Von Andreas Drouve
Liliana Stipanić überdenkt die Frage nach guten Gründen für eine Reise nach Opatija kurz. Dann sprudelt es aus ihr heraus: «Wegen dem Flair aus der Zeit der Donaumonarchie. Man fühlt sich hier regelrecht kaiserlich, wenn man die alten Villen anschaut, die Atmosphäre spürt, die Gelassenheit der Leute.»
Stipanić ist Stadtführerin. Die 50-Jährige schippert aber auch Tagesausflügler als Kapitänin auf einem Boot durch die Kvarner Bucht hinüber in die Hafen- und Marktstadt Rijeka. Doch in Opatija kennt sie jeden Stein und jedes Detail aus der Geschichte. Diese begann im Mittelalter mit einem Kloster der Benediktiner. Auf dem Gelände der Abtei erinnert die Sankt Jakobskirche an die Anfänge.
Der Adel bereitete den Urgrund des Fremdenverkehrs, der 1889 nach der kaiserlichen Ernennung Opatijas zum heilklimatischen Kurort an der Adria so richtig durchstartete.
«Luft und Meer» gaben den Ausschlag, ruft Stipanić ins Gedächtnis, keine Thermalquellen. Das milde Klima ist bis heute dem Gebirgsmassiv Učka zu verdanken, das Opatija zur Landseite hin abschirmt und vor Winden aus dem Westen schützt.
Tummelbecken der High Society
«Opatija war der zweitgrößte Kurort der Monarchie, lediglich übertroffen von Karlsbad», so Stipanić. Der Ort avancierte zum Tummelbecken der High Society, verbunden mit schmückendem Namensbeiwerk wie «Wien am Meer», «Königin der Adria» oder «Badewanne von Wien». Der Zulauf begann, als Opatija ans nahe Netz der Eisenbahn angeschlossen wurde.
Historische Villen, die zwölf Kilometer lange Adriapromenade Lungomare und das Küstendenkmal «Mädchen mit der Möwe» zählen zu den Wahrzeichen von Opatija. Stechpalmen werfen ihre Schatten auf goldgelbe Hauswände. Bougainvilleen blühen, Oleander, Magnolien.
Im Stadtpark erinnern Mauergemälde an prominente Gäste wie Komponist Gustav Mahler, Literat James Joyce, Universalgenie Albert Einstein und Hollywoodstar Kirk Douglas.
Frühe «Marketing-Botschafter», wie Touristenführerin Stipanić das nennt, seien Kronprinzessin Stephanie und Kronprinz Rudolf gewesen, «da strömten dann alle hinterher». Die Locals hingegen gerieten zu Bürgern zweiter Klasse - was ein wenig am Mythos Opatija kratzt.
Nackt badende Einheimische
Als die Lungomare-Promenade geplant wurde, gab es im Vorort Volosko, aus dem Stipanić stammt, «Konflikte mit den Fischern, die ihre Netze zum Trocknen auslegten». Sie holt weiter aus: «Zudem durften die Einheimischen hier nicht schwimmen, was sie oft nur nackt oder in Unterwäsche taten. Da beschwerten sich die Kurgäste.»
Badefreuden, nun ja, sind nicht die größte Stärke von Opatija. Das Wasser ist glasklar - wie so oft in Kroatien - doch der Einstieg in der City nur über Betonmolen und Metalltreppen möglich. Ebenso wenig sei verschwiegen, dass an manchen Villen der Putz blättert und Autofahrer bei der Suche nach einem Parkplatz verzweifeln können.
Dann wieder lehnt man sich gemütlich zurück bei einem Cocktail am Hafen: Jachten und Nachwuchssegler laufen ein. Im altehrwürdigen Kaffeehaus Wagner pflegen die Kellner mit weißen Hemden und schwarzen Fliegen Eleganz.
Kulturziel in der Oberstadt ist die neoromanische Kirche Mariä Verkündigung, die laut einer Infotafel bei den Bewohnern und Gästen «nicht den Stellenwert» einnimmt, den sie verdient. Überspannt von einer grünen Kuppel stehen drinnen Lichtdome im Altarraum, fluten die Sonnenstrahlen durch Buntglasfenster.
Oranger Amphorenwein aus Kastav
Abseits der Küste führt ein schöner Ausflug in die Höhen nach Kastav. Opatija liegt zu Füßen. Der Blick schweift bis zu den Inseln Cres und Krk und durch das Grün der Berge.
Der idyllische Ortskern atmet Aura und Geschichte. Die Steinkulissen setzen sich aus Stadtmauern, Gassen, einer Säulenhalle zusammen. Die Ruinen der Jesuitenkirche fungieren gelegentlich als Freilichtbühne. Katzen huschen davon. Lokale laden zur Einkehr ein. Neben Hauseingängen stehen Pflanzenkübel aus Terrakotta.
In der Weinkellerei Plovanić erzählt Dejan Rubesa seinen ungewöhnlichen Lebensweg: von Paragrafen hin zu Promille. Früher arbeitete der 59-Jährige als Jurist im Staatsdienst. Er wählte die Option der Frühpensionierung und wurde Profiwinzer. Er wollte zeigen, welches Potenzial in den hiesigen Belica-Weinen steckt, die seit langer Zeit für den Hausgebrauch produziert, aber nie richtig geschätzt wurden.
Unterirdischer Weinausbau
Der Belica ist ein Verschnitt aus fünf Rebsorten, davon drei einheimische. Tüftler Rubesa startete Experimente, die seine 29-jährige Tochter Andreja, die in der Kellerei mithilft, liebevoll «verrückte Ideen» nennt.
Eine davon setzte er wie folgt um: Er importierte riesige, handgemachte Ton-Amphoren aus Georgien und ließ sie hinter der Kellerei im Boden versenken, um darin Rebensaft auszubauen. Nach der achtmonatigen Lagerung unter der Erde reift der Wein ein Jahr lang weiter in Fässern aus kroatischer Eiche.
Das Resultat ist ein Tropfen in oranger Färbung, zutiefst aromatisch, gehaltvoll, ein Unikat - und ein weiterer guter Grund für eine Reise nach Opatija und Umgebung.
Reise nach Opatija
Anreise: Mit dem Auto in etwa sechs Stunden ab München, ab Hamburg dauert die Fahrt mehr als doppelt so lang. Die Anreise per Zug endet am Bahnhof Opatija Matulji und dauert ab München knapp zehn Stunden. Flughäfen in der Nähe sind Rijeka und Pula in 40 bzw. 85 Kilometern Entfernung.
Unterkünfte: Opatija bietet Privatquartiere, Hotels mit modernen Noten oder historischem Chic - Selbstfahrer sollten unbedingt darauf achten, ob ein Parkplatz vorhanden ist. Alternativen sind Unterkünfte im nahen Höhenort Kastav.
Unter anderem auf Deutsch informiert die offizielle Tourismus-Website von Opatija. Mehr - auch über Kastav - erfährt man bei der Kroatischen Zentrale für Tourismus.