Oktoberfest München Das Milliardengeschäft

update: O'zapft is

Von Roland Losch

Für Millionen Besucher ist das Oktoberfest eine große Gaudi. Für Brauer, Wirte, Einzelhändler und Hotels ist es ein großes Geschäft. Mehr als 1,2 Milliarden Euro habe die Münchner Wirtschaft mit dem Oktoberfest vergangenes Jahr eingenommen, erklärt das Wirtschaftsreferat der bayerischen Landeshauptstadt.

HOTELS sind demnach die größten Profiteure. In den Festzelten und Fahrgeschäften auf der Wiesn ließen die Besucher 442 Millionen Euro - aber «allein für Übernachtungen gaben die auswärtigen Festgäste nochmals insgesamt rund 505 Millionen Euro aus», teilte die Stadt mit. Mehr als eine Million Besucher übernachten in Hotels und Pensionen. «Die Gäste bleiben in der Regel zwei, drei Tage», sagt Frank-Ulrich John, Geschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands

Rund 450 Häuser mit 80 000 Betten bietet die Stadt. An den Wiesn-Wochenenden sind sie fast komplett ausgebucht. Weil sich die Zimmerpreise nach Angebot und Nachfrage richten, wird die Wiesn auch für die Hoteliers zum Fest: Da könnten sich die Preise durchaus verdoppeln, sagt John.

Bei den GASTSTÄTTEN dagegen hängt es von der Lage ab: Im Umkreis der Wiesn sind sie gut besucht. Dagegen sind viele Münchner in den Festwochen «auf der Wiesn statt in dem Biergarten, wo sie sonst hingehen», erklärt John.

Etwa 13 000 ARBEITSPLÄTZE gibt es dem Wirtschaftsreferat zufolge auf dem Oktoberfest.

Die FESTZELTE dürften annähernd 300 Millionen Euro einnehmen, schätzt Ralf Zednik, Marktforscher bei Tourismus München. Eine Maß Bier kostet gut elf Euro, im vergangenen Jahr wurden 7,9 Millionen Liter ausgeschenkt und dazu unzählige Hendl, Haxn, Würstl und Brezn verspeist. Ein gutes Geschäft, auch wenn der Auf- und Abbau eines großen Bierzelts ein bis zwei Millionen Euro kostet, die Musikkapelle 200 000, die Ordner im Zelt mehr als 400 000 Euro. Und die Stadt als Veranstalter des Oktoberfests und Besitzer der Theresienwiese 7,8 Prozent «Umsatzpacht» kassiert.

Die FAHRGESCHÄFTE und Verkaufsstände auf der Wiesn dürften sich Einnahmen von annähernd 140 Millionen Euro teilen, schätzt Zednik. Alljährlich bewerben sich etwa 1100 Schausteller und Marktkaufleute um einen Standplatz, nur die Hälfte wird zugelassen.

Sechs Münchner Traditions-BRAUEREIEN haben das Privileg, ihr Bier auf der Wiesn auszuschenken: Augustiner, Hacker-Pschorr, Hofbräu, Löwenbräu, Paulaner und Spaten. Das eigens gebraute, starke Festbier wird aber zum größten Teil nicht hier, sondern kistenweise im Einzelhandel verkauft, in Biergärten und Gastwirtschaften oder ins Ausland exportiert. Hofbräu zum Beispiel liefert keine 20 Prozent seines Festbiers auf die Wiesn. Aber das Oktoberfest «ist ein riesiger emotionaler Marketingfaktor», sagt Manfred Newrzella, Geschäftsführer des Vereins Münchener Brauereien.

Für TAXI-Fahrer dagegen ist die Wiesnzeit «eine zweischneidige Sache», sagt Jürgen Dinter, Kundenbetreuer bei der Taxizentrale Isarfunk. Aufträge und Umsätze gehen zwar deutlich hoch, Taxen können unzählige Fahrgäste direkt an der Straße aufnehmen. Aber große Messen seien eigentlich besser, sagt Dinter: Zum einen verteilt sich das Geschäft besser über den Tag und in der ganzen Stadt. Zum anderen sind Geschäftsleute eine angenehmere Kundschaft als betrunkene Wiesnbesucher. Wenn nachts Tausende aus den Zelten strömen, «muss der Taxifahrer abschätzen: Speit der mir ins Auto?» Der Aufwand für die Reinigung wäre enorm. Und «wenn man einen Winker nicht einsteigen lässt, weil das Taxi schon besetzt ist, kann's passieren, dass er die Tür eintritt», sagt Dinter. Es gebe Fahrer, die während der Wiesn lieber pausieren.

Dem EINZELHANDEL dürfte das Oktoberfest etwa 160 Millionen Euro einbringen, sagt Marktforscher Zednik. Die Besucher kaufen Lederhosen, Dirndl und bayerische Souvenirs, und bei auswärtigen Gästen sind auch FC-Bayern-Trikots beliebt, wie Bernd Ohlmann, Geschäftsführer des Handelsverbandes Bayern (HBE) sagt. «Das Oktoberfest ist für den Münchner Einzelhandel ein enormer Image- und Marketingfaktor, es positioniert München als Einkaufsstadt.»

