Von Detlef Berg
Belgrad ist mit 1,7 Millionen Einwohnern die nach Istanbul und Athen drittgrößte Metropole Südosteuropas und liegt nur knapp zwei Flugstunden von Deutschland entfernt. Dennoch ist die einst so weltoffene Hauptstadt von Titos Jugoslawien für viele noch immer eine große Unbekannte. Das hat vor allem mit der jüngsten Geschichte zu tun, mit dem Zerfall Jugoslawiens und den damit verbundenen kriegerischen Auseinandersetzungen in den 1990er Jahren. Mittlerweile hat sich Belgrad gerade bei jungen Leuten den Ruf einer Partystadt erworben - doch die Stadt bietet noch viel mehr.
Zum Beispiel jede Menge Geschichte. Ausgangspunkt für eine Stadtführung ist die mächtige Festung Kalemegdan. Sie ist die Keimzelle Belgrads und liegt erhaben auf einem Hügel hoch über den Flussufern von Donau und Save. Der Blick reicht weit - rechts die breite Donau mit grünen, weitgehend unberührten Ufern und links die Save, die hier in die Donau mündet. An ihrem gegenüberliegenden Ufer erstrecken sich die Plattensiedlungen von Neo Beograd.
Schon Römer und Kelten lieferten sich auf dem Hügel Auseinandersetzungen. Rund 80 Mal wurde Belgrad erobert und zurückerobert. Zahlreiche Denkmäler erinnern an die wechselvolle Geschichte.
Wer im wahrsten Sinne des Wortes noch tiefer in die Geschichte eintauchen will, kann eine Untergrund-Tour buchen. Die Teilnehmer steigen dabei in das weit verzweigte Katakombensystem hinab, das sich unter der Stadt befindet. Zu den Stationen gehören Wasserleitungen der Römer, ein Gefechtsbunker sowie ein habsburgisches Pulvermagazin, in dem heute römische Skulpturen ausgestellt sind.
Aus dem Untergrund wieder aufgetaucht, lohnt sich ein Bummel durch die Fußgängerzone Knez Mihailova. In der von schönen Jugendstil- und Gründerzeithäusern gesäumten Straße locken nicht nur elegante Geschäfte, Boutiquen und Galerien. Zahlreiche Restaurants und Cafés laden zum Verweilen ein. Hier ist Belgrad ganz und gar nicht grau - chic gekleidete junge Leute nippen an ihrem Milchkaffee, genießen einen Aperol oder sprechen in ihr Smartphone.
Aber auch hier ist die Geschichte allgegenwärtig. Wo die Fußgängerzone beginnt, liegt der Hauptplatz von Belgrad, der Trg Republike. Das Nationalmuseum und Nationaltheater gehören zum Ensemble des schönen Platzes. In dessen Mitte thront das Reiterstandbild von Fürst Mihailo. Dort verabreden sich die Belgrader. «Wir treffen uns beim Pferd», sagen sie respektlos.
Kein Weg führt an der monumentalen Sava-Kirche vorbei. 1935 wurde mit dem Bau des bis heute unvollendeten Gotteshauses begonnen, das als größte orthodoxe Kirche der Welt geplant war und das erst in den vergangenen Jahren zumindest äußerlich fertiggestellt wurde. Es hat die Ausmaße der Hagia Sophia und bietet 15 000 Gläubigen Platz.
Jüngere Geschichte erleben Besucher im Mausoleum Titos. Das Grab jenes Mannes, der von 1945 bis zu seinem Tod im Jahr 1980 das zerbrechliche Staatsgebilde aus sechs Republiken, fünf Nationen, vier Sprachen, drei Religionen, zwei Alphabeten und einer Einheitspartei mit autoritärer Hand zusammenhielt, ist Pilgerstätte für viele Jugoslawien-Nostalgiker.
Nicht fehlen darf ein Besuch in Skardarlija, dem alten Bohème-Viertel Belgrads, das ein wenig an Montmartre erinnert. Die Ausgehmeile ist nicht nur bei Touristen beliebt, auch die Einheimischen lassen sich gern in einem der zahlreichen Restaurants nieder. Aufgetischt wird vor allem deftige regionale Kost mit viel Fleisch. Dazu gibt es Schnaps, vor allem Rakija. «Ziveli!» - «Prost!».
Italienische Spezialitäten kommen bei Zlatko auf den Tisch. Weil ihm das korrupte System nur wenig berufliche Chancen eröffnet, hat der 32-jährige Zahnarzt in seiner Privatwohnung das Restaurant «Mund zu Mund» eingerichtet und kocht zusammen mit Freunden. Jeder kann anklopfen und kommen. Unter den Gästen ist auch Ralph van der Zijden.
Der umtriebige Holländer hat schon viel erlebt auf dem Balkan. Jetzt ist er in Belgrad hängengeblieben und begeistert von der Aufbruchstimmung in der Stadt. Auf Fahrradtouren zeigt er Besuchern ungewöhnliche Facetten Belgrads, etwa das Hotel «Jugoslavija», den ehemaligen Regierungssitz oder die Spuren der Nato-Bombardierungen. Auch das außerhalb und direkt an der Donau gelegene Viertel Zemun mit seinen urigen Fischlokalen steuert er an.
Night Life Academy, so heißt die zweite Geschäftsidee van der Zijdens. Dabei führen «Party-Professoren» durch das aufregende Nachtleben. «Red Bar», «Familia Bar» und «Tube Club» zählen zu den Anlaufstationen. Für flippige Disco-Kings und Party-Queens ist das «BIGZ» ein Muss. Gleich auf mehreren Etagen des ehemaligen Fabrikgebäudes gibt es Live-Musik, Bars und Diskotheken. Gefeiert wird bis in die frühen Morgenstunden.
Andere zieht es hinunter zu den Flüssen, denn auf Save und Donau gibt es jede Menge schwimmende Diskotheken. Eine davon ist die «Brodic», ein altersschwacher Kahn. Hier kommen Besucher bei einem Bier schnell mit Einheimischen ins Gespräch. Sie wünschen sich mehr Besucher für ihre Stadt, und die ist wirklich einen Besuch wert. dpa
Reise nach Belgrad
Anreise: Die Flugzeit von Deutschland nach Belgrad beträgt knapp zwei Stunden.
Unterkunft: In Belgrad gibt es ein großes Angebot an Hotels in allen Preisklassen.
Sprache: Englisch ist weit verbreitet, die Verständigung ist teilweise auch auf Deutsch möglich.
Währung: Ein Euro entspricht 111 Serbischen Dinar (RSD) (Stand: 2/2013). Alle gängigen Kreditkarten werden akzeptiert.
Informationen: National Tourism Organisation of Serbia, Cika-Ljubina 8, 11000 Beograd, Serbien, Tel: 00381/11/655 71 00, serbien.travel