Von Wenke Böhm
Eine charmante Mischung aus Nostalgie und moderner Eleganz umgibt die Gäste im Asperger Hotel Adler. Das traditionelle Sterne-Haus lockte sogar Kanzlerin Angela Merkel und ihren französischen Staatsgast François Hollande an. Hier einzusteigen, müsste der Traum jeden Gastronoms sein. Doch nicht für Michael Ottenbacher (47). Er legte das Familienunternehmen in die Hände seines Bruders Christian, um einer von wenigen deutschen Gastronomieprofessoren zu werden. An der Fachhochschule Heilbronn nimmt der Experte für «Hospitality Management und Marketing» Konzepte und Kampagnen unter die Lupe.
Eine davon war die Kampagne «Genießerland Baden-Württemberg». Sie sollte der gehobenen Gastronomie im Land neue Kundschaft bringen. Insider hat Ottenbachers Team zur Kampagne befragt, darunter Tourismustreibende, Offizielle und Wissenschaftler. Fazit: Die Kampagne zielte zu sehr auf die feine Küche ab. «Touristen essen gern, aber nicht unbedingt in Sterne-Restaurants», sagt Ottenbacher. Zudem sei bemängelt worden, dass die Vernetzung von Tourismus und Gastronomie zu schlecht und die politische Kompetenz zu wenig gebündelt war. Eine klare Zielsetzung fehlte. Effektiv könne es etwa sein, regionale Produkte besser zu profilieren und zu vermarkten.
Ein Patentrezept für das erfolgreiche Restaurant hat der ausgebildete Koch nicht. Da lasse sich mit einer Stanze wenig machen, weil es viel zu viele Faktoren gebe. Aber als Betriebswirt unter den Gastro-Profs rät er zu einem ordentlichen Business-Plan mit Machbarkeitsstudie. Nur wer Mitbewerber und Zielpublikum kenne, könne das passgenau Restaurantkonzept finden. Heute seien oft auch Supermärkte oder Bäcker eine nicht zu unterschätzende Konkurrenz. Sterne-Restaurants hätten es seiner Erfahrung nach eher schwer. «Je hochwertiger ein Konzept, umso unwirtschaftlicher ist es meist.»
Eine Tageszeitung ernannte Ottenbacher vor kurzem zum einzigen deutschen Gastronomieprofessor. «Das bin ich sicher nicht, aber wir sind auch nicht sehr viele in Deutschland.» Der Wissenschaftler legt besonderes Augenmerk auf Vergleiche etwa mit den USA. Wo steht die deutsche Gastronomie? Was können wir vom Ausland lernen, was exportieren? Und welche Trends gibt es hier im Land?
«Der Kunde will essen, wenn er Hunger hat, und immer seltener zu festgelegten Zeiten», macht der 47-Jährige deutlich. Der Trend gehe zu leichten Küche: Pasta und Salat statt Bratwurst und Fritten. Vor allem Frauen verzichteten auf Fleisch. Im Schnellservice-Segment gebe es in Deutschland noch recht wenig Auswahl, ganz anders als etwa in den USA. Doch gebe es vereinzelt auch deutsche Konzepte, die in Amerika Fuß gefasst hätten - etwa die Kette «Vapiano». Das Zeug zu Exportschlagern hätten auch die Brauereien mit Restaurants sowie bayerische oder baden-württembergische Landgasthöfe.
Seine Erfahrung zeige: Auch die Gestaltung des Restaurants spielt bei der Beliebtheit eine wichtige Rolle. Dazu gebe es allerdings erst wenige konkrete Studien. Auf jeden Fall habe Musik Einfluss auf den Umsatz. Jüngeres Publikum und Frauen würden mehr Wert auf die passenden Klänge legen. Die perfekte Musik werde oft vom Besucher nicht wahrgenommen.
Soviel Theorie ohne Praxis? Keineswegs. Anfangs hat Ottenbacher schon im Asperger Traditionshotel mitgearbeitet, das seit rund 110 Jahren und vier Generationen im Besitz seiner Familie ist. Doch dann entschied er sich fürs Studium. «Mein Wunsch war, zu unterrichten.» Ganz hat er dem Adler nicht abgeschworen: Manchmal hilft er aus.
In der Freizeit geht er joggen oder radeln, «als Ausgleich für die viele PC-Arbeit». Außerdem kocht er gern. Schwäbische Gerichte wie Maultaschen schätze er. Aber weil seine Frau Malaysierin ist, hat er eine besondere Vorliebe für diese Küche. «Ich liebe Ingwer.» dpa