Von Christian Rupp
Sie sind die Oscars der Gastronomie, der Ritterschlag für einen jeden Koch, versprechen Ruhm und Ehre - nur eines bringen Sterne oft nicht: viel Geld. Im Gegenteil, Spitzenköche in Hessen und Rheinland-Pfalz klagen über steigenden wirtschaftlichen Druck. Geht der Sternegastronomie etwa die Luft aus?
Ein Restaurant in Frankfurt. Der Blick auf Skyline und Mainufer ist atemberaubend. Auf den Tischen weißer Damast und schweres Silber. Die hohen Decken sind mit Stuck verziert. Die Speisenkarte offeriert erlesenste Gerichte und Weine. Es ist Montag. Beste Lunch-Zeit. Nahezu alle Tische sind - leer. Lediglich an einem Tisch sitzt eine Dreiergruppe. «Normalerweise ist es hier doch so voll», sagt deren Gastgeber. Es klingt wie eine Entschuldigung.
Doch ein «normalerweise» gibt es längst nicht mehr. «Die Spitzengastronomie steht derzeit unter einem wahnsinnigen Druck. Noch nie gab es in Deutschland so viele Sterne, die Anzahl der Gäste ist aber nicht mitgewachsen», sagt Susanne Drexler, die mit ihrer Frankfurter Agentur «Gourmet Connetion» europaweit Hotels und Restaurants berät.
Das räumt auch einer ihrer Kunden unumwunden ein. «Wirtschaftlich gesehen bin ich mit meinem Restaurant immer halb in der Gefahrenzone. Denn was in der Spitzengastronomie am meisten Geld kostet, sind die hohe Produktqualität und natürlich das Personal», sagt Carmelo Greco. Seit fast 20 Jahren hat er einen der begehrten Sterne, seine Interpretationen italienischer Klassiker sind eine Institution im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen.
Es klingt grotesk: Aber gerade das immer weiter steigende Niveau macht der Spitzengastronomie zu Schaffen. «Es gilt in der Branche inzwischen die Binsenweisheit, dass drei Sterne ohne eine externe Unterstützung - ähnlich dem FC Chelsea - nicht zu kochen sind, weil einfach Material- und Wareneinsatz zu hoch sind», konstatiert der Direktor der Genussakademie Frankfurt, der Gastrokritiker Bastian Fiebig. «Insofern wächst der wirtschaftliche Druck mit der Zahl der Sterne. Selbstgeführte Sternelokale sind ab dem zweiten Stern eine komplette Illusion», urteilt Fiebig.
Dabei steigt die Zahl der Sterne-Häuser seit Jahren unaufhörlich: Der aktuelle «Guide Michelin» listet in Hessen 15 Häuser mit einem Stern und drei Zwei-Sterne-Restaurants. In Rheinland-Pfalz trägt ein Restaurant drei Sterne, drei tragen zwei Sterne und 20 immerhin noch einen Stern.
Wer als Küchenchef keinen millionenschweren Gönner im Rücken hat, die Zahlen aber so rot sind wie der servierte Hummer, verlegt sich daher oft auf die klassische Quersubventionierung: Ein Hotel oder die eigene Gewürz-Linie in den Supermärkten, ein kleines Landgasthaus oder eine Kochschule federn oft das Defizit eines Sterne-Restaurants ab. Das Hotel profitiert im Gegenzug von dem exzellenten Ruf des Gourmettempels.
So wie etwa das Relais & Châteaux Hotel «Die Sonne Frankenberg» am Edersee in Nordhessen, zu dem das mit einem Stern ausgezeichnete Restaurant «Philipp Soldan» gehört. «Frankenberg und der Edersee gehören sicherlich nicht zu den Metropolen in Deutschland, deshalb ist das Sternerestaurant ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für unser Hotel», sagt Geschäftsführer Gerhard Pohl.
Eine andere Möglichkeit sehen manche Köche in Kampfpreisen. Im «Gustav» in Frankfurt, seit vergangenem November ebenfalls im Sterne-Olymp angesiedelt, kostet ein 5-Gang-Menü mittags gerade einmal 79 Euro. Das lockt nicht nur neue Gäste, es provoziert auch Mitbewerber. «Das kann unter Kostengesichtspunkten eigentlich gar nicht rentabel sein», kritisiert der Geschäftsführer der «Tiger & Palmen GmbH», Robert Mangold.
Die Gesellschaft betreibt zwei der drei hessischen Zwei-Sterne-Restaurants, das «Lafleur» im Frankfurter Palmengarten und das Restaurant im «Tiger-Palast» in der Innenstadt. Auch Fiebig spricht davon, dass der Mittagstisch vieler Restaurants ein Nullsummenspiel sei. Daher gibt es sie immer wieder: die Verweigerer.
Jüngstes Beispiel ist der Mainzer Fernsehkoch Frank Buchholz. Er schloss sein vielfach prämiertes Restaurant «Buchholz» im beschaulichen Mainz-Gonsenheim zum Ende des vergangenen Jahres.
Zwar hat der joviale Unternehmer, Buchautor und TV-Star nach eigener Darstellung auch mit seinem Gourmetrestaurant bis zuletzt Geld verdient - allein, es fehlte ihm am Ende die Freude. «Das ist mir einfach viel zu viel Theater mit den ganzen Komponenten inzwischen», sagt er. «Du kommst als Gast ja gar nicht mehr zum Essen, weil dir einer erst mal rauf und runter erklärt, was auf dem Teller ist, was im Glas ist und so weiter.»
Einen möglichen Ausweg sieht er in der Beschränkung. Zurück zu den Wurzeln. Zu einer neuen Einfachheit mit ehrlichen Zutaten. «Man sieht es ja schon in Skandinavien, wo selbst im Drei-Sterne-Bereich die Köche ihre Konzepte zurückschrauben, weil sie einfach merken, dass der Verbraucher übersättigt ist von der ganzen Laberei.» dpa