Raclette zu Silvester

Von Eva Neumann

Glaubt man der Legende, dann hat sich bereits Wilhelm Tell im Jahr 1291 «Bratkäs» munden lassen. Und Heidi in Johanna Spyris gleichnamigem Kinderbuch aus dem Jahr 1880 lief das Wasser im Munde zusammen, wenn der Alm-Öhi «Käsebraten am Spiess» zubereitete. Im Laufe der Jahrhunderte haben erst Hirten, dann Hausfrauen und Gastronomen den geschmolzenen Käse zum Schweizer Nationalgericht weiterentwickelt und unter dem Namen Raclette weltbekannt gemacht.

Die Grundidee ist geblieben, der Genuss auch. Hierzulande ist Raclette besonders an langen Herbst- oder Winterabenden beliebt. Für Gastgeber ist es ein praktisches Essen: Sie müssen kaum etwas vorbereiten, die meisten Zutaten werden servierfertig gekauft und außerdem braucht man wenig Geschirr.

Die wichtigste und einzige wirklich unverzichtbare Zutat beim Raclette ist der Käse. Unter dem Namen Raclette-Käse sind Sorten aus der Schweiz, aus Frankreich und aus dem Allgäu im Handel. Sie unterscheiden sich in der Herstellung und damit im Geschmack. «Schweizer Raclette-Käse wird aus Rohmilch hergestellt. Er ist daher besonders würzig», erklärt Sabine Clormann, Inhaberin von Kücherer's Käse-Ecke in Heidelberg.

Zur Wahl stehen der Raclette Suisse und der Walliser Raclette AOC. «Besonders wichtig ist, dass Schweizer Raclette-Käse 100 Prozent natürlich ist», ergänzt Andreas Müller von der Switzerland Cheese Marketing GmbH. Dann lasse sich die knusprige Rinde des Käses ganz ohne Bedenken mit genießen.

Aber es dürfen alternativ oder ergänzend auch andere Käsesorten zum Einsatz kommen - vorausgesetzt, sie sind so weich und cremig, dass sie gut schmelzen. «Dafür sollten sie einen Fettgehalt von mindestens 45 Prozent haben», empfiehlt die Kochbuchautorin Tanja Dusy. Bei Sabine Clormanns Kunden ist seit einiger Zeit Blauschimmelkäse als andere geschmackliche Richtung sehr beliebt.

Wer nicht zu fertig portionierten Scheiben aus dem Kühlregal greifen möchte, sondern seinen Käse am Stück auswählt, sollte ihn sich in vier bis fünf Millimeter dicke Scheiben schneiden lassen. «Pro Person sollte man für ein ganz klassisches Raclette mit 200 Gramm Käse rechnen», sagt Dusy. «Den Käse nimmt man am besten rund 30 Minuten vor dem Raclette-Abend aus dem Kühlschrank, damit er sein Aroma voll entfalten kann», empfiehlt Müller.

Statt am offenen Feuer wird der Käse in der Wohnstube in beschichtete Pfännchen gelegt und in einem elektrisch betriebenen Raclette-Gerät geschmolzen. «Die Geräte unterscheiden sich in der Zahl, der Größe und der Form der Pfännchen», beschreibt Werner Scholz, Geschäftsführer des Fachverbandes Elektro-Haushalt-Kleingeräte in Frankfurt am Main.

Wer häufiger Gäste hat oder die Vielfalt liebt, ist mit einem Kombi-Gerät mit heißem Stein oder einer beschichteten Grillplatte gut bedient. Selten sind hierzulande noch Geräte, bei denen ein aufgespießtes Käsestück unter einer Heizspirale geröstet und dann abgeschabt wird.

Der klassische Käsepartner sind Pellkartoffeln. Sie werden traditionell von jedem Esser selbst am Tisch geschält. Auch Sauerkonserven wie Gewürz-Gurken, Silberzwiebeln, Maiskölbchen oder Mixed Pickles, sowie Salz und grober Pfeffer aus der Mühle haben ihren festen Platz auf der Raclette-Tafel.

Darüber hinaus ist erlaubt, was gefällt: Verschiedene Brotsorten sind eine beliebte Alternative zu den Kartoffeln. Würfel von rohem Schinken oder Salami sorgen für eine deftige Note. Mit Champignons, Tomaten, Paprika oder blanchiertem Broccoli wird die Mahlzeit insgesamt leichter, mit Ananas, Pfirsich oder Aprikosen aus der Dose eher exotisch.

«Einen besonderen Pfiff können Feinschmecker ihrem Raclette mit würzigen Streuseln verleihen, zum Beispiel einer Mischung aus gehackten Haselnüssen, Dörrbirnen, Petersilie, abgeriebener Zitronenschale und Salz und Pfeffer», schlägt Müller vor. Auch Chutneys oder Relishes sind ein köstliche Abrundung. Egal, welche Zutaten verwendet werden - der Käse kommt immer zuoberst. Er ist fertig, wenn er leicht braun wird und sich die ersten Blasen bilden.

Das typische Getränk zum Ur-Raclette ist ein Fendant aus dem Wallis. «Unter den deutschen Weißweinen bietet sich entweder ein fruchtiger Riesling mit nicht allzu hohem Alkoholgehalt oder ein etwas milderer Weißburgunder an», erläutert Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. «Rotwein-Liebhaber sollten auf einen gerbstoffärmeren Spätburgunder oder einen Trollinger aus Württemberg setzen.» Und zum Abschluss des meist recht üppigen Mahles passt ein Kirschwasser.

Es geht natürlich auch ohne Alkohol: «Unter Raclette-Liebhabern wird auch schwarzer Tee oder Kräutertee empfohlen, weil er die Verdauung anregt», sagt Müller. Je nach Jahreszeit kann er kalt oder warm als Durstlöscher getrunken werden. dpa

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