slow food Fleisch ist nicht gleich Fleisch!

Unser weltweit wachsender Appetit auf Fleisch verursacht nicht nur Umweltschäden durch Massentierhaltung und Monokulturen von Futterpflanzen - er ist auch nicht gesund. So auch das Urteil einer kürzlich veröffentlichen Untersuchen der Weltgesundheitsorganisation: Das Risiko an Gesundheitsschäden wachse mit der Menge und Regelmäßigkeit des Verzehrs an Wurstwaren und rotem Fleisch, schreibt die WHO.

Diese Aussage schlägt derzeit einige Wellen, insbesondere im undifferenzierten Echo mancher Medienberichte, aber eine kritische Beurteilung des WHO-Gutachtens ist wichtig. "Ob Fleisch oder Wurst - jedes Produkt weist in vielerlei Hinsicht erhebliche Unterschiede auf," sagte Dr. Hanns-Ernst Kniepkamp, Leiter der Qualitätskommission von Slow Food Deutschland e. V. "Fleisch ist nicht gleich Fleisch, sondern in hohem Maße abhängig von Zucht, Haltung und Fütterung der Tiere. Dazu kommt die Zubereitungsart. Hat Fleisch, das gesotten wurde, dasselbe Risiko wie gegrilltes Fleisch? Gibt es Unterschiede im Gefährdungspotenzial zwischen Rind, Schwein und Lamm? Ist Schwarzgeräuchertes mit besonders hohem Risiko behaftet?"

Bei den unterschiedlichen Wurstarten ist das nicht anders. Vor allem bei der Herstellung von Würsten kommt der Frage nach Zusatzstoffen eine besondere Bedeutung zu. Für beide gilt: die Herkunft der Tiere und die Art der Zubereitung (Fleisch) oder Weiterverarbeitung (Wurst) sind mitentscheidend für mögliche Wirkungen auf die Gesundheit.

Die Einstufung der WHO wurde anhand der Auswertung von 800 Einzelstudien gemacht, deren Fragestellungen jeweils einem ähnlichen Muster folgten. Daraus ergibt sich zwar ein großer Datenpool, eine differenzierte Aussage aus wissenschaftlicher Sicht lässt dies aber nicht zu.

"So lange diese differenzierten Fragen nach Herkunft, Verarbeitung und Zubereitung nicht beantwortet werden können, entzieht sich die Studie einer fachlichen Bewertung," betonte Dr. Kniepkamp weiter.

Slow Food plädiert bei allen Lebensmitteln für die Wahl guter, sauberer und fairer Lebensmittel, bei denen die Herkunft, Herstellung und Zusatzstoffe nachvollziehbar sind. Gerade beim Fleischverzehr kommt es eben auf die Dosis an: Fleischverzehr in Maßen ist nicht nur ökologisch nachhaltiger sondern auch besser für die Gesundheit.

"Weniger ist mehr, das gilt gerade bei Fleisch und Fleischprodukten," sagte Dr. Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland e. V. "Der Verzehr von Fleischkonsum steht in engstem Zusammenhang mit ökologischer Nachhaltigkeit und menschlicher Gesundheit - das sagt Slow Food schon seit langem. Unsere Ernährung muss abwechslungsreich sein mit wenig, aber gutem Fleisch und Wurstwaren aus artgerechter Haltung."

Mehr Hintergrund:

Deutsche essen immer weniger Fleisch - Kritik an Warnung vor Krebs

Über ein Drittel der Deutschen hat seinen Fleischkonsum in den vergangenen fünf Jahren verringert. 15 Prozent wollen wegen der Warnung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor Fleisch und Wurst weniger davon essen. Das geht aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur hervor. Die WHO hatte Anfang der Woche mit der Aussage für Aufsehen gesorgt, Würstchen, Schinken und anderes verarbeitetes Fleisch erhöhten das Darmkrebsrisiko. Bei rotem Fleisch - dem Muskelfleisch von Säugetieren - ist dies den Forschern zufolge zumindest wahrscheinlich.

