Maximilian Herzog und die Zigarren

Unten auf dem Gendarmenmarkt flanieren die Touristen, in den Cafés rings um genießen die Gäste die Herbstsonne. Mittagszeit in Berlin. Mit Maximilian Herzog sitze ich an einem Tisch am Fenster des Berlin Capital Club, schaue auf das Treiben und über die Dächer der Hauptstadt.

"Eine tolle Stadt", sagt Herzog, "und die einzige in der ich leben möchte." Das sei ihm sofort klar gewesen, als er Mitte der 90iger Jahre des vergangen Jahrhunderts an die Spree gekommen ist: "Es war Liebe auf den ersten Blick."

Damals war Herzog in der Stadt um in seinem eigentlichen Fachgebiet, der Psychologie, eine Habilitation zu schreiben. Mit Erfolg schloss er das auch ab, und arbeitete einige Zeit als Privatdozent. Weniger Erfolg hatte der Genussmensch Herzog allerdings wenn er seiner Leidenschaft für Cigarren frönen wollte. "Es gab einfach kein Geschäft, wie ich es mir vorstellte. Also nur mit Cigarren und einen extra Raum, um in Ruhe eine gute Cigarre zu genießen."

1997 gingen die Türen seines Zigarrengeschäfts am Ludwigkirchplatz auf, später folgte die Casa im Savoy und Hotel und Herzog am Hafen. Inzwischen ist Herzog so eine Art Synonym für Cigarren in Berlin.

"Cigarre fasziniert einfach", erzählt Herzog, während er in der Karte blättert und sich nicht entscheiden kann. Ein wenig wirkt er wie der ewig unentschlossene Kunde, der sich nicht entscheiden kann, welche Cigarre er nun nimmt, von dem er mir später erzählen wird. Herzog bestellt Tatar, mit etlichen Sonderwünschen - Calvados statt Cognac, das Eigelb nicht untergemischt, viel Tabasco. Vorher gibt es Ei mit Spinat. Der Mann mag es bodenständig. Nicht zu verwechseln mit einfach. "Cigarre ist ein gutes Vehikel für viele Lebenssituationen und Bereiche: Kunst, Literatur, Geschichte, vieles hat damit zu tun und sie ist in jedem Fall ein Kommunikationsfaktor."

Das sei bei ihm schon am Anfang seiner Rauchhistorie so gewesen. "Mit 14, als in der Schule alle Zigaretten rauchten, wollte ich dazu gehören. Da mir Zigaretten nicht schmeckten griff ich zu kleinen Dannemanns." Heute freilich, raucht er andere Kaliber. Die Leidenschaft zum braunen Gold hat sich der Schweizer Wahlberliner indes erhalten. "Ich rauche gern auch einfach für mich allein und lasse die Gedanken fliegen", erzählt er und wälzt fast chirurgisch exakt sein Eigelb in der Hackmasse.

Die Szene wirkt fast so als würde er die Farbe für ein Kunstwerk anrühren. Herzog ist Ästhet durch und durch. Ich kann mich nicht erinnern in den mehr als zehn Jahren, die ich ihn kenne, ihn mal ohne Anzug gesehen zu haben. Ebenso ist sind seine Ausdrucksformen stets gut gesetzt. Das wird mir wieder klar, als er vom Rauchen als "Archäologie der Seele" spricht.

Schweizer Psychologe eben, denke ich bei mir. Dabei spielt die Psychologie in seinem Alltag gar nicht so eine große Rolle, wie ich vermutete. "Beim Verkaufen jedenfalls nicht", sagt er. "Ein Produkt bei dem ich Psychologie anwenden müsste um es zu verkaufen interessiert mich nicht", so Herzog. Eher interessieren ihn die Sinnlichen Zusammenhänge: Riechen, Schmecken, Tasten.

Das hat er jüngst in seinem Büchlein Der kleine Herzog, einer Art Leitfaden für Aficionados verarbeitet. Im Laufe unseres Gespräches wird mir klar, wie schwer es ist, mit Max über etwas anderes als Cigarren zu reden. Sie sind nun mal ein wichtiger Teil seines Lebens. Seine Leidenschaft. Das wird mir auch klar, als er mir zum Ende unseres Gespräches auf die Frage, wie lange er noch machen will antwortet: "So lange es geht, ich mache das doch gern."

Aber immerhin gibt es auch noch anderes in seinem Leben. Etwa seine Datscha, wie er es nennt. 1500 Quadratmeter mit Häuschen. "Da gibt es immer etwas zu tun. Gerade habe ich Bäume ausgeästet. Selbst mit Kettensäge." Ein wenig fällt es mir schwer diese Bild - Max mit Kettensäge - in den Kopf zu bekommen. Da passt schon eher die Vorstellung, wie er in einer Opernaufführung sitzt. "Besonders Puccini liebe ich und fahre jedes Jahr zum Puccini-Festival in Italien."

Dazu passt folgende Anekdote: Prinz Philip, der Ehemann der Queen, wurde gefragt, welches seine Lieblingsoper von Puccini sei: "Madame Butterfly, because its the shortest." Herzog kann darüber zwar lachen, fügt aber an, dass er die Madame wirklich mag. Ein Traum vom ihm ist übrigens eine Opernaufführung im legendären Opernhaus der brasilianischen Stadt Manaos. "Das ist nur leider ganz schön weit", meint er. Zurzeit führen ihn seine Reisen auch eher gen Osten. "Ukraine, Polen, Russland, da gibt es so viel zu entdecken und man findet noch sehr viel authentisches Leben", schwärmt er.

Ein Mal traf ich ihn auch auf dem Flughafen in Beirut. Herzog mag die ausgefallenen Reiseziele. Manaos passt da ja dazu. Doch auch in Berlin ist er ständig unterwegs. "Ich ziehe alle paar Jahre um. Gerade jetzt wieder." Das liege vielleicht daran, dass er immer ein wenig unzufrieden sei und immer hoffe, es am neuen Ort besser zu treffen, sagt er Gedanken verloren und beantwortet auch gleich meine Frage, wo seine Heimat ist. "Ich bin da wie ein Nomade. Dort mein Zelt und meine Teppiche sind."

Persische Teppiche sind eine weitere Leidenschaft des "überzeugten Singles", wie er sich selbst nennt. "Vielleicht bin ich aber auch ein wenig exzentrisch, fügt er mit einem Hauch Selbstironie an. Nun ja - zumindest was die Bestellung von so einfachen Dingen wie Tatar und Wein betrifft, kann ich ihm da nicht widersprechen.

Später rauchen wir noch eine Cigarre in der Lounge des Capital Clubs. Herzog beliefert das Haus mit feinen Tabakwaren und veranstaltet hin und wieder Cigarrenabende. Heute nicht. Jetzt muss er wieder in sein Geschäft am Ludwigkirchplatz. Die Kundschaft wartet. zigarren-herzog.com

Ich bin dann mal wieder unterwegs.

Euer

Honza Klein