Sterne-Köche Harald Wohlfahrt wird 60

update: Harald Wohlfahrt klagt gegen Traube Tonbach

Von Anika von Greve-Dierfeld

Er kommt völlig normal daher. Keine Allüren, keine Arroganz, keine Selbstherrlichkeit. Zeigt gerne seine Speisekammern, macht kein Gewese um sein Restaurant und ist auf Fotos in weißer Kochjacke immer unglamourös gut gelaunt. Spitzenkoch Harald Wohlfahrt ist ein entspannter Meister in der Küche und eine absolute Ausnahmeerscheinung in der Spitzengastronomie. Am 7. November wird Deutschlands dienstältester Drei-Sterne-Koch 60 Jahre alt. Und wenn alles so läuft, wie es soll, dann verteidigt der Küchenchef der «Schwarzwaldstube» im Hotel Traube im württembergischen Baiersbronn demnächst zum 24. Mal in Folge den dritten Michelin-Stern. Ein einsamer Rekord.

Harald Wohlfahrt

Ach ja, die Sterne. Sie treiben ihn nicht mehr so um wie früher. Zwar werden die Anstrengungen, das Niveau zu halten, generell immer größer und «ein Abstieg in die zweite Liga» wäre ein sehr schmerzhafter Imageverlust. «Mein Motto ist aber inzwischen: Carpe Diem, genieße den Tag, die Gegenwart und schiebe nicht mehr allzuviel nach hinten», sagt er. Wenn sein Restaurant geöffnet ist, steht er von 08.30 bis 23.00 in der Küche. Wenn es geschlossen ist, dann widmet er sich seinem Garten, fährt mit seinem «Spaßauto», dessen Marke er bescheiden gar nicht erst nennen will, oder kümmert sich vor allem um seine beiden kleinen Enkelkinder: «Sie sind mein neuer Quell der Freude.»

So sehr er inzwischen das Großvatersein genießt - ein Rückzug aufs Altenteil ist dennoch nicht mal im Ansatz angedacht. «Bocuse ist 88 oder 89 Jahre alt und schreitet immer noch mit seinem Rollator staatsmännisch durch die Küche», lacht Wohlfahrt. Die Frage nach seiner Nachfolge in der «Schwarzwaldstube» scheucht er konsequent beiseite. «Dazu kann ich mich gar nicht äußern», erklärt er, «es wird sich irgendwann weisen». Zu sehr liebt er seinen Job. «Ich bin genau da, wo ich hin wollte und habe viel Freude an meinem Beruf.»

In der Welt der Haute Cuisine ein schlechtes Wort über Harald Wohlfahrt zu hören, ist schlechterdings unmöglich. Zahlreiche Spitzenköche haben bei ihm gelernt; weit mehr als 70 Michelin-Sterne haben seine Schüler inzwischen erkocht. Mit vielen ist er befreundet, viele suchen regelmäßig seinen Rat, viele bewundern ihn: «Ich mag ihn sehr als Mensch», erklärt etwa Jörg Sackmann, Küchenchef im Zwei-Sterne-Lokal «Schlossberg» in Baiersbronn. «Er ist die Disziplin und Pünktlichkeit in Person und bewältigt in größter Ruhe ein Riesenpensum.»

Der ebenfalls mit zwei Sternen ausgezeichnete Peter Hagen vom «Ammolite» im Europapark Rust schätzt an ihm seine Zielstrebigkeit und Geduld: «Jeder hat doch mal einen schlechten Tag - aber Harald Wohlfahrt nicht.» Und Drei-Sterne-Koch Christian Bau vom «Victor's Fine Dining» im saarländischen Perl beschreibt ihn als genialen Koch, Mentor und Ziehvater. «Er ist ein Riesenvorbild und eine Lichtgestalt der Gastronomie. Keiner reicht an ihn heran.»

Die deutsche Küche hat Wohlfahrt auf ein neues Niveau gehoben. Er ist detailverliebt, kunstvoll, berühmt für seine Saucen und mit seinen Kreationen immer wieder ein Erneuerer, sagen seine Weggefährten. Er selbst beschreibt sich als «fast asketisch» und gibt sich seinem Beruf nach eigenen Worten in allen Facetten hin: «Ich mache ebenso gerne Saucen wie ich einen Fisch filetiere oder Fleisch ausbeine.»

