Reise durchs Nachtleben in Istanbul

Von Canan Sevil

Wer in Istanbul ausgeht, um Party zu machen, der plant nicht, sondern lässt sich in die Stadt fallen und von ihr treiben. «Der einzige Plan ist: lass uns losziehen und Spaß haben», erzählt Varol Döken und schreitet durch die Menschenmenge in Taksim. Der gebürtige Istanbuler hat lange mitten im Herzen der Party-Meile Taksim im Stadtteil Beyoglu gelebt.

Wie kein Zweiter kennt sich der 32 Jahre alte Werbetexter in diesem lebendigen Viertel aus. «Was Du auch an Party und Musik suchst, Du wirst es hier finden. Taksim ruft Dich nach dem Motto: Egal, was Du bist, egal, was Du brauchst, komm!», erzählt er.

Recht hat er. Allein auf der berühmten rund drei Kilometer langen Einkaufsstraße Istiklal Caddesi in Taksim reihen sich Cafés, Bars, Clubs, Restaurants, Tavernen und Kneipen dicht an dicht. «Es gibt hier Hunderte, vielleicht Tausende Bars und Clubs», erzählt Döken. Jeden Tag kommen neue hinzu. In der Parallelstraße Tarlabasi sind zudem verschiedene Gay-Clubs zu finden. Unaufdringlich flimmern die Lichter der Bars und Clubs über den Türen und scheinen sie zum Feiern einzuladen.

Die Istiklal, wie sie von den Einheimischen genannt wird, reicht vom Tünel-Platz bis zum Taksim-Platz und ist seit den 1990ern eine Fußgängerzone. Bis in die späten Abendstunden wird auf ihr geshoppt, gegessen und getrunken. Hunderte Menschen drängen täglich auf die Einkaufsmeile.

In der Nacht scheinen es Tausende zu sein, überall ist Musik zu hören. Aus den Restaurants drängen würzige Düfte und mischen sich mit der Istanbuler Meeresbrise, die vom Bosporus herüberweht. Sobald die Sonne untergeht, schallen aus den Häusern die unterschiedlichsten Klänge und vermischen sich in der Istanbuler Nacht: von Jazz über Punk, Dancefloor, türkischem Rock bis zu klassischen Melodien.

Menschen verschiedenen Alters stehen an den Fenstern der Clubs. Sie singen, tanzen, trinken und haben Spaß. Die ganze Welt scheint sich hier zum Feiern getroffen zu haben.

«Die Stadt schläft, aber Taksim schläft nie», sagt Döken und schaut dabei in die immer dichter werdende Menschenmenge auf der Istiklal. Gefeiert wird nicht nur am Wochenende. «Bereits ab Donnerstag gegen 22.00 Uhr geht es los», sagt er. Bis 06.00 Uhr in der Frühe wird gefeiert. Dabei lässt man sich vom Sog der Stadt treiben und geht von einer Location zur nächsten. «Tausende sind unterwegs, und die müssen auch befördert werden. In Istanbul gibt es rund 17 000 Taxen, und 14 000 von ihnen sind nur um Taksim herum unterwegs», erzählt Döken.

«Der Abend beginnt damit, dass man erst etwas isst», erklärt der Szenekenner. Dabei betröpfelt er die frische Dorade auf seinem Teller mit Zitronensaft. Zum Essen gehen die meisten in die türkischen Tavernen, die Meyhane, im Nevizade, einer der lebendigsten Gassen in Beyoglu. Die Nevizade geht von der Istiklal ab. Hier wird neben Bier und Wein meist der 40-prozentige türkische Anisschnaps Raki getrunken. Dazu gibt es verschiedene Tapas und frischen Fisch. Während die Kellner hektisch servieren, singen die Partygänger zu den türkischen Liedern der Musiker mit. Mal fröhlich, mal melancholisch.

Das Lieblingsgetränk der Türken ist neben dem Raki das Bier. Für durchschnittlich vier Euro ist es überall zu bekommen. «Alkohol ist teuer. Die Regierung hat die Preise um 65 Prozent erhöht», klagt Döken und nimmt dabei einen kräftigen Schluck von seinem Weißwein. Die hohen Preise hindern weder ihn noch die anderen, bis Tagesanbruch zu feiern und zu trinken.

In den Meyhane gehe es darum, das Getränk und das Essen langsam zu verzehren und zu genießen, so Döken. Währenddessen wird erzählt, gelacht, gesungen. Und wenn die Rhythmen der Musik einen einfangen, wird auch mal mitten in der Kneipe getanzt.

Gleich neben den Meyhane sind in den engen verwinkelten Gassen von Nevizade mehrere kleine Kneipen. Vor ihnen sitzen auf kleinen Hockern an kleinen runden Tischen Menschen dicht an dicht und trinken. An ihnen fließt ein bunter Strom von Partygängern vorbei.

Mit ihren engen und verwinkelten Gassen vereint Taksim einzelne Party-Hotspots, die von der Istiklal abgehen. Dazu gehört neben Nevizade, die Asmali Mescit und Kücük Beyoglu. Hier treffen sich Studenten, Intellektuelle und Künstler.

