Tapas und Knoblauch

Von Michael Ritter

In ihrer spanischen Heimat sind sie schon lange eine willkommene Knabberei zu Wein und Bier. Oft sind es auch heute wenig aufwendige lokale Spezialitäten wie Oliven, Mandeln, Schinken, Chorizo oder Käse, die dem Gast in «Cazuelitas», den kleinen braunen Tonschälchen, vorgesetzt werden. Doch mancher Wirt, baut auf dem Tresen eine wahre Armada an Tapas auf, die dem Gast das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen sollen, wenn er auf dem «Tapeo», dem Zug von Bar zu Bar, hereinschaut.

Ob in Andalusien oder im Baskenland - oft ist es ein Ritual, ein Essen mit Freunden in lockerer Atmosphäre. Man trinkt, plaudert und zieht dann weiter durch die Stadt. Selten länger als für ein Gläschen. Dabei ist das Angebot von Region zu Region oft unterschiedlich. Zwar sind Bestseller wie «Gilda», ein Peperoni-Anchovis-Oliven-Spieß, Tintenfisch auf galizische Art, panierte Garnelen, diverse gefüllte Kroketten oder Stockfisch «al Pil-Pil» auch im Landesinneren zu bekommen, doch schmecken besonders «Mariscos» (Meeresfrüchte), die in den Städten entlang der Küste aufgetischt werden, dort meist noch viel frischer. Man sagt, Tapas seien in Andalusien erfunden wurden, wo eine Scheibe Schinken oder «Lomo embuchado» (luftgetrocknete Schweinelende) als Deckel (Tapa) auf das Sherryglas gelegt wurde.

«Das machen wir in Frankfurt beim Äppelwoi auch», sagt die Kochbuch-Autorin Ingrid Schick. «Hessens Häppchenkultur hat Ähnlichkeiten mit der Tapas-Kultur Spaniens.» Die Gastronomieexpertin hat sich deshalb zusammen mit befreundeten Köchen auf die Suche nach bodenständigen, kleinen Gerichten gemacht - und ist fündig geworden. Ihr Buch sieht sie als Liebeserklärung für die kleinen Leckereien, die Genießer über die Grenzen hinweg verbindet. Viele spannende Neuinterpretationen von regionalen Spezialitäten wie der Hessen-Burger aus Fleischwurst mit Grüner Soße oder Handkäs-Tatar mit Matjesfilet finden sich darin. So lässt sich mit etwas Geschick auch in der heimischen Küche Ferienfeeling schaffen.

Als Pendant zur «Gilda» serviert der Sternekoch Ingo Bockler zum Beispiel Rehspießchen mit Birnen und Lauchzwiebeln oder geräucherten Rehschinken auf Sherryzwiebeln, die durch den Sherry einen andalusischen Touch bekommen. In seinem Restaurant im waldreichen Nordhessen bekommt er frisches Wild aus heimischer Jagd. Bockler liebt solche regionalen Produkte, die frei sind von künstlichen Zusätzen. «Das ist eine gute Einstimmung auf das Menü.» Während er sich auf einige Appetithäppchen beschränkt, kreieren manche Kollegen ein ganzes Menü daraus.

Dieter Müller war dabei ein Vorreiter in Deutschland. Schon 1996 führte der Drei-Sterne-Koch mittags ein Amuse-Bouche-Menü in seinem Gourmetrestaurant ein. Anregungen dafür kamen auch aus Spanien. Die spanischen Tapas sind oft rustikal. «Aber es gibt auch sehr innovative Ansätze. Ferran Adrià hat viel dafür getan.» Müller hat sie nach seinen Vorstellungen verfeinert. Statt fünf und mehr Geschmacksaromen auf einem Teller sollte bei ihm jeder der kleinen Happen ein Hochgenuss werden.

«Damals war Wolfgang Siebeck zu Gast», erzählt er. «Als ich ihm einen Teller mit drei kleinen Gerichten servierte, sagte er, dass er davon auch gut zehn bis zwölf essen könne.» Gesagt, getan. Müller brachte 19 Gänge auf den Tisch, und das neue Angebot wurde zum Magnet. Die Kreationen reichten von Exklusivem wie Champagner-Kutteln mit Pulpo und Blattsalatsoße bis zu Bodenständigem wie Himmel und Erde mit Geflügelblutwurst und Balsamicosoße. «Die kleinen Süppchen waren immer der Renner bei den Gästen», erinnert sich Müller.

Im von der Wirtschaftskrise gebeutelten Spanien erleben Tapas derzeit als leckere Alternative zum teuren Restaurant einen ungeahnten Aufschwung. Überall gehen Küchenchefs ans Werk und machen daraus kleine kulinarische Meisterwerke. Als der 34-jährige Santiago Muller nach Lehr- und Wanderjahren in der Luxushotellerie den Sprung in die Selbstständigkeit wagte, ging er gar nicht erst das Risiko eines Restaurants ein, sondern eröffnete 2011 im Herzen Madrids eine Tapas- und Wein-Bar. «Die Leute treffen sich heute lieber mit Freunden den ganzen Abend auf Tapas und eine Flasche guten Wein.» dpa

Gut genug für König und Papst: Violetter Knoblauch aus Spanien

Von Theo Peters

«Ganz Spanien riecht nach Knoblauch.» Mit dieser abfälligen Bemerkung hatte sich Ex-Posh-Spice Victoria Beckham bei den Spaniern nicht gerade beliebt gemacht. Denn die aromatische Gewürzpflanze ist die Grundlage der spanischen Küche. Und der Knoblauchgeruch ist in «ganz Spanien» bestimmt nicht vorherrschend.

