Von Alexander Preker
Ohne Touristen fehlt Geld, mit ihnen fehlen Wohnungen: Für Sylts 20 000 Einwohner sind die knapp 900 000 Urlauber pro Jahr eine wichtige Einnahmequelle, aber der Boom hat auch Nachteile. Da die zahlreichen Feriengäste pro Nacht im Schnitt auch mehr als gewöhnliche Mieter zahlen, sind günstige und normale Wohnungen knapp. Die Verwaltung von Deutschlands wohl berühmtester Urlaubsinsel hat deshalb nun den Bau und die Vermietung von Ferienwohnungen eingeschränkt.
Die Gemeindevertretung beschloss, dass in Häusern ab 130 Quadratmeter Größe künftig mindestens 60 Quadratmeter als «Dauerwohnraum» zum Leben genutzt werden müssen. Diese können auch auf zwei Wohnungen je 30 Quadratmeter aufgeteilt werden und für ihre Bewohner gilt: Im Sommer ein paar Wochen Sylt reicht nicht. Dieser Grundsatzbeschluss gilt für Neubauten oder wenn aus einem Wohnhaus ein Ferienhaus werden soll. Denn immer mehr Menschen wollen ein Ferienhaus auf Sylt.
Die Entwicklung der Immobilienpreise hatte Inselbürgermeister Nikolas Häckel (parteilos) zuletzt «dramatisch» genannt. Eine Untersuchung der Verwaltung ergab, Eigentumswohnungen kosteten bereits 2010 mehr als das eineinhalbfache wie im Jahr 2000, unbebaute Flächen mehr als das dreifache. Örtliche Makler nehmen für Wohnraum in Top-Lagen inzwischen mehrere zehntausend Euro pro Quadratmeter, für ein Haus in Wattlage sind so schnell zweistellige Millionenbeträge fällig.
Jetzt sei eine Entscheidung getroffen worden, «um den Ausverkauf der Insel zu stoppen», sagte Bürgermeister Häckel zu dem am Donnerstagabend mit 19 zu 14 Stimmen knapp verabschiedeten Antrag von CDU und Sylter Wähler-Gemeinschaft. Er soll verhindern, dass die Insel weiter zu einem reinen Urlaubsort wird.
Denn aktuell müssen nach Angaben der Inselverwaltung täglich bereits 4500 Menschen über den Hindenburgdamm zur Arbeit fahren. Supermärkte überleben laut Häckel nur mit öffentlicher Förderung, Grundschulen wurden dicht gemacht. Derweil sehen viele Käufer ihre Sylt-Immobilie als gute Wertanlage.
Für die Sylter hatte sich Häckel deshalb eine schärfere Regel gewünscht. Doch für den seit Monaten diskutierten Vorschlag für eine feste Quote, wonach in allen Häusern künftig mindestens 40 Prozent der Geschossfläche reguläre Wohnungen sein sollen, gab es keine Mehrheit. Obwohl solch eine Regelung fairer sei, weil sie alle angehe und nicht bloß große Häuser betreffe, sagte der Bürgermeister. Er sprach von einem «schlechten Kompromiss».
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) im Norden, der im Februar vor einem «Reichenghetto» gewarnt hatte, zeigte sich zufriedener. «Familien, die schon seit Generationen auf der Insel leben, müssen ihre Heimat Sylt verlassen. Wir halten den Beschluss der Gemeindevertretung daher für eine vernünftige Regelung», teilte ein Sprecher mit.
Sylts CDU-Fraktionschef Wolfgang Jensen sagte: «Die Regelung berücksichtigt die Eigentümer von Einfamilienhäusern, die auf die Einnahmen aus der Vermietung angewiesen sind.» So bleibe die Struktur mit kleinen Ferienhäusern erhalten, hoffte er.
Kritik kommt vom Eigentümerverband Haus und Grund. Der Landesvorsitzende Alexander Blaek sagte, er habe «erhebliche Bedenken, ob die beschlossene Einschränkung der Rechte der betroffenen Eigentümer zulässig ist.» Der neue Beschluss könnte zudem Bürokratie bedeuten, weil nun «die Bauämter mit dem Maßband durch die Gegend laufen müssten, ob die (...) 60 Quadratmeter eingehalten werden».
Arne Klein, Makler und Vorstand im Immobilienverband IVD-Nord, sagte: «Als Makler ist es schade, wenn in das Recht auf Eigentum eingegriffen wird und einem solch guten Markt ein Riegel vorgeschoben wird.» Persönlich kann aber auch Klein, der selbst in einer Ferienregion lebt, die Regel jedoch nachvollziehen: «Wenn Straßenzüge mehrere Monate im Jahr verwaisen, kann ich so was verstehen.» dpa