Tourismus Zehnter Übernachtungsrekord in Folge

Von Christian Ebner und Alexia Angelopoulou

An den Küsten hat sich die Saison verlängert, und kulturell geprägte Städte-Trips liegen voll im Trend: Der Deutschland-Tourismus hat auch im vergangenen Jahr zugelegt. Doch die Geschäfte könnten vielerorts noch besser laufen, wenn mehr Personal zu finden wäre, klagt der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga - und will zumindest für die vorhandene Mannschaft mehr Flexibilität. Die Gewerkschaft NGG aber warnt vor längeren Arbeitszeiten.

Für Touristen und Geschäftsreisende aus dem In- und Ausland bleibt Deutschland ein attraktives Reiseziel. Im vergangenen Jahr wurden mit 495,6 Millionen Übernachtungen so viele gezählt wie nie zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden berichtete. Es war der zehnte Übernachtungsrekord in Folge. Genau genommen steigen die Zahlen bereits seit 2003 kontinuierlich, jedoch nur einmal unterbrochen im Wirtschaftskrisenjahr 2009.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) rechnet auch im laufenden Jahr mit einer Umsatzsteigerung von bis zu 2,5 Prozent. Die Stimmung in der Branche werde jedoch gedämpft durch Fachkräftemangel, steigende Betriebskosten und die zunehmende Bürokratie, klagt Präsident Guido Zöllick. Neben einem konsequenten Bürokratieabbau und abgesenkter Mehrwertsteuer aufs Essen gehört daher eine Reform des Arbeitszeitgesetzes zu den wichtigsten Forderungen der Branche.

An Nord- und Ostsee haben im vergangenen Sommer schon manche Wirte und Hoteliers aus Personalmangel auf Geschäft verzichten müssen. Zusätzliche Ruhetage sind beispielsweise auf Sylt und Langeoog in vielen Betrieben notwendig, um mit der vorhandenen Mannschaft über die Runden zu kommen, wie die örtlichen Dehoga-Verbände berichten. Auf den vollen Inseln kommt die Unterbringung der Saisonkräfte als zusätzliches Problem und Kostenfaktor hinzu.

«Gut ausgebildetes und gleichzeitig bezahlbares Personal ist kaum noch zu finden», bestätigt Marcel Jetter, Inhaber des österreichischen Restaurants «Kaiser und Schmarrn» in der Stuttgarter Innenstadt. Er vergleicht die Situation mit Österreich, wo das Personal rund 15 Prozent mehr verdiene. Dazu aber müsse er die Preise der Speisen erhöhen, was wiederum der Gast nicht goutiere. Resultat: Er und seine Frau arbeiten sehr viel mehr als ursprünglich geplant, um das Restaurant wie gewünscht am Laufen zu halten.

«Wir brauchen an dieser Stelle mehr Ehrlichkeit von allen Seiten», sagt Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges. «Es geht uns nicht um Mehrarbeit für die Beschäftigten, sondern darum, dass flexibel darauf reagiert werden kann, wenn mehr Arbeit anfällt. Natürlich muss das dann später ausgeglichen werden.» Anweisungen zu überlangen Arbeitstagen von oben herab seien sicher nicht die Zukunft. «Es hat niemand etwas von ausgepowerten Mitarbeitern. Dann leidet schließlich auch die Gastfreundschaft.»

Die Gewerkschaft NGG warnt vor einer Ausweitung der Arbeitszeiten. «Die rund 1,7 Millionen Beschäftigten der Branche arbeiten längst an der Belastungsgrenze. Wer jetzt nach längeren Arbeitszeiten ruft, setzt die Gesundheit derer aufs Spiel, die den Zehn-Jahres-Boom erwirtschaftet haben», erklärt der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler in Berlin. Die Dehoga-Forderungen gingen «völlig an der Realität vorbei» und verschreckten dringend benötigte Fachkräfte.

Die Steigerung der Übernachtungszahlen im Vergleich zu 2018 betrug 3,7 Prozent, wobei sie bei Gästen aus dem Inland (+3,9 Prozent) etwas stärker zulegte als bei den Ausländern (+2,5 Prozent). Wie sehr der Deutschland-Tourismus an Attraktivität gewonnen hat, zeigt der Blick auf den Zehnjahresvergleich noch deutlicher: Seit 2009 ist die Zahl der Gästeübernachtungen um mehr als ein Drittel gestiegen. In dieser Zeitspanne legten die Zahlen der Ausländer (+64 Prozent) deutlich stärker zu als bei den Gästen aus dem Inland (+29,3 Prozent).

Die für das Marketing im Ausland zuständige Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) feierte die 89,9 Millionen Übernachtungen von Ausländern als eigenen Erfolg. Man habe die richtigen Themen gesetzt, die Digitalstrategie konsequent umgesetzt und Deutschland als Qualitätsdestination platziert, heißt es in Frankfurt. Nach Zahlen der europäischen Statistikbehörde aus dem Jahr 2018 liegt Deutschland auf dem Kontinent auf Platz vier hinter Spanien, Italien und Frankreich. dpa