Von Gregor Tholl
Was Ihnen diesen Sommer an Besonderheiten und neuen Phänomenen wohl begegnen wird:
SÜSSES UND EIS: Smalltalkthema und Grund zum Staunen ist die Schokopizza eines Tiefkühlproduzenten (Ist das jetzt nicht eher ein Kuchen?). Die sogenannte Pizza heißt «Dolce al Cioccolato» und hat als Ganzes etwa 1000 Kalorien - mehr als eine Salamipizza desselben Herstellers. Der Verein Uniteis, der Verband der handwerklich arbeitenden Speiseeishersteller in Deutschland, hat nach Pistazie im letzten Jahr Schokoladensorbet zum «Eis des Jahres» ausgerufen.
EIS: Daneben läuft der Trend zu absurd anmutenden Sorten in Eisdielen weiter (Schoko-Chili, Gurke-Tonic, Karamell mit Salz und so weiter). Außerdem gibt es einen Trend zu Gemüse-Eis, also zum Beispiel Rote Beete oder Kombinationen mit Spinat, Karotten und Zucchini. Veganer-Promi Attila Hildmann bietet in seiner neuen Berliner Snackbar unter anderem Matcha-Softeis an. Cool ist auch mit Kohle geschwärzte Vanille-Eiscreme, die dann in Berlin zum Beispiel «Darkside» heißt oder in Stuttgart «Asphalt und Beton».
GRILLEN: Neben Moden wie Korean Barbecue und Vegetarischem auf dem Rost scheint jetzt das Flank-Steak groß rauszukommen. Der zumindest für Deutschland neumodische Zuschnitt vom Rind entwickelt sich spätestens dieses Jahr vom Geheimtipp unter Fleischkennern zum Grill-Hit der Massen. Das in Amerika schon lange beliebte magere Fleisch aus der gut durchbluteten Muskulatur am Bauchlappen, ist dünn und hat wenig Fett. Am besten grillt man das dann auf einem rauchfreien Holzkohle-Tischgrill, den nun sogar Discounter verkaufen.
GETRÄNK: «Switchel» gilt Szenemedien als Trendgetränk des Sommers - es ist ein Mix aus kaltem Wasser, Apfelessig, Ingwer und Zitrone, nach Geschmack mit Honig oder Ahornsirup gesüßt. Beliebter in Deutschland sind aber wohl regionale Limonaden und Erfrischungsgetränke. Die Auswahl ist absurd abwechslungsreich: «Gurken Spritze», Brause «Tannenwald», «Dattel-Granatapfel», «Birne-Rosmarin» oder «Pflaume-Kardamom». Prickelnd hinzu kommt als Hingucker, dass es jetzt nach vielen Jahrzehnten auch Ahoj-Brause fertig angemischt als Limonade aus der Dose gibt.
DRINKS: Das Bier im Biergarten und die klassische Weinschorle bleiben natürlich. Auch der Trend zum Craft Beer (Indian Pale Ale und so weiter) dauert an. Manche trinken im Sommer auch weiterhin am liebsten frühere Trendgetränke wie Hugo und Aperol Spritz. Der Klassiker Gin-Tonic soll angeblich dieses Jahr gepimpt werden mit Kaffee, Espresso oder gar Cold-Brew-Coffee. Eric Bergmann von der Deutschen Barkeeper Union (aus der bald eröffnenden Bar «Jigger & Spoon» in Stuttgart) sagt dagegen, der Gin-Tonic-Coffee sei mehr ein Lifestylemagazin-Hype als echter Trend. Stattdessen sei es angesagt, Korn und heimische Obstbrände etwa mit Soda, Gingerbeer oder Ingwerlimonade zu mixen. Soda in Spirituosen wie Wodka, Korn, Whisky oder Rum zu schütten, sei außerdem praktisch für Kalorienbewusste.
