Ein Vorziehen der für den kommenden Montag geplanten nächsten Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) wird jedoch immer unwahrscheinlicher. «Für eine vorgezogene MPK gibt es erkennbar keine Mehrheit», sagte Demmer. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ging nach einer Sitzung seines Kabinetts davon aus, dass die Bund-Länder-Runde nicht vorgezogen wird.
Auf die Frage, wie die Kanzlerin den Vorstoß des CDU-Vorsitzenden und NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet für einen Brücken-Lockdown findet, antwortete die stellvertretende Regierungssprecherin, es gebe im Moment bei den Corona-Neuinfektionen keine gute Datenbasis. Die Zahl der belegten Intensivbetten spreche aber eine sehr deutliche Sprache. «Deswegen ist auch jede Forderung nach einem kurzen einheitlichen Lockdown richtig.»
FDP-Chef Christian Lindner reagierte darauf mit scharfer Kritik: «Wieder soll auch nach der Bundeskanzlerin nur ein pauschaler Lockdown die Antwort auf die Pandemie sein. Das CDU-geführte Kanzleramt hat keine innovativere Alternative entwickelt», sagte Lindner in Berlin und warnte: «Die sozialen Folgen sind immens. Die Grundrechtseingriffe sind immer weniger verhältnismäßig.»
Söder sagte in München, derzeit sehe es leider nicht nach der Einheitlichkeit aus, die für den härteren Kurs in der Pandemie notwendig sei. «Ich halte die Idee für sinnvoll», betonte der CSU-Chef, aber im Moment gebe es dafür von den SPD-Ländern keine und auch unter den CDU-Ländern keine «große Unterstützung». Ein «genereller Lockdown» könne aber nur einheitlich von Bund und Ländern beschlossen werden, ansonsten drohe ein erneuter Flickenteppich.
Über Ostern hatten die Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut (RKI) weniger Corona-Neuinfektionen gemeldet als in den Wochen zuvor. Allerdings geht das RKI davon aus, dass an den Feiertagen weniger Menschen zum Arzt gehen, Praxen teils geschlossen sind und die Gesundheitsämter Daten unter Umständen verspätet melden. Am Mittwoch meldete das RKI 9677 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 298 neue Todesfälle verzeichnet. Laut RKI wird derzeit aufgrund von Urlauben und geschlossenen Praxen möglicherweise etwas weniger getestet als vor den Ferien.
Laschet verteidigte seinen Vorschlag für einen Brücken-Lockdown und forderte Kritiker wie Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und die SPD-Ministerpräsidenten auf, ihre eigenen Ideen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorzulegen. Der CDU-Vorsitzende forderte innovative Ideen wie temporäre Drive-In-Zentren zur Beschleunigung der Impfungen. Bis das Impfen mehr Fahrt aufnehme, gelte es, «in den letzten Wochen der Pandemie» so viele Leben wie möglich zu schützen. «Alle sollten sich jetzt noch einmal schnell, hart und klar zusammenraufen», sagte Laschet.
Am Mittwoch wollte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit seinen Länderkollegen auch über die Zweitimpfungen für junge Leute beraten, die mit dem Wirkstoff von Astrazeneca geimpft wurden. Die Ständige Impfkommission (Stiko) hatte empfohlen, Menschen unter 60 Jahre sollten bei der zweiten Impfung einen anderen Wirkstoff bekommen. Die EU-Arzneimittelbehörde EMA empfahl hingegen am Mittwoch trotz sehr seltener Fälle von Hirnthrombosen uneingeschränkt die Anwendung dieses Impfstoffes. Dessen Nutzen sei höher zu bewerten als die Risiken, erklärte die EMA in Amsterdam. Die britische Impfkommission änderte dagegen ihre Empfehlung: Das Präparat soll künftig möglichst nur noch über 30-Jährigen verabreicht werden.
Unklarheit herrscht kurz vor dem Ende der Osterferien vielerorts auch in den Schulen. Für einen Präsenzunterricht müssten strenge Vorgaben gelten, forderte der Deutsche Lehrerverband. Kommunen, Gesundheitsämter und Schulträger sollten am besten selbst entscheiden, ob sie den Fernunterricht beenden oder nicht.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet hatte an Ostern flächendeckende Tests für Schüler an allen Schulen und notfalls eine Testpflicht gefordert. Allerdings wurde am Mittwoch bekannt, dass sich die Auslieferung der Corona-Selbsttests an die Schulen in NRW verzögert.
Die Kultusminister der Länder wollen an diesem Donnerstag über das weitere Vorgehen beraten. In 9 der 16 Bundesländer gehen am Sonntag die Osterferien zu Ende. In einigen Ländern ist schon wieder Unterricht, Hamburg hatte keine Osterferien, und in Hessen und Schleswig-Holstein dauern sie noch bis Ende kommender Woche.
Kinder- und Jugendärzte plädieren dafür, Schulen und Kindergärten so lange wie möglich offen zu halten. «Schulschließungen sollten wirklich die letzte Option sein», sagte die Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Ingeborg Krägeloh-Mann. dpa
«Wirtschaftsgipfel» mit Altmaier: Verbände fordern Verlässlichkeit
Was würde ein möglicher harter Lockdown für die Wirtschaft bedeuten - und was kommt danach? Vor einem «Wirtschaftsgipfel» mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) haben sich Wirtschaftsverbände unzufrieden gezeigt mit dem Kurs der Politik in der Corona-Krise. Sie fordern eine klare Perspektive und eine verlässliche Strategie.
