Michelin-Sterne verschwinden aus Frankfurt

Von Monika Hillemacher

Die Sterne am Gastro-Himmel über Frankfurt verschwinden reihenweise. Erst zog Juan Amador nach Mannheim um, dann strich der Restaurantführer Michelin zwei Häusern in der Mainmetropole - Kameha Suite und Osteria Enoteca - die Auszeichnung. Jetzt macht mit Mario Lohningers «Silk Bed»-Restaurant ein weiterer Gourmet-Tempel der Sternekategorie zu.

Ende Juli schließt der Koch das Lokal, in dem Gäste nicht sitzen, sondern weich gepolstert zu Tisch liegen. Das ebenfalls von Lohninger betriebene «Micro» ist bereits dicht. «Ein Kapitel geht zu Ende, ein neues fängt an», sagt der Koch, der beide Häuser im Cocoon Club von DJ Sven Väth führte.

Übrig bleiben in der Bankenstadt einschließlich Königstein im Taunus nur noch sechs besternte Restaurants. Zum Vergleich: Berlin bringt es auf 13, München auf 11, Hamburg auf 9. In ganz Hessen gibt es zudem kein einziges 3-Sterne-Restaurant mehr.

Für das Sterne-Sterben sehen Branchenkenner mehrere Gründe, vor allem aber geht es ums Geld: Es «gibt zwar Geld und es wird auch gerne ausgegeben, aber es wird genauer hingesehen», sagt Barbara Röder, stellvertretende Landesvorsitzende des Verbands der Köche Deutschlands (VKD).

Gäste zahlen lieber 70 Euro für ein sehr gutes Essen statt 200 Euro - in Frankfurt und Umgebung kocht ausreichend Konkurrenz auf hochwertigem Niveau unterhalb des aufwändigen Sterne-Levels. Der Hotel- und Gaststättenverband Hessen vergleicht die Situation mit der der Hotellerie. Gefragt sei 4-Sterne-Qualität, nicht 5-Sterne.

Zusätzlich zu Konkurrenzdruck und Sparsamkeit kämpft die Top-Gastronomie mit hohen Kosten für Pacht, Personal und Produkte. In der Bankenmetropole ist alles teurer als in der Provinz, wo viele Sterne-Restaurants zu finden sind. Der Schwarzwaldort Baiersbronn ist mit zwei 3-Sterne-Restaurants Deutschlands Gourmet-Hochburg. In Hessen stehen nach der aktuellen Michelin-Ausgabe Sterneköche zum Beispiel in Frankenberg (Eder), Herleshausen oder Bad Hersfeld am Herd.

In einer Szene, in der Genießer für kulinarische Erlebnisse oft lange Anreisen in Kauf nehmen, spielt das Ambiente ebenfalls eine Rolle. Tester bewerten es, Gäste erwarten Außergewöhnliches nicht nur aus der Küche, sondern auch bei der Location. Frankfurt scheint da schwieriges Terrain zu sein. «Silk» und «Micro» liegen in einem tristen Gewerbegebiet am Stadtrand. Und eilige Geschäftsleute, die einen großen Teil der Frankfurter Gastro-Kundschaft ausmachen, legen weniger Wert auf herausragendes Ambiente.

Nach dem Rückzug Lohningers bleiben noch sechs Sterne-Restaurants erhalten. Drei von ihnen setzen auf Partnerschaften als Erfolgsrezept. Das «Tiger»-Restaurant ist dem Varieté Tigerpalast angeschlossen, das Hotel «Frankfurt Hof» leistet sich mit Patrik Bittner ebenso einen Spitzenkoch wie die «Villa Rothschild» in Königstein mit Christoph Rainer. Er darf sich als einziger in Hessen mit zwei Sternen schmücken. Beide Häuser gehören zu großen Hotelketten. Hinter einem weiteren steht ein Gastro-Unternehmer.

Mario Lohninger tut sich für sein neues Projekt mit einem etablierten Partner zusammen. Mit dem Feinkostunternehmer Gregor Meyer will er das «Holbein's» im Städel Museum führen. «Das sind zwei Alphatiere, die aufeinander stoßen und das ist gut so», kommentierte Lohninger die neue Konstellation. Für ihn zählt das Geschäftliche: «Restaurant ist auch Business. Es reicht nicht, gut zu kochen.» Ob er im «Holbein's» wieder einen Stern erkochen will, lässt er offen: «Das steht alles in den Sternen.» dpa

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