Von Peter Zschunke
Wenn ausländische Staatsgäste vorfahren, wird meist Sekt von der Mosel und badischer Wein aus dem Kühlschrank geholt. Weit seltener kommen Weine aus Rheinhessen und der Pfalz bei Staatsbanketten auf den Tisch. Dies hat jetzt der ehemalige Grundsatzreferent im Bundespräsidialamt, Knut Bergmann, für sein Buch "Mit Wein Staat machen" recherchiert.
In zehn Jahren nach dem Amtsantritt des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, von 2004 bis 2014, wurden den Gästen zehn Rheinhessen-Weine und fünf pfälzische Tropfen kredenzt. Hingegen wurden im gleichen Zeitraum 24 badische Weine und 17 fränkische gereicht. Die geringe Zahl von Weinen aus der Pfalz überrasche angesichts ihrer hohen Qualität, schreibt Bergmann. Gemessen an der Größe der jeweiligen Gebiete seien die Ahr, Baden, Franken, der Rheingau und Saale-Unstrut deutlich überrepräsentiert, während es bei der Pfalz, Rheinhessen und Württemberg genau umgekehrt sei.
34 Staatsbesuche wertete der Autor anhand von Menükarten aus. Unter insgesamt 34 Rotweinen waren 19 Spätburgunder, neun Cuvées, drei Merlot-Weine und jeweils ein Dornfelder, Frühburgunder und Lemberger. Die gleiche Zahl von Weißweinen verteilen sich auf 14 Riesling-Weine, sechs Cuvées, fünf Weißburgunder, vier Silvaner, zwei Grauburgunder und jeweils einen Chardonnay, Rivaner und Traminer. Zum Dessert wurden auch 13 Süßweine aufgetischt.
Die Untersuchungen des Autors ergeben mit dem besonderen Fokus der repräsentativen Weine "eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland", wie das im Insel Verlag erschienene Buch im Untertitel heißt. Nach einem Blick auf die Trinkgewohnheiten der Herrschenden von der Kaiserzeit bis zum NS-Regime wendet sich Bergmann der frühen Bundesrepublik zu und dem ersten Bundespräsidenten und bekennenden Rotweintrinker Theodor Heuss.
Aber Heuss wollte sich nie mit einem Glas in der Hand fotografieren lassen. Der Autor zitiert ihn aus einem Schreiben von 1951 an den damaligen dpa-Chefredakteur Fritz Sänger: "Ich will nicht haben, daß es dann heißt: "Sie saufen wieder"."
Inzwischen ist man da entspannter. Und der amtierende Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bevorzugt Bier. Ein Foto in dem reich illustrierten Sachbuch zeigt ihn mit dem israelischen Präsidenten Reuven Rivlin in einer Jerusalemer Bierbar. Sowohl der Wein als auch das Bier diene der "geselligen Berauschung", wird Immanuel Kant zitiert, den der Autor als "Gastrosoph" einführt. Aber während der Wein "bloß reizend" sei, sei das Bier "mehr nährend und gleich einer Speise sättigend". dpa
Weine von VDP-Winzern werden überdurchschnittlich oft bei Staatsbanketten ausgeschenkt
Die Statistik ergibt, dass im Zeitraum von zehn Jahren seit Anbeginn der Präsidentschaft von Horst Köhler 2004 insgesamt 17 von 41 Winzern, deren Weine gereicht wurden, Mitglied im Verband Deutscher Prädikats- und Qualitätsweingüter (VDP) sind - mit in Summe 43 Gewächsen. Damit stellten sie über 40 Prozent der Winzer und Weine bei national höchstrangigem Ausschank, obwohl im VDP nur knapp fünf Prozent der deutschen Winzer vertreten sind.
Die VDP-Weingüter zählen zu den besten Weingütern Deutschlands. Die Aufnahmekriterien des privat organisierten Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) sind sehr streng. "Dies ist ein Beleg für die Qualität der Weine - und eine Ehre für unsere Winzer", sagte Hilke Nagel, die Geschäftsführerin des VDP, bei der Vorstellung des Buches. Der VDP war Mitveranstalter der Buchpräsentation und schenkte im Anschluss Weine aus, die Staat gemacht haben.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier stellte das Buch persönlich vor: "Das Buch spiegelt nicht nur die Kulturgeschichte unseres Landes wider, sondern genauso die Güte des deutschen Weins", so der Minister. Bergmanns Text nach fanden sich in der Geschichte der Bundesrepublik viele Gewächse des Verbandes der Naturweinversteigerer, dem Vorläufer des VDP, auf der Staatstafel wieder - so beispielsweise bei dem für die junge Republik höchst bedeutsamen ersten Staatsbesuch von Queen Elizabeth II. im Mai 1965.
Info: Knut Bergmann: Mit Wein Staat machen. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 366 Seiten mit ca. 80 Abbildungen, 25 Euro, Insel Verlag