LOCATIONS: Typische Sommerorte sind Freibäder, Seen, Parks, Strände, Biergärten und in Städten auch zusammengezimmerte Club-Gärten, in denen das Wochenende durchgefeiert wird. In diesem Jahr scheint verstärkt die Dachterrasse - die rooftop bar - Thema zu sein. Als erstes fällt einem die Plaza von Hamburgs neuer Elbphilharmonie ein, die einen Ansturm erlebt. In Berlin lockt zum Beispiel seit dem Frühjahr an der Gedächtniskirche am Zoo die Terrasse des «Motel One Upper West». In München wurde bekannt, dass das Deutsche Museum ab 2019 ein Dachterrassen-Restaurant mit Isarblick bekommen soll.
FARBE: «Bye Bye Einhorn: Schwarz ist das neue Bunt», meinte kürzlich das Trendportal «Noizz». Allerdings scheinen alle Abgesänge auf das bunte Trendtier verfrüht. Weiterhin gibt es alle möglichen farbenfrohen Produkte rund ums Einhorn oder einfach nur mit dem Fabelwesen drauf - von Bier über Grillwurst bis hin zum Schwimmtier, also der Luftmatratze in Unicorn-Form. Schwarz beziehungsweise Black zum Trend auszurufen, ist wohl eher die absichtliche Forcierung eines gewollten Gegentrends - auch wenn es, wie beschrieben, schwarzes Eis in einigen Eisdielen gibt oder schwarze Taschentücher (Tempo Black edition), schwarze Burgerbrötchen (black burger buns) und bei der Documenta in Kassel als Kunstprojekt eigens ein extra scharfes, schwarzes Bier namens «Sufferhead».
HAARMODE FRAUEN: Langes Haarewaschen und Föhnen scheinen out - als Sommerfrisur des Jahres geht in der Promi-Welt der platinblonde «Pixie Cut» (zu Deutsch also Feenfrisur/Elfenschnitt) durch. Mit Kurzhaar-Look wurden zumindest schon Stars wie Katy Perry, Kristen Stewart und Michelle Williams gesehen. Mit kurzem Stoppelkopf posierte auch Model Cara Delevingne. Bei längerem Haar heißt der zauselige Undone-Dutt jetzt übrigens gerne mal «Octopus Bun».
HAARMODE HERREN: Bei Männern scheinen Undercut und Tolle out zu sein, Seitenscheitel oder Glatze bleiben aber angesagt. Als Trendfrisur gilt der «Bold Cut», eine Art Topf-Haarschnitt (gleichlange Deckhaare, aber rundherum komplett rasiert paar Zentimeter über den Ohren). Ein kleines Revival erlebt der Schnurrbart und Schnäuzer, oft auch Moustache genannt, für den im Gegensatz zum gepflegten Vollbart kein allzu dichter Bartwuchs nötig ist.
FRAUENMODE: Viele Frauen tragen noch hochgeschnitte Mom-Jeans oder lange Röcke. Andere bevorzugen aber bereits weite Hosen und Kleidungsstücke in Bronzetönen oder mit lustigen Applikationen. Und immer wieder als Material: Samt, Samt, Samt! Und als Schmuckstück: Perlenfußkettchen. Ansonsten gilt: Fuchsia, ein knalliges Pink, gilt als eine der kräftigen Trendfarben. Die 80er sind halt zurück mit ihren Modesünden: One-Shoulder-Dresses, übertrieben betonte Schulterpartien, zerrissene Jeans, knappe Hotpants, Leggins, Glitzer, Rüschen, Fledermausärmel.
MÄNNERMODE: Nachdem vor ein paar Sommern plötzlich tiefe V-Ausschnitte - Deep-V-Necks - angesagt waren und Männer plötzlich mehr Brust und Dekolleté zeigten, war letztes Jahr plötzlich auch bei Männern «Flanking» angesagt («flashing» und «ankle» = Knöchel aufblitzen lassen). Liegt die Fußfessel frei, kommen die teuren Sneaker viel besser zur Geltung. Sicher zeigen auch diesen Sommer noch viele Kerle ihre mankles (englisches Wortspiel zu Männerknöcheln). Modesünden von früher sind indes kein Aufreger mehr: Männer tragen Shorts und Hochwasserhosen wie selbstverständlich, auch Badeschlappen und Einteiler (Jumpsuits, Onesies, Strampler) auf der Straße scheinen kein Grund mehr zum Naserümpfen zu sein.
