New Yorker Superfood Die New York Pizza

Von Benno Schwinghammer

Die erste Pizzeria in New York soll von Gennaro Lombardi im Jahr 1905 eröffnet worden sein - das Restaurant in Manhattan gibt es auch heute noch. Food-Blogger Ed Levine zufolge war damit aber noch nicht der Verkauf in Stücken geboren. Die damaligen Kohleöfen ließen die Pizzen beim Erkalten zäh werden. Erst mit der Erfindung des weniger heißen Gasofens setzten Pizzerien in den 30ern auf Wagenrad-große Teige, die in Stücken verkauft wieder aufgewärmt wurden.

Der Klassiker

Was ist eigentlich DAS New Yorker Pizza Slice? Die Eckdaten: ein dreieckiges Stück, bisschen größer als der Pappteller, auf dem es oft serviert wird. Der Teig ist dünn, knusprig und trotzdem flexibel genug, um ihn der Länge nach falten zu können. Die Tomatensoße ist ungekocht und simpel, der Käse ein Mozzarella mit geringem Wasseranteil.

Mehr brauchte es nicht für das erste goldene Zeitalter der New Yorker Pizza in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Kaum einer verkörperte diese Ära so wie Domenico «Dom» DeMarco, der 1959 aus der Nähe von Neapel nach New York kam. Sein Laden Di Fara Pizza zog jahrzehntelang täglich Hunderte in das winzige Eckrestaurant im tiefsten Brooklyn - auch Superstars wie Leonardo DiCaprio.

Dom betrieb großen Aufwand - vom Teig über die Tomaten bis zum Käse - um die perfekten Stücke zu backen. Die fertigen Pizzen nahm er der Legende nach mit bloßen Händen aus dem Ofen. 2004 sagte er der «New York Times»: «Ich habe nicht vor, in Rente zu gehen. Aber ich möchte, dass meine Kinder den Platz übernehmen. Sie müssen mir folgen. Sie müssen meiner Idee folgen.» Letztes Jahr starb DeMarco.

Evolution

New York bleibt niemals stehen, auch seine Slices verändern sich stetig, wie Pizza-Fan Scott Wiener erklärt. «New York ist keine Stadt, in die man kommen und ein Pizzeria-Museum besuchen kann, das sich seit 100 Jahren nicht verändert hat», sagt Wiener. Es habe sich eine neue Generation von Pizzabäckern angesiedelt. Der Weg zur Pizza-Neuerfindung führt über komplizierte Fermentierungstechniken, besondere Tomaten oder den perfekt temperierten Ofen. 

15 Stücke isst Wiener nach eigenen Angaben jede Woche, sein Geld verdient er mit Pizza-Touren in der Stadt. «Es ist absolut der Treibstoff für jeden, der in der Stadt lebt», schwärmt er. Ein Snack für Alle und jederzeit, unabhängig von Gehalt, Status und Herkunft. 

Hopp oder Top?

Auf wohl keiner Bestenliste fehlt der Slice-Shop «L'Industrie Pizzeria» im Viertel Williamsburg in Brooklyn. Auch andere Läden wie «My Pie Pizzeria Romana», «Scarr's Pizza» und «Patsy's Pizzeria» gelten derzeit als beliebt.

Anders sieht es inzwischen wohl bei «Di Fara Pizza» in Brooklyn aus. «Es gibt einen Grund, warum ich diesen Ort nicht in meine Bestenliste aufgenommen habe», sagt Wiener. Seit dem Tod der Pizza-Legende DeMarco sei die Qualität gesunken. 

Ein Trost kann sein, dass sein Werk, seine Hingabe und Energie in Hunderten New Yorker Pizzerien weiterleben. Damit die New Yorker weiter die Kraft haben, niemals stillzustehen. dpa

Alles außer Ananas: Pizza-Weltmeister bereitet sich auf Las Vegas vor

Der Weltmeister mag keine Ananas. «Auf der Pizza? Das ist eine Todsünde», sagt Francesco Ialazzo entrüstet. Als Dessert könne die Tropenfrucht okay sein - aber nicht als Belag. «Das passt nicht. Wie Schnitzel mit Nutella.» Ialazzo muss es wissen: Der 42-Jährige aus Ingelheim bei Mainz ist Pizza-Weltmeister. «Da muss man sehr auf seinen Ruf achten», sagt der Deutsch-Italiener augenzwinkernd. «Ich weiß, dass viele Deutsche die Ananas-Pizza Hawaii mögen. Aber wenn ich die mache, muss ich den Titel abgeben.»

