«Wir sollten den kompletten Preis nochmal bezahlen, was wir natürlich nicht getan haben», sagte ein deutscher Urlauber im Videointerview der «Mallorca Zeitung» auf dem Flughafen von Palma. Nur einen Tag nach der Ankunft in Cala Millor im Osten der Mittelmeerinsel reiste er mit Frau und Kind vorzeitig ab. Man habe die «Flucht ergriffen», auch weil es Gerüchte gegeben habe, dass «Condor bald nicht mehr fliegt». «Wir haben jetzt drei Mal 120 Euro (für die Heimreise) bezahlt, das ist natürlich superärgerlich», sagte er.
Ein Mann, der anonym bleiben wollte, sagte der «Mallorca Zeitung», er habe zähneknirschend 800 Euro bezahlt. «Das Wort Nötigung ist da zu harmlos, das ist Erpressung», schimpfte er. «Ob ich das Geld wiederbekomme, weiß ich nicht.»
Die Hoteliers hüllten sich vorwiegend in Schweigen. Die Regionalzeitung «Última Hora» zitierte einen Hoteldirektor, die Unterkunft kassiere von Thomas-Cook-Kunden Geld für alle Leistungen.
Die vom Veranstalter nicht bezahlten Rechnungen seien ein großes Problem für sehr viele Hotels, sagte FEHM-Präsidentin María Frontera.
Viele Betreiber überlegten, die saisonbedingte Schließung ihrer Häuser aufgrund des finanziellen Schadens und des erwarteten Ausbleibens von Touristen von Herbst oder Winter vorzuziehen, wurde Frontera von der Regionalzeitung «Diario de Mallorca» zitiert.
Frontera hatte zuvor gewarnt, die Zukunft vieler Unternehmen auf Mallorca sei «ernsthaft gefährdet». Hilfe des Staates werde auf jeden Fall nötig sein, damit diese Unternehmen überleben. Die Tourismusbranche der Insel wird allein wegen der von Thomas Cook nicht beglichenen Rechnungen nach Schätzungen mindestens 100 Millionen Euro verlieren.
Eine gute Nachricht gab es aber: Die von Großbritannien organisierte Rückholaktion der gestrandeten Touristen verlief auch am Donnerstag auf der Insel und in anderen Touristenzentren Spaniens ohne größere Probleme. Auf dem Flughafen von Palma herrschte weiterhin Normalität. dpa
Ende des Traumurlaubs in Thailand
Die ersten Tage in Khao Lak sind für Kevin H.und Chiara L. noch so, wie man sich einen Urlaub in Thailand vorstellt. Das Wasser der Andamanensee türkis, ein halber Kilometer feiner Sandstrand mit Palmen und dahinter ihr Fünf-Sterne-Hotel «The Haven», eine moderne Anlage mit großer Poollandschaft. Versprechen:
«Wir bieten Ihnen ein unvergessliches Urlaubserlebnis.» So ist das auch gekommen. Nur ganz anders als gedacht. Denn aus dem Traumurlaub wird für das Paar aus Oldenburg ein Alptraum. Wegen der Insolvenz des Reiseveranstalters Thomas Cook besteht das Hotel darauf, dass alle Thomas-Cook-Kunden ihre Rechnung nochmals bezahlen - und zwar persönlich und direkt vor Ort. Für Kevin H. (29) und Chiara L. (23) bedeutet dies, dass sie auf den längst überwiesenen Pauschalpreis von 3450 Euro nochmals 1600 Euro drauflegen müssen. Macht: 5050 Euro für zehn Tage Strand.
Fälle wie dieser häufen sich. Der Deutsche Reiseverband (DRV) kritisiert es als «völlig inakzeptabel», wenn Hotelgäste des insolventen Reiseveranstalters erneut zur Kasse gebeten werden. Der Verband erhalte vermehrt Kenntnis von Hotels, die in Urlaubsdestinationen Pauschalurlauber festhalten, die mit Thomas Cook Deutschland gebucht haben, teilt der DRV mit.
Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) kritisiert das Vorgehen mancher Hoteliers. «Das Ausnutzen einer Zwangslage, um den eigenen Schaden zu kompensieren, ist nach deutschem Recht strafbar», sagt vzbv-Tourismusexperte Felix Methmann. Das Problem: Während Fluggesellschaften von Reiseveranstaltern meist Vorkasse verlangen, werden Hotels in der Regel in größeren Abständen nach Erbringung der Leistung bezahlt. «Deshalb verlangen manche Hoteliers von Thomas-Cook-Gästen jetzt Geld, obwohl die Urlauber ihre Reise beim Veranstalter schon bezahlt haben.»
