So erkenne ich gutes Fleisch

Ob in der Aufzucht, bei der Verarbeitung, im Geschäft oder während der Zubereitung - qualitativ hochwertiges Fleisch von minderwertigem zu unterscheiden, ist nicht immer leicht. Experten aus verschiedenen Bereichen erzählen im Neuseelandhirsch-Kompendium der GOURMETWELTEN, welche Faktoren gutes Fleisch ausmachen und wie man als Konsument die richtige Wahl trifft.

Im ersten Teil der Serie gibt Hirschfarmer Paddy Boyd (Foto) aus Neuseeland Einblick in ideale Aufzuchtbedingungen und erklärt, warum der Grundstein für gutes Fleisch bereits früh gelegt wird.

Wie leben Tiere am besten und wie wirken sich die Bedingungen, unter denen sie aufwachsen, auf das Fleisch aus?

Wir arbeiten auf unserer Farm vor allem mit Hirschen. Aber grundsätzlich gilt für alle Tiere: Sie sollten so frei wie möglich leben, aber gleichzeitig eine gute Versorgung und die nötige Pflege erhalten. Unsere Herde mit rund 100 Tieren lebt auf etwa 50 bis 100 Hektar großen Weiden, wo sie viel Freiraum haben und durch die Bäume und das hohe Gras nicht nur ausreichend Futter finden, sondern auch geschützt sind. Außerdem lieben sie den Klee und die anderen Kräuter, die dort wachsen.

Beeinflusst das Futter der Tiere den Geschmack des Fleisches?

Viele Faktoren beeinflussen den Fleischgeschmack, und die Nahrung ist einer davon. Aber es geht weniger darum, welches Futter die Tiere bekommen, sondern eher wie viel. Gibt es zu wenig zu fressen, stehen die Tiere unter Stress. Das kann den PH-Wert des Fleisches erhöhen, was zu strengerem Geschmack und zähem Fleisch führt. Unsere Tiere ernähren sich vorwiegend von dem, was sie auf den Weiden und Wiesen finden, aber um dieses Problem zu umgehen, bekommen sie im Winter zusätzlich Heu und Kohl; besonders den Kohl fressen sie sehr gerne.

Wie unterscheidet sich Fleisch aus Freilandhaltung von solchem aus Stallhaltung?

Werden Tiere im Stall gehalten, ist die Produktion wesentlich effizienter. Durch die regelmäßige Fütterung wachsen sie viel schneller, denn sie bewegen sich weniger und verbrauchen daher weniger Energie, zum Beispiel um ihre Körpertemperatur zu halten. Das lehnen wir jedoch ab. Bis auf einzelne Tage im Winter, an denen es in den Bergen schneien kann, sind neuseeländische Hirsche das ganze Jahr draußen, wo sie viel Auslauf haben und frei über das Gelände ziehen können. Das macht den Wachstumsprozess natürlicher, und das Fleisch wird wunderbar zart. Neuseeland liegt auf demselben Breitengrad wie Frankreich und Spanien, das bedeutet, wir haben ein gutes und feuchtes Klima mit viel Sonne, in dem sich die Tiere sehr wohl fühlen.

Wie alt sind die Tiere idealerweise bei der Verarbeitung?

Bei Hirschen kommt das beste Fleisch von jungen Tieren, denn dann ist es zart und saftig. Fleisch von älteren Tieren ist meist etwas zäher und kann einen intensiven Geschmack entwickeln, was ich persönlich nicht so gerne mag. Neuseeländische Farmer geben ihre Hirsche im Alter zwischen 12 und 18 Monaten zur Weiterverarbeitung, dann hat das Fleisch eine besonders hohe Qualität.

In welchem Umfang sollte ein Farmer in die Aufzucht seiner Tiere eingreifen?

Wir möchten sehr hochwertiges Fleisch produzieren und glauben gleichzeitig daran, dass die Tiere so natürlich wie möglich aufwachsen sollten. Daher achten wir besonders auf die Gesundheit unserer Hirsche. Zusatzstoffe oder Aufbaunahrung sind für uns tabu, aber wenn ein Tier krank ist, bekommt es selbstverständlich medizinische Hilfe.

Gibt es saisonal bedingte Unterschiede bei der Fleischqualität?

Definitiv. Beispielsweise halten wir uns während der Brunftzeit, die jedes Jahr im Herbst stattfindet, von den männlichen Hirschen fern. Erlegt man sie während dieser Zeit, wo ihr Testosteronspiegel sehr hoch ist, sie aggressiv werden und ihr Revier verteidigen, erhält man zähes, trockenes Fleisch, das einen sehr intensiven Geschmack hat. Indem wir die Tiere während dieser Wochen in Ruhe lassen, garantieren wir gleichbleibend hohe Fleischqualität.

Teil 2 Einkauf und Haltbarkeit

Teil 3 Die Lagerung