Spanien statt Türkei Terrorangst stellt Tui-Reisegeschäft auf Probe

Von Steffen Weyer

Die Angst vor Terror wirbelt die Urlaubspläne der Europäer durcheinander. Tunesien fällt als Reiseland praktisch weg, für die Türkei erwartet der weltgrößte Reisekonzern Tui nach dem Anschlag von Istanbul nur noch halb so viele Gäste wie im Vorjahr. Die Unsicherheit stellt nicht nur die Urlauber vor Herausforderungen, sondern auch die Reisebranche. Wo baut man für die Sonnenanbeter neue Hotels, die möglichst über Jahrzehnte hinweg gefragt sind? Wo gibt es noch genügend freie Betten am Meer - zur richtigen Zeit und beim passenden Wetter?

Bei Tui kommen die Probleme und Chancen der Touristikwirtschaft alle zusammen. Hotelmarken wie Riu und Robinson gehören genauso zu dem Konzern aus Hannover wie die Kreuzfahrtschiffe von Hapag-Lloyd und Tui Cruises, 140 Passagierflugzeuge und das gesamte Veranstaltergeschäft bis hin zu Reisebüro und Online-Portal. Seit dem Antritt von Tui-Chef Fritz Joussen vor drei Jahren steigen die Gewinne des einstigen Krisenkonzerns. Inzwischen geht er mit Plänen für neue Hotels und Schiffe auf Wachstumskurs.

Die Ereignisse in Tunesien, Ägypten, Paris und Istanbul wirken da wie deutliche Warnungen. Der Terroranschlag mit 33 Toten traf im Juni ein Riu-Hotel im tunesischen Sousse. Die Unsicherheit habe den Tourismus dort «faktisch zum Erliegen gebracht», sagt Joussen am Dienstag vor den Aktionären bei der Hauptversammlung seines Konzerns in Hannover. Die Riu-Gruppe hat die von ihr betriebenen Häuser in dem nordafrikanischen Land abgestoßen, doch die Tui hat noch immer 14 Unterkünfte dort in Betrieb. Im Herbst fiel nach dem mutmaßlichen Abschuss eines russischen Passagierjets über Ägypten mit mehr als 200 Toten die Sinai-Halbinsel als Urlaubsgebiet weg - dort ist Tui mit 11 Hotels vertreten, die jetzt leer stehen.

Während die Tui den Wegfall der beiden Winterreiseziele Ende 2015 verkraftete, trifft es mit der Türkei nun einen der wichtigsten Urlaubsorte der Europäer. Nach dem Selbstmordanschlag mit zehn Toten im Januar haben 40 Prozent weniger Kunden für den Sommer einen Türkei-Urlaub gebucht als vor einem Jahr. Joussen plant nur noch mit einer Million Türkei-Gästen - 900 000 weniger als im Vorjahr.

Droht dem Land am Bosporus jetzt der touristische Niedergang? So schwarz wollen Experten nicht malen. Professor Volker Böttcher, Tourimusforscher der Hochschule Harz und früher selbst Deutschland-Chef der Tui, hält es für realistisch, dass das Geschäft sogar noch im Laufe des Frühjahrs oder des Sommers wieder in Gang kommt, wie er im Deutschlandradio Kultur sagte. Das Bild von der Türkei als unsicherem Reiseziel habe sich in den Köpfen der Verbraucher noch nicht so verfestigt wie im Fall Nordafrikas.

Die Tui-Spitze hat ihre Planungen dennoch umgeworfen. «Wir haben schon vorher zusätzliche Kapazitäten nach Spanien geschoben», sagt Joussen. Wenn aber nicht nur die Veranstalter der Tui-Gruppe Hunderttausende Gäste zusätzlich nach Spanien bringen, treibt das dort die Preise nach oben. «Es gibt im Last-Minute-Geschäft einfach keine Nachlässe mehr», sagt Joussen voraus. Spanien sei aus Sicht der Veranstalter schon weitgehend ausgebucht. «Für den Preis eines Fünf-Sterne-Hotels in Tunesien bekommen Sie heute zwei Sterne Bed & Breakfast in Spanien.» Gut für die Hoteliers, schlecht für die Portemonnaies der Urlauber.

Dabei hat Tui das Glück, dass in Spanien besonders viele Häuser seiner Riu-Kette stehen. Deren Eigenkapitalrenditen von über 20 Prozent lassen den Konzernchef schwärmen. Doch Aktionäre sehen auch die Risiken dieser Strategie. Wenn Terrorgefahr eine Urlaubsregion ausschalte, drohten Abschreibungen auf die eigenen Vermögenswerte, warnt Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment.

Doch Joussen sieht die Türkeikrise locker. Von der einen Million erwarteter Gäste entfielen nur 270 000 auf die Tui-eigenen Häuser. «Da ist noch viel Puffer.» Gleichzeitig sagt er dem Kreuzfahrtgeschäft glänzende Aussichten voraus. Die Deutschen entdeckten diese Urlaubsart immer stärker für sich. Tui hat deshalb längst zusätzliche Schiffe bestellt. Die lassen sich im Krisenfall schnell auf eine andere Route schicken. Das haben sie trotz ihrer fragwürdigen Abgaswerte den Betonblöcken am Meer voraus. dpa