Topinambur aus Brandenburg

Von Stefan Adam

Brandenburgs Felder sind schon lange abgeerntet und kahl - nur der exotische Topinambur ist noch an seinen Stoppeln auf dem Acker erkennbar. «Wir verzeichnen gut entwickelte Bestände», sagt Landwirt Hans-Heinrich Grünhagen aus Wernikow (Ostprignitz-Ruppin). Der relativ milde Winter habe der Pflanze, die auch Erdbirne oder Rosskartoffel genannt wird, kaum Probleme gemacht. «Wir rechnen in dieser Saison mit 15 bis 20 Tonnen Ertrag pro Hektar.»

Mit 20 Hektar bestellt der 47-jährige Landwirt die größte Fläche in Brandenburg. Der Absatz der Pflanze, mit der etwa Sirup und Schnaps hergestellt werden, sei gesichert. «Im vergangenen Jahr blieben die Knollen in der Erde und mussten untergepflügt werden, da sich kein Abnehmer fand», erinnert sich Grünhagen. Das sei eben das Risiko beim Anbau der in Nordamerika verbreiteten indianischen Kulturpflanze. «Sie bleibt bei aller Vielfalt nur ein Nischenprodukt und ist stark von der Nachfrage abhängig.»

«Wir sind weiter auf der Suche nach neuen Absatzmärkten, um die Produktion wieder steigern zu können», sagt der Landwirt. Versuche, die enorme Biomasse der Pflanze als Brennstoff zu verwenden, hätten sich als ungeeignet erwiesen. Der Heizwert sei einfach zu gering. «Aussichtsreich gestaltet sich aber die Verwertung der oberirdischen Pflanzenteile.« So kaufen inzwischen zwei Haustierfutter-Hersteller die pelletierten Stengel auf, um sie als hochwertige Komponenten dem Futter beizumischen. Die Vermarktung läuft laut Grünhagen europaweit.

Die Ernte der Topinambur-Knollen beginnt gewöhnlich erst Ende Februar und kann bis Mitte April fortgesetzt werden. Grünhagen: «Geerntet wird gewissermaßen auf Zuruf des Verarbeiters, denn die Knollen sind sehr empfindlich und können höchstens zwei Wochen gelagert werden.» Sie seien besonders für leichte Böden und karge Standorte geeignet.

Um den Bekanntheitsgrad zu erhöhen, haben sich die Produzenten in dem Verein Europäische Gesellschaft zur Förderung der Topinambur-Pflanze zusammengeschlossen. «Wir wollen die Verbreitung des Anbaus fördern und vor allem die Forschung aktivieren», sagt der Vorstandsvorsitzende Johann Brunner. Es sei wenig effektiv, wenn jeder Kleinanbauer für sich experimentiere. Das koste nur Geld und sei wenig sinnvoll. Deutschlandweit bewirtschaften rund 100 Landwirte eine Fläche von rund 800 Hektar. Topinambur ist vor allem in Baden durch die dortige Schnapsproduktion bekannt. Dort wächst die Pflanze auf gut 400 Hektar.

Auf die Verarbeitung der Knollen hat sich die Wildfrucht-Verarbeitung Lienig in Dabendorf (Teltow-Fläming) spezialisiert. «In den vergangenen Jahren haben wir jährlich bis zu 700 Tonnen Topinambur-Produkte hergestellt und sind dabei, dies weiter auszubauen», sagt Geschäftsführer Frank Lienig. Eine Verarbeitung von täglich 100 Tonnen wäre jederzeit möglich, hänge allerdings von der Nachfrage ab. «Wir legen vor allem Wert auf biozertifizierte Anbauflächen, um den Ansprüchen bei Verbrauchern gerecht zu werden.»

«Überall dort, wo Stärke oder Glucose unverträglich ist oder eingespart werden soll, bietet sich Topinambur als Alternative an», erläutert Lienig. Die Knollen enthalten nicht Stärke oder Zucker als Speicherstoff, sondern viel natürliches Insulin. Das ist ein löslicher Ballaststoff, der dem Körper nur ein Viertel der Energie vergleichbarer Kohlenhydrate zuführt und diese in Fruchtzucker und Traubenzucker umwandelt. dpa