Von Isabell Scheuplein
Kalbsbries und Wachteleier wird der Gast im «Seven Swans» vergeblich auf seinem Teller suchen. Denn das Restaurant mit Blick auf das Frankfurter Mainufer serviert ausschließlich Gemüse - aber nicht irgendwelches. Am Herd steht der einzige vegane Sternekoch Deutschlands, Ricky Saward. Von Tofu-Würsten oder anderen Ersatzprodukten ist die Küche des 33-Jährigen denkbar weit entfernt.
Vegan ist nicht die einzige Maxime, die das «Seven Swans» für sich aufgestellt hat. Saward verwendet zudem nur regionale Produkte, einzige Ausnahme ist Salz aus Berchtesgaden, wie er sagt. Vegan und damit gänzlich frei von tierischen Produkten ist das Restaurant seit 2019, zuvor war es vegetarisch. Er habe Neuland betreten, Gemüse sei auch für ihn bis dahin eher Beilage gewesen, sagt der mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Küchenchef.
Nun kreiert er Gerichte, in denen nicht nur kein Fleisch und kein Fisch, sondern auch keine Avocados, kein Kakao, keine Zitronen vorkommen - und, bis auf Salz, keine Gewürze. Ein Gang besteht aus maximal zwei bis drei Komponenten, aus denen Saward das Maximum herausholen will. Ziel sei «eine pure, kreative und komplexe Gemüseküche».
Dazu wird getrocknet, gegrillt, geräuchert, fermentiert und pulverisiert. Er lege beispielsweise eine Karotte vor sich hin und betrachte die Wurzeln, die Schale, das Grün, den Saft und die Konsistenz, berichtet Saward von seiner Ideenfindung.
Die Zutaten kommen aus Permakultur. Zudem sammelt Saward Wasserpfeffer, zapft Birkenwasser, pflückt Vogelkirschen, Kräuter und Blüten. Das Ziel: Seinen Gästen zu zeigen, dass Geschmacksreichtum quasi vor ihrer Haustür wartet.
Das «Seven Swans» ist bis Juli kommenden Jahres ausgebucht. 169 Euro kostet ein Menü mit 15 Gerichten, 59 die Weinbegleitung. Maximal 16 Gäste finden in dem Restaurant Platz. Die Einrichtung ist minimalistisch. Tischdecken gibt es nicht, das Geschirr ist selbst gestaltet.
Die Gäste sind in der Hauptsache jung, zwischen 25 und 35 Jahren, wie Saward sagt. Mittlerweile passiere es sehr selten, dass jemand vom veganen Konzept überrascht sei. Einmal habe er einen Mann beobachtet, der zwischendurch heimlich Knackwürstchen aus der Tasche zog und hineinbiss.
Saward ernährt sich inzwischen auch selbst vegan. Es gebe seltene Ausnahmen, etwa wenn er bei einem Kollegen esse. Daheim gebe es Pasta oder auch einfach nur mal einen Salat. «Zurück zu Fisch und Fleisch, das werde ich wahrscheinlich mein Leben lang nicht mehr können, ich habe mich da für eine klare Richtung entschieden und der bleibe ich treu», sagt der 33-Jährige.
Jeder könne selbst entscheiden, was er esse. Er verbinde mit veganer Ernährung Tierwohl und Nachhaltigkeit. Wenn allgemein weniger Fleisch verzehrt werde, wäre dies schon ein großer Schritt. «Man muss sich damit halt auseinandersetzen und der Realität in die Augen blicken», sagt Saward auch mit Blick auf die Klimakrise.
Einen Drang zur Mission habe er aber nicht, sagt Saward. Wenn ein Gast aufstehe und sage, er habe das Menü als Bereicherung empfohlen, sei er zufrieden. «Ich versuche, etwas zu bewirken und etwas zu verändern», sagt der Küchenchef. Er wolle auch Inspiration sein für junge Köche. dpa
Verband sieht Trend zu mehr «Veggie» in Restaurants ungebrochen
Vegane Burger, Curry mit Tofu: Immer mehr Restaurants bieten auch Speisen an, die ganz ohne tierische Inhaltsstoffe zubereitet werden. «Wer heute keine veganen Gerichte auf der Speisekarte stehen hat, verpasst den Anschluss und verliert wichtige Kundschaft», erklärte der Verband Proveg anlässlich des Weltvegantags kommenden Dienstag (1. November). Häufig ernähre sich in Gruppen mindestens eine Person vegan oder vegetarisch – so dass die Wahl auf ein Restaurant mit Veggie-Optionen falle.
Zudem sei die Zahl rein veganer Restaurants in den vergangenen Jahren gestiegen, erklärte der Verband (früher Vegetarierbund). Auch in Hessen gibt es Möglichkeiten für Gäste, die eine komplett pflanzliche Auswahl an Speisen wünschen - vom mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten «Seven Swans» am Frankfurter Mainufer über das mitten auf der Einkaufsmeile gelegene «Zeilkitchen» bis zum «Zwei und Zwanzig» im Rheingau, das Wert auf regionale und saisonale Produkte legt. Unter anderen sind auch das «Steinhaus1718» in Büdingen (Wetteraukreis) und die «Paletti Genussbar» in Neu-Isenburg (Landkreis Offenbach) rein vegan.
Die Unternehmen reagierten auf eine steigende Nachfrage, wie der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) erklärte: «Auf den Speisekarten, Tages- oder Wochenkarten der Republik gibt es mittlerweile vielseitige vegetarische wie vegane Alternativen, gleiches gilt für Events und Veranstaltungen.» Seit August sei auch die Ausbildung zur Köchin und zum Koch verändert worden. Die «für die Zubereitung pflanzlicher Speisen und Gerichte erforderlichen Kompetenzen» würden nun ausführlicher gelehrt. Zudem gebe es eine «Vertiefung vegetarische und vegane Küche».
Proveg begrüßte die Veränderung, kritisierte aber, dass die Themen in der Ausbildung nur theoretisch behandelt würden und die Betriebe für den praktischen Teil noch nicht vorbereitet seien. Abhilfe wolle der Verband der Köche Deutschlands mit dem Angebot zusätzlicher Workshops schaffen. Proveg habe gemeinsam mit der Deutschen Hotelakademie auch eine Weiterbildung zum vegan geschulten Koch entwickelt. dpa