Durch dunkle Treppenhäuser steigen sie in die oberen Etagen von zum Teil heruntergekommenen Gebäuden. Hinter den Türen verbergen sich die buntesten und angesagtesten Clubs. Ausgestattet mit Terrassen, bieten sie einen herrlichen Blick auf den Bosporus und die Lichter der Stadt. Hier sind die Klänge der einzelnen Musikrichtungen zu hören, die sich zu einem ganz eigenen Beat, zum Rhythmus der Stadt verbinden. Eine Art Herzpochen, das einen umhüllt und mitreißt.

Einige der aktuell angesagten Clubs sind unter anderem das «45lik», in dem türkischer Pop aus den 60er und 70ern gehört wird, das «Mojo», das «Line», «Hayal Kahvesi», wo sich auch die türkischen Fernsehstars blicken lassen sowie das «Babylon». Hier treten nationale und internationale Künstler auf. Von Hip Hop, türkischem Pop bis amerikanischem Jazz findet hier jeder seine Musik.

Langsam geht die Sonne über den Dächern Istanbuls auf. Die lauten Klänge der Nacht weichen einzelnen Stimmfetzen der letzten Partygänger auf der Istiklal. Bevor die Feiernden nach Hause gehen, wird noch ein Happen gegessen. Beliebt ist der berühmte Taksim-Burger, eine kleine türkische Frikadelle (Köfte). Schön in viel Tomatensoße eingetaucht, stark gewürzt und mit viel Knoblauch. «Nach viel Alkohol schmeckt der Knoblauch im Burger besonders gut», erklärt Döken.

Die besten gibt es im Imbiss Kizilkayalar, am Anfang der Istiklal. Auch gerne gegessen werden mit würzigem Reis gefüllte Muscheln der Bauchbudenverkäufer. «Das gehört am Ende einer durchfeierten Nacht dazu», erzählt Döken, während der Verkäufer für ihn eine Muschel nach der anderen öffnet und mit frischem Zitronensaft beträufelt.

Nicht nur in Taksim tobt der Bär: Auch auf der asiatischen Seite der Stadt, auf der Party-Meile Barlarsokagi, im Stadtteil Kadiköy, lässt es sich feiern. Auch hier steht ein Club neben dem anderen. «Im Gegensatz zu Taksim geht es dort ruhiger zu», sagt Döken. Das sieht auch Tugba so: Die junge Frau arbeitet in Kadiköy im Pub «Teachers» hinter dem Tresen. «Beim Publikum hier handelt es sich eher um Kiezgänger, die in ihrem Viertel feiern wollen», sagt sie.

Döken selbst ist vor einigen Monaten von seinem Kiez, mitten im pulsierenden Taksim, auf die asiatische Seite der Stadt gezogen, in den Bezirk Üsküdar. Doch er vermisst Taksim. «Taksim ist einfach bunter, lebendiger und bietet Vielfalt. Ein Ort, an dem eine unglaubliche Freiheit herrscht. Alle feiern dort: der Türke, Deutsche, Franzose, alle.» Während Döken in eines der gelben Taxen steigt, um über den Bosporus nach Hause zu fahren, sagt er: «Wer in Taksim nicht gefeiert hat, der hat noch nie gefeiert.» dpa

Reise nach Istanbul

Anreise: Fast alle bekannten größeren Fluggesellschaften, wie Lufthansa, Air Berlin, Turkish Airlines oder Germanwings, steuern Istanbul an. Es gibt zwei Flughäfen in Istanbul: auf der europäischen Seite Atatürk Havalimani und auf der asiatischen Seite Sabiha Gökcen. Der Flug dauert rund drei Stunden. Eine Reise mit der Bahn oder dem Bus ist von jeder größeren deutschen Stadt aus möglich und dauert rund 48 Stunden.

Reisezeit: Istanbul ist eine Stadt, in die man zu jeder Jahreszeit reisen kann. Trotzdem ist ein Trip im Frühling (April/Mai) sowie im Herbst (September/Oktober) eher zu empfehlen. Die Temperaturen zu dieser Jahreszeit liegen bei angenehmen 20 Grad. Während im Frühling die Stadt blüht und grünt, kann man im Herbst noch etwas von der letzten Sommerbrise mitbekommen.

Unterkunft: In Istanbul gibt es zahlreiche Hotels, Pensionen und Hostels. Ein Dreisterne-Hotel, inklusive Frühstück und Internetzugang kostet pro Nacht durchschnittlich 40 Euro. Im zentralen Viertel Sultan Ahmet gibt es viele Hostels, die Zimmer bereits ab 20 Euro inklusive Frühstück anbieten. Apartments mit mehreren Schlafzimmern, Küche und Wohnzimmer sind ab 90 Euro die Nacht zu buchen.

Sprache: Türkisch ist Amtssprache. Dennoch sprechen viele Einheimische Englisch und der eine oder andere auch Deutsch. Es sollte nicht verwundern, dass in einer Stadt wie Istanbul im berühmten Großen Basar im Viertel Sultan Ahmet fast alle Sprachen der Welt gesprochen werden.

Türkisches Fremdenverkehrsamt, Rungestraße 9, 10179 Berlin, Tel: 030/214 38 52).