Als WERBUNG für München ist die Wiesn unbezahlbar. «Da werden viele schöne Bilder verbreitet. Dieses Marketing ist sehr wichtig», sagt John. «Durch seinen weltweiten Bekanntheitsgrad ist das Oktoberfest ein touristischer Magnet und Exportartikel par excellence», verkündet die Stadt. Der Tourismus bringt München gut acht Milliarden Euro Umsatz im Jahr. dpa

Hoffnung auf friedliche und sonnige Wiesn - keine Rekorde angestrebt

Die Bierzelte stehen, Fahrgeschäfte drehen Proberunden, für die Sicherheit ist alles getan - und die Wetterprognose zum Wiesnstart in München an diesem Samstag ist perfekt: Oberbürgermeister, Festleitung, Wirte und Schausteller sehen dem größten Volksfest der Welt entspannt entgegen. Gut sechs Millionen Gäste aus aller Welt werden bis zum 6. Oktober auf der Theresienwiese erwartet.

Das Wichtigste sei eine friedliche Wiesn, sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Donnerstag beim traditionellen Rundgang zwei Tage vor dem Feststart. «Ich habe ein gutes Gefühl.» Weniger Bürger als in den Vorjahren hätten sich im Vorfeld der Wiesn an ihn gewandt. «Das ist ein gutes Omen für die Wiesn.»

Möglicherweise könnten in diesem Jahr noch mehr Menschen kommen als im Vorjahr. Die Wiesn 2018 kam nach eher schwächer besuchten Jahren mit 6,3 Millionen Gästen wieder etwa auf die gewohnte Besucherzahl.

Die Zelte seien für dieses Jahr ausreserviert, heißt es bei den Wirten. Dennoch streben weder sie noch die Festleitung neue Rekorde an. «Das muss keine Rekordwiesn werden», sagte der neue Wiesnchef Clemens Baumgärtner (CSU). Es gehe vielmehr um eine «Qualitätswiesn». Als neuer Festleiter wolle er dafür sorgen, dass das Fest «das Gesamtkunstwerk wird, das es tatsächlich ist». Nicht zuletzt müssen Standbetreiber, Schausteller und Wirte hohe Anforderungen erfüllen, um einen Platz auf dem größten Volksfest der Welt zu bekommen.

Dabei zählen auch Öko-Standards. Der Wiesnchef zeichnete am Donnerstag den Wirt des Weinzeltes, Stephan Kuffler, für seinen klimaneutralen Betrieb aus. Alle nicht vermeidbaren CO2-Emissionen gleicht Kuffler über Klimaschutzprojekte aus, ein Aufforstungsprojekt im Allgäu und ein Projekt für saubere Öfen in Peru. «Wer in diesen Zeiten vor dem Klimawandel die Augen zumacht, muss sich sehr anstrengen», sagte Kuffler. Die Kosten für den Klimaausgleich habe er nicht auf die Gäste umgelegt. «Das haben wir selber geschluckt.»

Bei den Fahrgeschäften gibt es eine ganze Reihe Neuheiten, darunter ein 90 Meter hohes Kettenkarussell im Maibaum-Stil. Erstmals können Wiesngäste auch in virtuelle Realitäten eintauchen. Bei der VR-Abenteuerbahn «Dr. Archibald» gehen sie auf eine Zeitreise, sie fahren durch Landschaften mit Sauriern, mittelalterliche Gefilde, Märchenwälder mit Riesenpilzen - und schweben durch Städte der Zukunft.

Im Südteil des Festgeländes lockt erneut die Oidn Wiesn mit historischen Fahrgeschäften. Tradition ist auch beim Outfit angesagt. Selbst auf dem Weg zum Festgelände können Besucher sich schnell noch umdekorieren und in Dirndl und Lederhose schlüpfen. Dem Trend entspricht die billige, oft schrille Last-Minute-Klamotte aber nicht: «Der Trend geht zu gedeckten Farben und hochwertigen Stoffen», sagte Yvonne Heckl von der Veranstaltungsgesellschaft der Münchner Schausteller. Perlen, Rüschen und Glitzer - kurz: das Christbaumdirndl - sind out.

Auch der Trachtenexperte Alexander Wandinger vom Trachten-Informationszentrum des Bezirks Oberbayern in Benediktbeuern macht einen Trend zu erdigen Tönen aus. «Das passt übrigens zur großen Modewelt, denn da beginnt gerade die Ära "Braun".» Er sieht bei den Kunden in Sachen Qualität noch Luft nach oben: «Das Qualitätsbewusstsein bezüglich Verarbeitung, Schnitt und Stoff lässt allerdings nach wie vor oft zu wünschen übrig.»

Während zwei Tage vor dem Fest Gabelstapler unterwegs sind, schallt bereits «Cordula Grün» über die Theresienwiese. Die Ballade des Wiener Musikers Josh. war der Wiesn-Hit des Vorjahres. Für dieses Jahr: noch keine Prognose. dpa