Hätte die Frau des damaligen Real-Madrid-Fußballstars David Beckham während ihres Aufenthalts in Spanien zwischen 2003 und 2007 jedoch Las Pedroñeras besucht, wäre sie wohl postwendend per Privatjet nach London zurückgekehrt. Denn in der Umgebung dieser Ortschaft rund 160 Kilometer südöstlich von Madrid kann man den Knoblauch nach der Erntezeit im Sommer schon kilometerweit riechen.

Die gut 7000 Einwohner von Las Pedroñeras sind stolz auf den Namen, der dieser Ortschaft zuerkannt worden ist: «Welthauptstadt des Knoblauchs.» Das Städtchen verdankt den Namen nicht alleine der großen Menge Knoblauch, die dort angebaut wird, sondern vor allem dessen besonderer Qualität: Der dort unter idealen Klima- und Bodenverhältnissen angebaute violette Knoblauch («ajo morado») wird von Experten und Feinschmeckern als der weltweit beste gepriesen. Die Zehen mit ihren charakteristischen violetten Schalen haben einen starken Geruch und einen scharfen, anregenden Geschmack.

Spanien gehört zu den wichtigsten Knoblauchproduzenten weltweit. Dem Agrarministerium zufolge wurden 2011 rund 125 000 Tonnen geerntet, davon nur 400 Tonnen violetter Knoblauch aus Las Pedroñeras. Wegen der billigen Importe aus China, dem wichtigsten Anbauland der Welt, ist die Produktion in den vergangenen Jahren jedoch stetig zurückgegangen. Auch die Preise sind gefallen. Nach Angaben der Genossenschaft von Knoblauch-Bauern San Isidro kostet ein Kilo violetter Knoblauch den spanischen Konsumenten im Durchschnitt 3,80 Euro pro Kilo, 15 Prozent weniger als im Jahr 2010.

Dass Las Pedroñeras die «Welthauptstadt des Knoblauchs» genannt wird, erklärt, warum die Internationale Knoblauchmesse, seit 1973 immer dort stattfindet. Während des Patronatsfests des Städtchens Ende August wird die Person, die sich bei der Werbung für den violetten Knoblauch besonders verdient gemacht hat, mit dem Silbernen Knoblauch ausgezeichnet. Seit 1998 steht Las Pedroñeras im Guinness-Buch der Rekorde: Einem Handwerker war es damals gelungen, einen 70 Meter langen Knoblauchstrang zu flechten.

Der violette Knoblauch aus Las Pedroñeras und Umgebung trägt das EU-Qualitätszeichen «Geschützte Geographische Angabe». Die Knollen werden hauptsächlich an spanische Restaurants verkauft, ein Teil findet aber seinen Weg in alle Regionen der Welt. Das spanische Königshaus und der Vatikan gehören zu den prominentesten Kunden. Sie schätzten nicht nur die außerordentliche kulinarische Qualität dieser Knoblauchsorte, sondern auch ihre Wirkung auf die Gesundheit. Nach einer Studie der gastroenterologischen Abteilung des Madrider Krankenhauses Ramón y Cajal ist der Prozentsatz der Fälle von Magengeschwüren und Magenkrebs in Las Pedroñeras der niedrigste in ganz Spanien.

Die positive Wirkung von Knoblauch auf das Herz-Kreislaufsystem ist medizinisch unumstritten. Alle Forschungsergebnisse kommen zu dem Schluss, dass die Gewürzpflanze die Adern vor Verkalkung bewahrt, das Gehirn schützt und erhöhte Blutfettwerte senkt. Insbesondere der violette Knoblauch enthält unter anderen viel organisch gebundenen Schwefel, Jod, Kieselsäure und vor allem Allizin, das für den typischen Geschmack und Geruch des Knoblauchs verantwortlich ist.

In dem berühmten Restaurant «Las Rejas» («Die Gitter») in Las Pedroñeras, das zu den besten Speisegaststätten Spaniens gerechnet wird, geht es allerdings in erster Linie um die gastronomischen Qualitäten des violetten Knoblauchs. In dem mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurant, das auch regelmäßig von Mitgliedern des spanischen Königshauses besucht wird, dreht sich fast alles um den Knoblauch. Mindestpreis pro Menü sind 80 Euro.

Die prominenteste Spezialität ist eine in Kastilien traditionell von den armen Bevölkerungsschichten zubereitete Speise: kalte Knoblauchsuppe. Und zum Nachtisch gibt es sogar Knoblaucheis. Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Victoria Beckham würde wohl schon bei dem Gedanken schlecht. dpa