Marke und Mythos HardRock-Café

Von Oliver Hollenstein

Die erste Jeans ihres Lebens sah Rita Gilligan bei ihrem Vorstellungsgespräch. «Da saß dieser langhaarige Typ, 21 Jahre alt, er trank Bier aus der Flasche und rauchte einen Joint», erinnert sich die heute 70-Jährige. «Das war ungeheuerlich im prüden London Anfang der 1970er Jahre.»

Der langhaarige Typ war Peter Morton. Im Juni 1971 gründete der Amerikaner mit einem Freund in der britischen Hauptstadt ein amerikanisches Restaurant. Inzwischen ist aus ihrem HardRock-Café eine weltweit operierende Franchise-Kette geworden - und eine milliardenschwere Marke. Am Wochenende feierten die Hardrock-Cafés mit einem Festival im Londoner Hyde-Park offiziell ihren 40. Geburtstag.

In mehr als 50 Ländern gibt es heute 133 Cafés und 15 Hotels unter dem Label HardRock. Rund 32 500 Mitarbeiter arbeiten dort. Jedes Jahr nehmen mehr als 50 Millionen Gäste teilweise stundenlange Warteschlangen in Kauf, um in den Genuss von nicht sonderlich originellem Fastfood zu kommen. Außerdem kaufen sie rund 12 Millionen T-Shirts, Kappen, Buttons und andere Merchandise-Produkte.

Dass es einmal soweit kommen würde, damit hätte im Juni 1971 wohl niemand gerechnet. London, heute eine der hippsten Metropolen der Welt, war damals vor allem die Hauptstadt des stocksteifen Englands. «Alle trugen Anzüge mit Krawatten und polierte Schuhe», erinnert sich Rita Gilligan. Die damals 30-Jährige hatte sich als Kellnerin in dem Restaurant beworben. «Ich war eher konservativ und hatte bis dahin vor allem in Nobelrestaurants gearbeitet.»

Morten und sein Partner Isaac Tigrett engagierten nur erfahrene Nobelkellnerinnen, die älter als 30 waren. Doch ihr Plan hatte mit den etablierten Londoner Restaurants wenig zu tun. Der Legende nach störte sie in England vor allem eins: Es gab keine guten Burger. Daher gründeten sie ihr eigenes Restaurant. Hier durften die Gäste aus der Flasche trinken, mit den Fingern essen - und im Hintergrund lief Rock'n'Roll.

Von vielen Londonern belächelt, eroberte das Restaurant am Rande des Hyde-Parks schnell eine eigene Klientel. «Die Rockstars fühlten sich bei uns irgendwie wohl - weil alles so verrückt war», erzählt Rita. Die Beatles, die Stones, Queen, Pink Floyd - was Rang und Namen in der britischen Musikszene hatte, kam ins HardRock. Bald standen daher auch die Fans Schlange, um ihre Idole zu treffen.

Angespornt durch die guten Umsätze in London, gingen die Gründer ab 1982 mit ihrer Marke auf Expansionskurs. In aller Welt wurden Franchise-Filialen eröffnet. In den 1990er Jahren zahlte eine britische Hotelkette die Gründer aus. 2007 kaufte der Stamm der amerikanischen Seminole-Indianer, der mit Spielcasinos reich geworden war, die Kette - für fast eine Milliarde Dollar.

So ein Markenwert will natürlich gepflegt werden - mit Geschichten und Mythen. Für die ist Rita Gilligan zuständig. Kulturattaché, steht auf ihrer Visitenkarte. Konkret heißt das: Mit ihren knallroten Haaren und ihrer weißen Kellnerinnen-Uniform reist die 70-Jährige um die Welt und erzählt Journalisten und Kollegen die Geschichten, die den «Spirit» der Marke ausmachen, wie sie es nennt.

«Irgendwann kam Eric Clapton rein und legte eine Gitarre auf den Tresen», beginnt eine dieser Geschichten. Für dich, habe der Star zu HardRock-Chef Tigrett gesagt. «Der hat nur geantwortet: Kann ich nicht», erzählt Rita, woraufhin Clapton gesagt haben soll: «Dann hängt sie an die Wand.» Dort blieb sie nicht lang allein. Wenige Tage später soll «The Who»-Gitarrist Peter Townshend mit einer Gitarre in den Laden gekommen sein: «Meine ist genauso gut wie seine.»

Aus den beiden Gitarren sind inzwischen 73 000 Ausstellungsstücke geworden. Ob eine Lederjacke von Madonna oder ein gläserner Stock von Prince, die letzte Gitarre von Jimi Hendrix oder Instrumente, gestiftet von BB King, Lenny Kravitz oder Marilyn Manson - allein die Deko der Cafés lässt die Herzen der Rockfans höherschlagen.

Es ist wohl dieser Mythos der Nähe zu den Stars, der die Kette so erfolgreich macht. Beim Jubiläum-Festival im Hyde-Park sind mit Rod Stewart, Bon Jovi und den Kaiser Chiefs die Stars mehrerer Generationen dabei - und Rita Gilligan. «Wie jedes Jahr», sagt sie.

Gefällt ihr eigentlich noch die Musik auf dem Festival? «Ich bin eine alte Dame», sagt sie leise, als dürfte es ihr Arbeitgeber nicht hören. «Das ist alles ein bisschen hart für mich. Ich mag Rock'n'Roll - aber das wird heute leider nicht mehr gespielt.» dpa