Was ihn an sich selber nervt? «Ich kann schlecht Nein sagen.» Wie er seinen Geburtstag am 7. November verbringt, will er für sich behalten. Auf jeden Fall bleibt er der Küche seines Restaurants fern. «Geburtstag ist was privates und ich werde in aller Stille feiern», sagt er. Die «Schwarzwaldstube» ist an dem Tag wie immer ausgebucht. dpa

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Spitzenkoch Harald Wohlfahrt und sein Hassgericht

Spitzenkoch Harald Wohlfahrt hatte als Kind ein Hassgericht - «und das war Meerrettichsauce», verriet Deutschlands dienstältester Drei-Sterne-Koch. «Wenn meine Mutter das gekocht hat, sind mir die Tränen gekommen. Sie hat das mit so wenig Fingerspitzengefühl zubereitet!» Heute liebt der 59-jährige Küchenchef der «Schwarzwaldstube» im badischen Baiersbronn die Sauce, die klassischerweise gerne zu Tafelspitz gereicht wird, und schätzt die scharfe Wurzel auch sonst. «Wenn Meerrettich richtig eingesetzt wird, schmeckt er einfach wunderbar.»

Traube Tonbach, Tonbachstraße 237, 72270 Baiersbronn

Küche als Kaderschmiede: Wohlfahrts Schüler erkochen über 60 Sterne

Harald Wohlfahrt in der Traube Tonbach

Besonders stolz ist Wohlfahrt auf seine Schüler, denn die Schwarzwaldstube gilt auch als Kaderschmiede für den Köche-Nachwuchs. „Mitzuerleben, wie viele meiner Mitarbeiter erfolgreich ihre ganz eigene Linie entwickeln und selbst hervorragende Köche geworden sind, ist die schönste Bestätigung für meine Arbeit“, so Wohlfahrt. „Ich freue mich, dass ich der nächsten Generation etwas Rüstzeug für ihre Zukunft mit auf den Weg geben kann.“ Kein anderer deutscher Spitzenkoch hat so viele besternte Köche mit ausgebildet oder als Mentor begleitet wie der Grand Chef aus Baiersbronn. Heiner Finkbeiner teilt den Stolz seines langjährigen Küchenchefs und verdeutlicht: „Von den vielen talentierten Köchen, die sich auf einem Posten in der Schwarzwaldstube bewiesen haben und einen Teil ihrer Lehr- und Wanderjahre hier in der Traube Tonbach verbrachten, kochen heute rund 40 selbst erfolgreich auf Sterneniveau – mehr als 10 sogar mit zwei oder drei Sternen.“

Neben den Drei-Sterne-Köchen Klaus Erfort, Kevin Fehling, Thomas Bühner und Joachim Wissler gehört auch Christian Bau vom Victor’s Gourmet Restaurant Schloss Berg nahe Trier zu jenen, die es mit einer knapp fünfjährigen Station in der Traube Tonbach zu Beginn seiner Kochkarriere in die Top-Liga der deutschen Spitzenköche geschafft haben. Als junger Commis kommt er 1993 in die Schwarzwaldstube, anderthalb Jahre später wird er mit gerade mal 23 Jahren Wohlfahrts Souschef, während seine Frau Yildiz im Service des Restaurants arbeitet. „Kochen konnte ich damals schon ganz ordentlich“, erklärt der heute 43-jährige Dreisterner, „aber meine Frau und ich haben in der Traube alles gelernt, was wir für unser eigenes Restaurant brauchen – den Feinschliff in der Küche, den richtigen Umgang mit Gästen, Mitarbeitern und Medien, aber vor allem den Qualitätsanspruch fürs Gastgebersein.“

Heute gehört Bau wie Wohlfahrt zu den besten Köchen Deutschlands und ist einer von gerade mal elf dreifach besternten Kollegen. Sein einstiger Lehrmeister ist ein guter Freund geworden, doch bleibt immer auch Mentor und Ratgeber. Wie eng die Beziehung ist, wird deutlich, wenn Wohlfahrt selbst gefragt wird: „Es ist die größte Reputation für mich, wie erfolgreich Christian Bau ist.“

Weitere Schüler von Harald Wohlfahrt in der Traube Tonbach waren im Laufe der Jahre u.a. die Sterneköche Jörg Sackmann (Restaurant Schlossberg, Baiersbronn), Hendrik Otto (Lorenz Esszimmer, Berlin), Christoph Rüffer (Haerlin, Hamburg), Sebastian Zier (Arosa, Sylt), Silvio Nickol (Palais Coburg, Wien, Österreich), Wolfgang Becker (Becker’s, Trier), Dirk Hoberg (Ophelia, Konstanz), Douce Steiner (Gasthaus zum Hirschen, Sulzburg), Matthias Diether (First Floor, Berlin), Nouri Wahabi (Piment, Hamburg), Paul Stradner (Brenners Park-Restaurant, Baden-Baden), Boris Benecke (Wald & Schloßhotel Friedrichruhe), Klaus Erfort (Gästehaus Erfort, Saarbrücken), Thomas Bühner (La Vie, Osnabrück) und Kevin Fehling (früher La Belle Epoque, Travemünde, heute The Table in Hamburg).