Polnische Küche in Berlin Streetfood, Mode, Design

Von Caroline Bock

Kinga und Stanislaw Halamoda wollten eigentlich nur zwei Jahre bleiben. Jetzt sind es fast sieben. Den beiden Polen geht es wie vielen jungen Ausländern in Berlin: Sie sind in der deutschen Hauptstadt hängengeblieben. «Das Leben hier hat mehr Qualität», sagt die 28 Jahre alte Kinga. In Warschau drehe sich viel um Arbeit und Geld, um das «Rattenrennen».

Mittlerweile hat das Paar eine kleine Tochter und ein Café namens «Oak & Ice» im Prenzlauer Berg eröffnet. Dort verkaufen sie handgemachtes Eis aus Polen. Sorten wie Buchweizen, Rote-Bete-Apfel oder vegane Schokolade, da wird der Hipster hellhörig. Die Gäste sitzen auf alten Holzbänken aus der Berliner S-Bahn. Vintage-Chic.

Nach dem Mauerfall waren die Berliner viele Jahre mit ihrer Stadt beschäftigt und schafften es kaum hinter den S-Bahn-Ring. Bis das Brandenburger Umland richtig entdeckt wurde und die Uckermark den Spitznamen «Hamptons von Berlin» bekam, dauerte es. Warschau war für viele gedanklich noch weit weg, nicht so cool wie Prag, das früh gehypt wurde.

Das hat sich geändert. Das Interesse am 90 Minuten entfernten Nachbarland, seit 2004 EU-Mitglied, ist gewachsen. Der Tourismus Richtung Polen geht seit zehn Jahren hoch. In Berlin gibt es immer Neues in der polnischen Szene: Modeläden, Cafés, Streetfood und mit den «Polish Thursday Dinners» einen Supperclub, der mit Kochabenden an wechselnden Orten gastiert.

Früher prägten Handwerker und Putzfrauen das Polen-Klischee in Berlin. Heute ist das Bild bunter. Es reicht vom Startup-Unternehmer bis zur Fitness-Trainerin, die mit osteuropäischem Akzent Kommandos gibt: «Kopf hoch-ch, Bruuust raus!».

Man kann darüber nachdenken, warum es so lange gedauert hat, dass Polen präsenter geworden ist. Schließlich haben viele Deutsche Wurzeln in Polen. Angela Merkel hatte einen polnischen Großvater namens Kazmierczak.

Lange gab es nur wenige Pioniere in Sachen Deutschland und Polen, die nach dem Zweiten Weltkrieg ein belastetes Verhältnis hatten. Der Bestsellerautor und Kabarettist Steffen Möller («Viva Polonia») schlug als Fernseh-Promi in Warschau eine Brücke. «Unser Mann in Polen», schrieb eine Zeitung über den Träger des Bundesverdienstkreuzes. Die Viadrina-Uni in Frankfurt (Oder) holt seit 1991 Studenten an die deutsch-polnische Grenze. In der Berliner Szene gründete sich vor 15 Jahren der selbstironisch benannte «Club der polnischen Versager».

Mit Breslau (Wroclaw) als europäischer Kulturhauptstadt 2016 kam ein Schub für Polen. «Polen entdecken», empfahl das Stadtmagazin «Tip» im vergangenen Sommer. Das englischsprachige Magazin «Ex-Berliner» brachte eine Titelgeschichte über Polen in Berlin. Modeläden wie «Rauch & Groen» zeigen Designer aus dem Nachbarland. «Man kann hier viel mit Mode machen», sagt Renata Rauch (47), die in Friedrichshain viele Touristen als Kunden hat. Piotr Ksiazek (32) vom Laden «Quadrat» in Berlin-Mitte sagt: «Es gibt eine gute Energie hier.»

In Berlin sind die Polen nach den Türken die zweitgrößte Ausländergruppe. Ihre Zahl wächst: 2011 hatten 42 200 ihren Wohnsitz an der Spree gemeldet, im vergangenen Jahr 55 600.

«Ich glaube, es kommen gerade sehr viele Polen nach Berlin», sagt Karol Kasierski (35), dessen Familie aus Lodz stammt. Er hat seinen Bürojob aufgegeben und im Bezirk Mitte das «Tak Tak Polish Deli» eröffnet. Dort verkauft er polnische Spezialitäten wie Pierogi (Teigtaschen), Bigos (Eintopf) und Zurek (saure Mehlsuppe) als Streetfood.

An der Wand hängt ein großes Foto von der polnischen Ostsee. Aus der Box klingt elektronische Clubmusik, der Besitzer trägt ein Rapper-Hütchen. Kasierski weiß, wie man einen Hype schafft: Zur Eröffnung von «Tak Tak» hat er 1300 Gäste gezählt. Bald ist ein Ableger in Kreuzberg geplant. Er habe schon immer gerne gekocht und noch lieber gegessen, sagt Kasierski. Die Salzgurken kauft er in Polen. Auch die Pierogi sollen künftig aus seiner Heimat kommen: «Die werden jetzt tatsächlich von Muttis und Omis in Polen hergestellt.»

Welche Rolle spielt das politische Klima? In Berlin gibt es eine rot-rot-grüne Koalition, im katholisch geprägten Nachbarland eine rechtskonservative Regierung. «In Polen herrscht schon eine ziemliche Perspektivlosigkeit, und außerdem ist Berlin gerade sehr angesagt», sagt Kasierski.

Der Café-Betreiber Stanislaw Halamoda (31) weist es zurück, wenn man den Eindruck hat, Polen sei ein Polizeistaat. Der Alltag sei gleich geblieben. Er und seine Frau wirken kosmopolitisch, heimatverbunden und reflektiert. Sie haben viel zum deutsch-polnischen Verhältnis zu erzählen. Zum Beispiel: Die ältere Generation, die «Polonia-Generation», sei aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland gekommen, sagt Kinga Halamoda. Bei den Jüngeren gehe es um den Lebensstil. «Berlin ist ein bisschen wie das New York Europas.» dpa