TÄTOWIERUNG: Sommerzeit ist Tattoozeigezeit - nach Tribals, Sternchen, Schriftzügen, Tieren, Streifen gehören jetzt auch Single Line Tattoos zu den angesagten Hautbildern (Motive aus einer durchgängigen Linie); daneben gibt es Watercolor Tattoos (blasse Farben), Blacklight Tattoos (Tinte, die unter ultraviolettem Licht fluoresziert) sowie Tattoos mit Reisemotiven (Landkarten, Visastempel). Das vielleicht Verrückteste kommt aus den USA: das Tonspur-Tattoo (Soundwave Tattoo). Mit Hilfe einer scannenden App singt der gestochene Arm oder spielt einem Baby-Lachen vor.
KUNSTSOMMER: 2017 ist wieder ein documenta-Jahr und für viele Kunstliebhaber wird ein Kurztrip nach Kassel zum Pflichttermin (wenn nicht sogar nach Athen als zweite documenta-Stadt). Ansonsten sorgen Taschen des Modehauses Louis Vuitton für Aufsehen. In Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Künstler Jeff Koons zeigen Modelle der Kollektion «Masters» Ausschnitte von Meisterstücken berühmter Künstler wie Leonardo da Vinci, Peter Paul Rubens oder Vincent van Gogh. Die Taschen kosten allerdings ein paar Tausend Euro.
URLAUB: Angesichts der politischen Lage scheinen Reiseziele wie Ägypten, Tunesien und die Türkei fast leer. Stattdessen erleben Spanien (natürlich Mallorca, Ibiza) und Griechenland einen Ansturm. Als Trendreiseziel für 2017 riefen Reiseführer wie der «Lonely Planet» oder «Condé Nast Traveller» Kanada aus. Das Land feiert 150 Jahre Staatsgründung. Der Nationalfeiertag Canada Day ist am 1. Juli. Auf der Liste «Best in Europe 2017» des Szenereiseführers «Lonely Planet» steht Zagreb ganz vorne. Erwähnt wird auch Norddeutschland und in erster Linie Hamburg. Deutschlands zweitgrößte Stadt scheint wegen der Elbphilharmonie ein bisschen zu Hypeburg zu werden.
SPORT: Aqua-Fitness ist nicht mehr nur etwas für alte Leute: In Deutschland etablieren sich Trendsportarten im Pool, die extrem anstrengend sind. In immer mehr Swimmingpools werden zum Beispiel Kurse auf speziellen Fahrrad-Ergometern angeboten, die im Nichtschwimmerbereich eines Schwimmbades stehen. Auch Trampolinspringen im Wasser gibt es. Für Leute, die eher kurz und intensiv - etwa 20 Minuten pro Woche - trainieren wollen, etablieren sich dagegen immer mehr EMS-Studios. Bei der Elektro-Muskel-Stimulation sind Menschen verkabelt und führen unter Anleitung langsam Übungen mit verstärkenden Stromstößen aus.
ZEITVERTREIB: Letztes Jahr war das Jahr des Smartphone-Spiels «Pokémon Go» - der Hype war groß. In diesem Jahr scheinen analoge Fidget Spinners zum Phänomen des Sommers zu werden - nicht nur bei Schulkindern. Das Drehspielzeug verkauft sich gut. Außerdem trägt inzwischen gefühlt fast jeder ein Fitnessarmband oder einen Fitness-Tracker mit Schrittzähler am Handgelenk, was die Datensammelei am eigenen Körper (Puls, Schlaf, Kalorienverbrauch, gelaufene Stockwerke) zum Hobby macht. Eher beruhigend ist der Trend zur Meditation. Immer mehr Yoga-Studios greifen die Entwicklung auf. In manchem Freundeskreis wird zwecks Morgenmeditation inzwischen sogar eine Stunde früher aufgestanden.
Als lustige Provokation funktioniert ein Social-Media-Trend beim Instagram-Account «Cheeky Exploits». Er will die Welt mit Fotos nackter Pos besser machen. Motto: «Making the world happier through butts.» dpa