Spargelgeschäft als sichere Bank Bauern setzen verstärkt auf Folie

Von Heiko Lossie

Beim Spargel ist die Welt für die Bauern noch in Ordnung. Während sich die Kollegen bei Milch und Rüben mit Debatten um Quoten herumplagen, die Preise vieler Produkte an den Weltmärkten Achterbahn fahren, die Massentierhaltung Kritik heraufbeschwört und sich viele Landwirte um Russlands Importstopp für EU-Agrarprodukte sorgen, sind die Spargelbauern fein raus. Die Ernte des Edelgemüses stieg hierzulande 2014 im Vorjahresvergleich um satte 11 Prozent, wie das Statistische Bundesamt errechnete. Die Anbaufläche legte um 5 Prozent zu. Auch dieses Jahr gibt es wieder viele positive Vorzeichen - trotz kühlen Wetters.

Aus Verbrauchersicht ist das Spargelvergnügen dieses Jahr bisher eher teuer. "Wir haben derzeit durchaus noch ein hohes Preisniveau", sagt Michael Koch von der Bonner Agrarmarkt Informations-Gesellschaft Ami. Eine aussagekräftige Bilanz sei zwar erst sinnvoll zum Ende der Saison, ein Trend deute sich aber schon an. So habe ein Kilo weißer Spargel in der zurückliegenden Woche im Schnitt bundesweit 6,74 Euro gekostet. Gegenüber der Vorwoche waren das 70 Cent weniger, jedoch im direkten Vergleich mit derselben Woche des Vorjahres rund 23 Prozent Aufschlag. "Wir hängen aber diese Saison witterungsbedingt etwa zwei Wochen zurück", gibt Marktexperte Koch zu bedenken.

Berücksichtigt man diese Verschiebung im Vergleich mit 2014, ergibt sich nur noch ein Preisaufschlag von wenigen Cent oder umgerechnet vier Prozent. Dennoch liegen diese Preise im Zehnjahresvergleich am obersten Ende.

"Ich bin bisher an sich sehr zufrieden", sagt Dietrich Paul, Chef der Spargelbauervereinigung in Niedersachsen. Das Land zwischen Harz und Küste ist mit fast einem Viertel der bundesweit gut 25 000 Hektar Spargelanbaufläche Spitzenreiter für das "weiße Gold". Paul verweist zwar auf den kalten April, der die Saison nach dem Rekordstart aus dem Vorjahr diesmal verzögert anlaufen ließ - 2014 hatte das Geschäft so früh begonnen wie noch nie. "Aber der Mai scheint einiges in Gang zu bringen", sagt Paul. Ob trotz des späteren Starts die Menge des Vorjahres aufzuholen ist, sei erst am 24. Juni klar (Johannistag). Dann endet die Saison traditionell. "Aber ich bin zuversichtlich, dass es gut läuft, wenn es nicht noch kälter wird", berichtet Paul.

Sorgen bereitet den Spargelbauern der Mindestlohn. Die Landwirtschaft muss von diesem Jahr an die branchenspezifische Untergrenze von 7,40 Euro pro Stunde (Ost: 7,20 Euro) bezahlen. "Wenn bei der Ernte der Akkord gegeben ist, spielt das keine Rolle", sagt Verbandschef Paul. Doch die Bürokratie der Aufzeichnungspflichten sei enorm und binde Ressourcen. Hinzu komme der Mindestlohn für weitere Aufgaben rund ums Spargelgeschäft, etwa Verkauf oder Logistik. "Gut 50 Prozent machen die Personalkosten schon heute aus", berichtet er. Wenigstens lägen die übrigen Treiber bei den Kosten, etwa Dünger und Sprit, auf einem konstantem Niveau.

Spargel ist laut Statistischem Bundesamt bezogen auf die Anbauareale das bedeutendste Gemüse Deutschlands mit einem Anteil von 22 Prozent an der gesamten Freilandfläche. Das Geschäft mit den Spargelpflanzen ist dabei auf viele Jahre ausgelegt. Zunächst reifen die Jungpflanzen ein Jahr heran. Dann kommen sie in die vorbereiteten Pflanzgräben, wo sie die Spargelbauern anfangs noch ohne Ernte besonders intensiv pflegen, weil gerade dieses erste Jahr über den späteren Erfolg entscheide, berichtet die Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen.

Die Erntedauer im ersten Jahr, in dem dann Stangen für den Verkauf gestochen werden, liege bei maximal zehn Tagen. "Im zweiten Jahr kann der Spargel ungefähr vier Wochen gestochen werden, erst im dritten Erntejahr wird der volle Ertrag erreicht", sagt Dieter Weber, Berater für den Spargelanbau in der LWK Niedersachsen. Damit stehen in diesem Jahr diejenigen Pflanzen erstmals voll im Ertrag, die schon 2011 herangewachsen waren.

Die Kürze der Saison liegt an den Eigenschaften des Spargels. Denn er braucht die restliche Jahreszeit, um neue Energie einzulagern. Nur zum Ende ihrer etwa zehnjährigen Lebensdauer kann die Regeneration der Pflanze entfallen. "Totstechen" heißt das dann im Fachjargon.

Technisch scheint beim Spargelanbau ein Trend nicht mehr aufzuhalten: Der Anbau unter Folienabdeckungen boomt. Dadurch steuern die Bauern die Temperaturen im Damm und passen die Erntemenge dem Bedarf an. Nach Angaben der LWK Niedersachsen hat Folie auch den Vorteil, dass die Stangen durch das raschere Wachstum zarter sind. Auch den Geschmack beeinflusse das positiv und sogar die Farbe: Hitzeperioden verfärben die Stangen rosa - doch drehen die Bauern die Folie von der schwarzen auf die weiße Seite, bringt das Kühlung. Auch blaue Köpfe, die durch zu spätes Ernten entstehen und die der Handel nicht gerne sieht, spielten unter Folie kaum noch eine Rolle.

Zudem entfällt die Chemiekeule, da unter Folie kein Unkraut wächst. Und auch der Schädling Bohnenfliege, mit dem Ernteverluste drohen, kommt nicht mehr zur Eiablage. Beregnet werden muss auch weniger. In Niedersachsen wachsen laut LWK schon 90 Prozent des Spargels unter Schwarz-Weiß-Folie. Die Kehrseite: Frühjahrstürme wie jüngst "Niklas" können die Folie zerstören und Ernten gefährden. dpa