Von den Befragten gaben 37 Prozent an, sie hätten ihren Fleischkonsum unabhängig von der WHO-Warnung in den vergangenen fünf Jahren verändert und achteten inzwischen darauf, weniger Fleisch zu essen. Zum Vegetarier sind in dieser Zeit demnach 2 Prozent geworden, zum Veganer 1 Prozent. 50 Prozent essen Fleisch wie eh und je, 1 Prozent hat wieder mit dem Fleischessen angefangen. Auch nach Auskunft des Bundesverbands der Deutschen Fleischwarenindustrie ist der Verzehr von Fleisch gesunken: von 31,3 Kilogramm pro Kopf 2003 auf 29,6 Kilogramm im Jahr 2013.

24 Prozent der Frauen und 16 Prozent der Männer in Deutschland sind aufgrund der jüngsten WHO-Einschätzung beunruhigt (insgesamt: 20 Prozent). Die meisten - 68 Prozent - wollen trotz der WHO-Warnung genau so viel Fleisch wie bisher verzehren. Dass sie schon jetzt kein Fleisch essen, sagten 10 Prozent der Befragten.

Die Warnung der WHO stieß auch auf Kritik, vor allem in der Wirtschaft. So sprach der Spitzenverband der Lebensmittelwirtschaft von «Halbwahrheiten, die für Verwirrung sorgen». «Ein zu viel eines bestimmten Nährstoffs oder Lebensmittels ist nie gut, das wissen wir alle», sagte Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL). Jeder Konsument müsse für sich das richtige Maß finden.

Die WHO reagierte auf die Kritikwelle und betonte erneut: Ihre Behörde, die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), habe keinen völligen Verzicht auf Wurst verlangt. Die Agentur mache vielmehr darauf aufmerksam, dass eine Verminderung des Konsums von rotem Fleisch und Fleischprodukten das Krebsrisiko senken könne.

Statistiker warnten vor einer Überdramatisierung der Krebsgefahr. Auch wenn die WHO zu dem Ergebnis komme, dass durch den Konsum von 50 Gramm Wurst täglich das Darmkrebsrisiko um 18 Prozent steige, sei dieses zusätzliche Risiko deutlich geringer, als es auf den ersten Blick erscheine, teilte das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) mit.

Das absolute Risiko für Darmkrebs liege bei 5 Prozent. Durch den Wurstkonsum erhöhe sich dieses Risiko auf 6 Prozent. «Das hört sich schon etwas weniger dramatisch an», heißt es in der RWI-Mitteilung unter der Überschrift «Unstatistik des Monats: Wursthysterie». dpa

Fleischer-Verband sieht keinen Zusammenhang zwischen Fleisch und Krebs

Nach Überzeugung der deutschen Fleischer ist trotz neuer Erkenntnisse ein Zusammenhang zwischen Fleischverzehr und Krebs nicht erwiesen. Es handle sich um einen rein mathematisch ermittelten Risikofaktor, den ein Forscherteam der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in seiner jüngsten Studie aufgezeigt habe. Alles andere wie die Lebensverhältnisse der Konsumenten werde außer Acht gelassen, sagte Gero Jentzsch, Pressesprecher des Deutschen Fleischer-Verbandes, der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag in Frankfurt. "Es gibt keinen monokausalen Zusammenhang zwischen Verzehr und Krebs."

Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC), eine Behörde der WHO, hatte am Montag davor gewarnt, dass der regelmäßige Verzehr von Wurst, Schinken und anderem verarbeiteten Fleisch des Krebsrisiko erhöhe. Demnach gehen pro Jahr 34 000 Krebstodesfälle auf verarbeitetes Fleisch und möglicherweise 50 000 auf rotes Fleisch zurück.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) lässt sich in der Debatte um Krebsgefahr durch verarbeitetes Fleisch nicht verrückt machen. Er halte es mit dem berühmten Satz: "Alles ist Gift, nur die Dosis entscheidet die Wirkung."

Der Fleischer-Verband vertritt das Fleischerhandwerk, das in Deutschland nach eigenen Angaben rund ein Drittel des Markts repräsentiert. In den Fleischerfachgeschäften werde seit einiger Zeit ein Trend zu hochwertigem und teurem Gourmet-Fleisch beobachtet, sagte Jentzsch. GW/dpa