hatte im Januar einen Gastkommentar in der Tageszeitung «Wiesbadener Kurier» geschrieben - und damit in den Sozialen Medien einen teils heftigen Shitstorm ausgelöst. Dürr hatte geschrieben, nach seiner Prognose müsse kein Restaurant aufgrund von Corona schließen. Der Branche gehe es besser, als von vielen behauptet. Dürr rief dazu auf, eher mal Danke zu sagen: An treue Stammgäste, von denen vor allem im ersten Lockdown viel Unterstützung gekommen sei, und dem Staat für die Hilfen.

Er wisse aus persönlichen Gesprächen, dass einige Kollegen ähnlich dächten wie er, sich aber nicht öffentlich äußern wollten. «Ich bin mir sicher, dass die ganze Branche mit kleinen Ausnahmen noch da steht im April», ist Dürr überzeugt. Er habe noch von keinem Betrieb in Wiesbaden gehört, der wegen Corona geschlossen wurde. Die Politik habe die Branche «wahnsinnig gut unterstützt», lobt Dürr. Sie werde die Gastronomie nun auch nicht auf der Zielgraden im Stich lassen.

Die Corona-Krise und der erste Lockdown im März seien auch für ihn ein Schock gewesen, sagt Dürr. «Man dachte: Ok, das war's.» Dann seien aber die Soforthilfen geflossen und «ab da sind wir relativ gut durchgekommen», berichtet er über sein Restaurant. «Bis heute. Wir machen uns absolut gar keine Sorgen.» Das «Amadeus» hat rund 50 Plätze drinnen und etwa 50 Plätze draußen.

Bereits im Sommer sei absehbar gewesen, dass Corona im Winter nicht vorbei sein wird, sagt Dürr. Es sei auch deutlich geworden, dass Gäste nur ungern drinnen sitzen. Er habe daher schon früh mit Blick auf den Herbst Geld zur Seite gelegt. Dabei hätten auch die Senkungen bei Umsatz- und Mehrwertsteuer geholfen.

Er sei mit den staatlichen Hilfen für Unternehmen sehr zufrieden, sagt Dürr. Er habe genug Geld bekommen, um die Ladenmiete und laufende Kosten zu bezahlen. Nach seiner Einschätzung haben einige Gastronomen keine ausreichenden Rücklagen gebildet. Er habe beispielsweise fürs Amadeus sechs Monatsmieten auf der hohen Kante liegen.

«Wir haben - Gott sei Dank - viele Betriebe, die vernünftig über die Runden kommen», sagt der Hauptgeschäftsführer des Gaststättenverbandes Dehoga in Hessen, Julius Wagner. Es gebe echte Erfolgsstorys - was am jeweiligen unternehmerischen Verve liege. Aber viele Wirte würden derzeit «wahnsinnig», weil sie faktisch über Monate unter einem Berufsverbot ständen. «Die Mehrheit erträgt die aktuelle Lage und der Staat - wo die Unterstützung ankommt - sorgt dafür, dass sie durchkommen», sagt Wagner und ergänzt: «Die Mehrheit leidet im Stillen.»

Wie viele Gastro-Betriebe bereits wegen Corona hätten Insolvenz anmelden müssen - dazu gebe es noch keine validen Zahlen. Das liege auch an den derzeitigen Lockerungen bei der Insolvenzantragspflicht. «Wir glauben, das Frühjahr wird Wahrheit sprechen», sagt Wagner. «Das wird sicher hart.» Er bleibe bei der Einschätzung, dass wegen Corona 20 bis 25 Prozent der Betriebe insolvent gingen - über einen gestreckten Zeitraum. In Nicht-Pandemie-Zeiten betrage die Quote rund drei Prozent. dpa