Vor zwei Jahren feierte Ialazzo einen Triumph, von dem er lange geträumt und für den er viel gearbeitet hat. In Neapel setzte er sich bei der Weltmeisterschaft des Berufsverbands der professionellen Pizzabäcker und Konditoren gegen Kollegen aus mehreren Ländern durch. Und er gewann die Trofeo Super Campione («Bester der Besten»). «Übung macht den Meister, viel Übung macht den Weltmeister», meint er.

Der Mann mit Schmuckstein im Ohrläppchen («Ein Geschenk meiner Frau») ist in Mainz geboren und aufgewachsen. Seine Großeltern betrieben eine Pizzeria. «Schon als Achtjähriger konnte ich Pizzen drehen. Dazu hat mein Opa mir eine kleine Leiter vor den Ofen gestellt.»

Mit 17 ging er für zwei Jahre nach Neapel, wo der Legende nach 1889 die erste Pizza der Welt gebacken worden war. «Die Handwerkskunst wollte ich dort erlernen, wo sie herkommt. In Neapel wird eine andere Pizza als sonstwo gebacken», schwärmt Ialazzo. Die Unesco nahm diese Kunst sogar 2017 in die Liste des immateriellen Kulturerbes auf.

In Italien gilt Pizza auch als ein Stück nationaler Identität. Aber es gibt Unterschiede: In Rom ist der belegte Hefeteig dünner, knuspriger und wird «al taglio», stückweise auf die Hand, verkauft.

In Neapel wird Pizza hingegen bei 485 Grad und nur 60 bis 90 Sekunden lang über Holzfeuer gebacken. «Im Holzofen steigt die Hitze nach oben und strahlt wieder nach unten, das ist das Geheimnis. Ein Backblech, wie oft in Deutschland, wird nicht benutzt», erzählt Ialazzo, der 2006 seine Pizzeria «Capri» in Ingelheim eröffnete.

Die «Pizza-WM» in Neapel hat ihn stets gereizt. «Weltmeisterschaft, das ist auch Wissenschaft», betont Ialazzo. 2021 mietete er eine Woche vor Beginn der WM eine Pizzeria in Neapel für einige Stunden am Tag, um das perfekte Rezept zu finden. «In Süditalien herrschen andere Bedingungen als in Ingelheim. Nach einer Woche hatte ich meine Zutaten dem Klima angepasst und wusste: Jetzt habe ich es!»

Ialazzo war binnen der Turniertage in einer Kategorie nach der anderen erfolgreich. «Die anderen sagten: "Guck mal, der nimmt ja alles mit." Acht Pokale waren es am Ende», erzählt er und lacht.

Nächstes Jahr steht sein nächstes Ziel an: die «Weltmeisterschaft der Superchampions im Pizzabacken» in Las Vegas. «Es gibt weltweit nur fünf Menschen mit diesem Titel, mich eingeschlossen.» Anders als 2021 in Neapel will Ialazzo dann bereits zwei Wochen vorher in die USA reisen, um das ideale Rezept für das Backen vor Ort zu finden.

Als ganz besondere Anerkennung der Pizza-Bäcker-Künste sieht der Landesverband des Hotel- und Gaststättengewerbes (Dehoga) den Titel aus Neapel. «Ialazzo beherrscht sein Handwerk weltmeisterlich. Daher kann er mit diesem Titel sicherlich zusätzliche Gäste anlocken und begeistern», meint der Dehoga-Landesvorsitzende Gereon Haumann.

Und was ist nun der perfekte Weg zu einer guten Pizza? «Dazu gehören Leidenschaft, Erfahrung und gute Produkte», sagt Ialazzo. «Ich benutze etwa Büffelmozzarella aus Neapel, Mehl aus der Campania und zerhacke die Tomatenkerne für die Soße, statt sie zu mixen.» Das Wichtigste sei der fluffige Teig. «Das bekommt nicht jeder hin. Ich habe in Neapel gelernt, wie die Luft in den Teigbällchen bleibt.»

Mittlerweile betreibt der Weltmeister auch eine Filiale in Mannheim, in der badischen Stadt und in Hessen plant er weitere Lokale. «Bei den Großeltern und in Neapel habe ich gelernt, diesen Beruf zu lieben und mit Leidenschaft zu machen», sagt der Vater von drei Kindern.

Und was hält er von Tiefkühlpizza? «Für mich ist das kein Tabu», sagt Ialazzo. «Das kann man essen, wenn man wenig Zeit hat.» Für ihn sei das aber eher nichts. «Mein Opa hat gesagt: Es gibt den geborenen Pizza-Bäcker, der achtet bestimmte Regeln, und es gibt den gewordenen Pizza-Bäcker, der macht alles. Ich zähle mich zu den ersteren, probiere aber auch gerne aus. Ich bin ein moderner Traditionalist.» dpa