«Der Ad-hoc-Modus der vergangenen Monate ist keine Dauerlösung für ein im globalen Wettbewerb stehendes Industrieland», sagte Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), der Deutschen Presse-Agentur. «Es geht nicht allein darum, ob geöffnet oder geschlossen wird, sondern es muss auch geklärt sein, wann und wie.»
Eine verbindliche Verständigung auf einen bundesweit einheitlichen Maßnahmenkatalog sei für die notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung und in der Wirtschaft elementar, sagte Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), der dpa, mit Blick auf bevorstehende Beratungen von Bund und Ländern. In einem solchen Katalog müsse auch klar geregelt sein, welche Beschränkungen oder Lockerungen beim Erreichen bestimmter Werte eintreffen.
Altmaier hat an diesem Donnerstag erneut Vertreter von mehr als 40 Verbänden zu digitalen Beratungen eingeladen. Der Minister dürfte sich wieder einiges anhören müssen: Die Wirtschaft stemmt sich auch gegen mögliche gesetzliche Auflagen für Corona-Testangebote für Beschäftigte, außerdem reißt die Kritik an den milliardenschweren Corona-Hilfen nicht ab.
Dazu kommt Unsicherheit, wie es nun weitergeht in Sachen Lockdown: Die Bundesregierung hatte am Mittwoch indirekt die Idee eines «Brücken-Lockdowns» von CDU-Chef Armin Laschet unterstützt. Eine Regierungssprecherin hatte von einem «kurzen einheitlichen Lockdown» gesprochen. Die nächsten Beratungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Länderchefs sind für Montag geplant.
Wie aber könnte ein solcher Lockdown konkret aussehen? Die Debatte kommt außerdem zu einer Zeit, in der etwa in der Modellregion Saarland seit Dienstag die Außengastronomie, Fitnessstudios oder Kinos wieder geöffnet sind - Zugangsvoraussetzung ist ein negativer Corona-Test.
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) forderte, statt überstürzter Öffnungen und kurzen Schließungen sollte es Zuverlässigkeit geben. Diejenigen Betriebe, die zwischenzeitlich zumindest eingeschränkt öffnen könnten, bräuchten Verlässlichkeit, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer der dpa: «Weitere Belastungen der Betriebe sind nicht akzeptabel.»
Nach einem coronabedingten Einbruch der Wirtschaftsleistung 2020 stehen die Zeichen in diesem Jahr zwar wieder auf Wachstum, getragen vor allem von der exportstarken Industrie. Branchen wie das Gastgewerbe oder Teile des Einzelhandels sehen sich aber schwer belastet von monatelangen behördlich angeordneten Schließungen. Auch vor diesem Hintergrund und der dritten Corona-Welle haben Ökonomien ihre Wachstumsprognosen zuletzt gesenkt.
Die Bundesregierung hat zwar angekündigt, bei den Hilfen nachzulegen - geplant ist ein Eigenkapitalzuschuss, weil viele Firmen kaum noch finanzielle Reserven haben. Auch beim Kerninstrument der Programme, der Überbrückungshilfe III, sind Nachbesserungen vorgesehen.
Verbände beklagen, Hilfen kämen nicht ausreichend bei betroffenen Firmen an. Es seien zwar rund 90 Prozent der Anträge der November- und Dezemberhilfen bearbeitet und die Summen ausgezahlt worden, sagte Dehoga-Präsident Zöllick. «Allerdings ist es für die verbliebenen 10 Prozent absolut inakzeptabel, dass die Auszahlungen weiter auf sich warten lassen. Dies betrifft insbesondere die größten Arbeitgeber des Gastgewerbes, die inzwischen mit dem Rücken zur Wand stehen.»
Verbände fordern weitere Nachbesserungen. «Die in der vergangenen Woche beschlossenen Anpassungen bei der Überbrückungshilfe III reichen hier nicht aus, um den durch die Schließungsverfügungen und Corona-Auflagen verursachten Schaden auch nur annähernd abzufedern», sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth. Die Deckelung der Hilfszahlungen führe dazu, dass große Unternehmen nicht ausreichend finanzielle Unterstützung bekämen.
Die Tourismusbranche pocht auf längere Hilfen. «Wir fordern, dass die Überbrückungshilfe über den 30. Juni hinaus verlängert wird», sagte der Präsident des Branchenverbandes BTW, Michael Frenzel, der «Augsburger Allgemeinen». Der Verband DTV schlägt laut «Tagesspiegel» einen Wiederaufbaufonds für den Tourismus vor nach dem Neustart der Branche. Der Präsident des Verbandes «Die Familienunternehmer», Reinhold von Eben-Worlée, warnte in der «Rheinischen Post»: «Einen weiteren Hinhalte-Gipfel braucht es nicht.»
Und noch ein Thema dürfte beim «Wirtschaftsgipfel» eine wichtige Rolle spielen: die Angebote der Firmen an Mitarbeiter, sich auf das Virus testen zu lassen. In einem Bericht der Spitzenverbände der Wirtschaft an die Regierung ist von deutlichen Fortschritten bei der Ausweitung von Tests die Rede. Gesetzliche Auflagen aber sind noch nicht vom Tisch - Verbände warnen vor mehr Bürokratie. Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Union im Bundestag, Uwe Schummer, forderte in der Funke Mediengruppe, «das Testen in den Unternehmen sollte zu einer gesetzlichen Verpflichtung werden, solange die Pandemie nicht bekämpft ist». dpa