Die Insolvenzversicherung zahle indes nur, wenn der Kunde unter Druck gesetzt wurde. «Dazu gibt es höchstrichterliche Entscheidungen. Reisende, die freiwillig die Hotelrechnung bezahlen, haben keine Ansprüche», sagt Methmann.
Druck vom Hotel bekommen Chiara L. und Kevin H. allerdings zu spüren.
Zunächst finden die beiden auf dem Bett eine Nachricht der Direktion.
Dann fängt sie jemand beim Frühstück ab. «Der hat uns quasi die Pistole auf die Brust gesetzt», berichtet H.. «Wir müssten bezahlen.
Ansonsten könnten wir nicht auschecken, und er würde die Polizei anrufen.» Dann sind die Zimmerkarten gesperrt. «Wir fühlten uns festgesetzt und erpresst.»
Nach ein paar Telefonaten mit der Heimat und dem deutschen Konsulat in Phuket («Die Dame hat gesagt: «Wenn Sie das nicht machen, endet das nicht gut für sie.»») entscheidet sich H. schweren Herzens, mit seiner Kreditkarte zur Rezeption zu gehen. Dann dürfen die beiden auch wieder in ihr Zimmer. Seit Donnerstag sind sie zurück in Oldenburg. Vier andere Paare aus Deutschland - alles Kunden der deutschen Thomas Cook - sitzen aber immer noch im «The Haven».
Der Geschäftsmann Joachim M. (52), einer der Urlauber, berichtet von ähnlichen Erfahrungen. «Man hat mir quasi damit gedroht, dass wir unseren Flug verpassen. Und dann hätte ich ganz andere Probleme.» Bei M. und seiner Frau geht es um eine Summe von 1200 Euro. Sie wollen am Samstag zurück. Noch hoffen sie auf ein Schreiben der Versicherung.
Im Notfall wird der Geschäftsmann aus der Nähe von Ludwigshafen wohl aber auch zahlen. «Wenn ich alleine unterwegs wäre, würde ich das durchziehen. Aber mit meiner Frau...».
Das Hotel bestätigt, dass es bei Thomas-Cook-Kunden auf der Zahlung direkt vor Ort besteht. Front-Office-Manager James Nuimang sagt: «Wir haben von Thomas Cook zum letzten Mal im Juni Geld bekommen. Im Juli nichts und im August nichts. Weil die Firma pleite ist, müssen wir uns direkt an die Gäste wenden.» Richtlinie für den Fall, dass sich jemand weigert: «Wir werden die Gäste nicht auschecken lassen. Wir werden die Polizei rufen.»
Wie vielen deutschen Urlaubern es in Thailand ähnlich geht, weiß niemand genau. Anfang der Woche hieß es von Seiten des Unternehmens, es befänden sich 783 deutsche Thomas-Cook-Kunden im Land. Bei den deutschen Auslandsvertretungen - Botschaft und Konsulaten - meldeten sich weniger als 30 Betroffene.
Die Furcht vor solchen Hotelrechnungen beschränkt sich allerdings nicht nur auf das südostasiatische Land. In Bulgarien etwa hat Tourismusministerin Angelina Angelkowa die Hoteliers aufgerufen, trotz der Insolvenz von Thomas Cook die Kunden des Reiseunternehmens weiter zu versorgen. Andernfalls würde das Image des Schwarzmeerlands leiden, und die Touristen würden nicht wiederkommen. Denn auch bulgarische Hoteliers beschweren sich, dass sie zuletzt kein Geld von Thomas Cook erhalten hätten.
Urlauber, von denen Hoteliers Geld verlangen, sollten sich an den Reiseleiter und den Insolvenzversicherer Zurich wenden, rät Tourismusexperte Methmann. «Aufgabe des Versicherers ist es, voraus bezahlte Leistungen der Kunden abzusichern und die Kosten für gestrandete Urlauber zu übernehmen.»
Methmann bekräftigt die Kritik der Verbrauchschützer an der gesetzlichen Deckelung der Versicherungssumme auf 110 Millionen Euro pro Versicherer und Jahr. «Diese Summe bietet bei großen Insolvenzen keinen wirksamen Schutz.» Im Falle von Thomas Cook dürfte das Geld möglicherweise nicht für die Erstattung der Kunden-Ansprüche für Herbst und Winter gebuchte Pauschalreisen reichen. «Die Bundesregierung muss den Betrag anheben.» dpa