Von Patrick Schirmer Sastre
Auf den Balearen zu leben und zu arbeiten, ist für viele ein Traum. Mittlerweile aber ist das Sehnsuchtsziel angesichts unerschwinglicher Wohnungspreise oft zum Alptraum geworden. Während auf Ibiza schon länger Wucherpreise die Gemüter erhitzen, stehen jetzt auch Mietsuchenden auf Mallorca schwere Zeiten bevor. «Die Mietpreise haben ein Limit erreicht», sagt Natalia Bueno, Präsidentin des Verbandes der Immobilienmakler auf den Balearen.
Für eine Zweizimmerwohnung in der Hauptstadt Palma oder in den Küstengebieten würden mittlerweile im allerbesten Fall 800 Euro plus Nebenkosten verlangt. Die Folge: Mieter könnten sich die angebotenen Unterkünfte kaum noch leisten. «Entweder sie verdienen nicht genug oder sie haben befristete Arbeitsverträge - da ist eine Vermietung für die Wohnungsbesitzer viel zu riskant», so Bueno.
Welche Ausmaße dies im schlimmsten Fall annehmen kann, ist bereits auf Mallorcas südlicher Nachbarinsel Ibiza zu beobachten. Hier herrscht seit Jahren ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Wer bei einschlägigen Webportalen wie «mil anuncios» auf Wohnungssuche geht, der findet teilweise Angebote von 400 bis 500 Euro monatlich - für ein Bett in einem geteilten Zimmer. Eigene WG-Zimmer kosten schon deutlich mehr. Für komplette Wohnungen ist den Preisen nach oben heute keine Grenze mehr gesetzt.
Wer nicht gerade einen Top-Job hat, kann das nicht stemmen: Im Jahr 2017 verdienten mehr als 60 Prozent der Balearenbewohner weniger als 21 000 Euro netto im Jahr, ein Drittel der Insulaner sogar weniger als 12 000 Euro, wie aus vom spanischen Finanzamt veröffentlichten Zahlen hervorgeht.
Grund für die Misere auf dem Immobilienmarkt ist auch die hohe Zuzugsrate. Um fast 21 000 Menschen ist die Bevölkerung im vergangenen Jahr auf den Inseln laut spanischem Statistikamt gestiegen. Die Nachfrage nach Wohnraum zieht an. Der Maklerverband empfiehlt den Vermietern dennoch, die Preise zu senken. «Wir müssen mindestens fünf bis zehn Prozent runtergehen», sagt Natalia Bueno. Mallorca sei auf dem besten Weg, sich in ein neues Ibiza zu verwandeln, wo es schon länger an bezahlbarem Wohnraum mangele.
Das führt auch in der Tourismusbranche zu erheblichen Problemen. «Es gibt Menschen, die jahrelang während der Sommersaison bei uns gearbeitet haben und jetzt nicht mehr kommen wollen, weil sie nicht einsehen, diese Preise zu bezahlen», sagt Ana Gordillo, die Präsidentin des Hoteliersverbandes von Ibiza und Formentera. Hotels seien deshalb dazu übergegangen, selbst Wohnungen und Häuser für die Angestellten anzumieten. Das reiche aber nicht. «Wenn es im April oder Mai noch Hunderte offene Stellen für qualifizierte Arbeiter gibt, dann weiß man, dass etwas nicht richtig läuft», betont die 28-Jährige.
Die Schuldigen hat sie ausgemacht. «Das große Problem ist die illegale Ferienvermietung», sagt sie. Schätzungen der tourismuskritischen Organisation Terraferida zufolge wurden im April über die Plattform Airbnb auf Ibiza rund 26 000 Betten in privaten Ferienvermietungen angeboten. Rund die Hälfte davon besaß demnach keine Lizenz. Kontrolliert wird zwar, aber die Kapazitäten sind begrenzt. Im vergangenen Jahr eröffnete der Inselrat von Ibiza 233 Verfahren wegen illegaler Ferienvermietung.
Neben Saisonarbeitern leidet auch die lokale Bevölkerung. «Wenn meine Schüler den Abschluss machen, haben sie zwei Möglichkeiten, um von zu Hause auszuziehen», erzählt Xavier Ribas, Lehrer an einer Schule in der Gemeinde Sant Agustí des Vedrà auf Ibiza. «Entweder ihre Eltern haben noch eine Zweitimmobilie, in der sie wohnen können. Oder sie verlassen die Insel. Die meisten gehen aufs Festland.»
Dass die Gehälter in ihrer Branche zu niedrig seien, möchte Verbandschefin Gordillo nicht gelten lassen. «Wir haben den besten Tarifvertrag für Hotelmitarbeiter in ganz Spanien. Erst vor zwei Jahren wurde beschlossen, die Löhne um 17 Prozent zu erhöhen.» Die Hoteliers könnten nicht für die Gier der Vermieter verantwortlich gemacht werden. Und viel schlimmer sei: «Es fehlt massenhaft an Ärzten und Polizisten.»
Das bestätigt Joan, der bei der Ortspolizei auf Ibiza arbeitet. «Gerade bei der Nationalpolizei kommen häufig junge Beamte vom Festland, die denken: Ibiza, geil! Die sind nach dem ersten Sommer in der Regel weg.» Er erzählt von einer früheren Kollegin: «Die kam ursprünglich aus der Region Valencia. Hier zahlte sie 900 Euro im Monat für eine Mini-Wohnung, der Weg zur Arbeit dauerte eine Stunde.» In ihrer Heimatregion bekomme sie für die Hälfte ein Haus mit Pool. «Die Rechnung war nicht schwer.» dpa