Tourismusverband Oberbayern insolvent

Die Insolvenz des Tourismusverbandes München-Oberbayern ist beschlossene Sache. Interims-Geschäftsführer Stephan Götschel trat am Dienstag den Gang zum Münchner Insolvenzgericht an. «Die Mitglieder waren nicht bereit, eine weitere Finanzierungsbrücke bereitzustellen», sagte der Rechtsanwalt zur Begründung. Der Schritt war am Montag bei einer Mitgliederversammlung und einer anschließenden Vorstandssitzung beschlossen worden.

Der größte deutsche Tourismusverband hatte jahrelang EU-Förderbestimmungen verletzt. So wurden Rechnungen für Leistungen eingereicht, die noch gar nicht erbracht waren. Nach Bekanntwerden der Verstöße drehte das Wirtschaftsministerium in München im Sommer den Geldhahn zu und ordnete eine hundertprozentige Überprüfung des Verbandes an. Womöglich kommen Rückforderungen der EU im sechsstelligen Euro-Bereich auf den Verband zu. Die Justiz ermittelt wegen Subventionsbetrugs.

Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) sieht die Insolvenz indessen als Chance für die Tourismusregion Oberbayern. Es handle sich dabei um ein «touristisches Premiumprodukt, das seit Jahren beeindruckende Wachstumszahlen aufweist und 2012 auf ein Rekordergebnis zusteuert». Zeil äußerte sich zuversichtlich, dass der Neuanfang gelingen wird. «Sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, werden wir das Tourismusmarketing für Oberbayern auch weiterhin unterstützen.»

Der Schlüssel zu einem tragfähigen Zukunftskonzept liegt nach Zeils Überzeugung bei den Gemeinden, Landkreisen und den übrigen bisherigen Mitgliedern des Tourismusverbands. Der Minister bekräftigte, dass die Bayern Tourismus Marketing GmbH im kommenden Jahr die Präsentation der oberbayerischen Feriengebiete bei den vier wichtigsten deutschen Branchentreffen in Stuttgart, Hamburg, München und Berlin übernehmen werde.

Die Verbandsmitglieder hatten bei der Zusammenkunft am Montag unmissverständlich klargemacht, dass sie keinen Cent mehr in die Vereinskasse zahlen wollten. Mitglieder sind im Wesentlichen alle Ferienregionen in Oberbayern, auch die Landeshauptstadt München und Organisationen wie der Hotel- und Gaststättenverband.

Die Landtags-Grünen werfen der Staatsregierung vor, den wiederholten Missbrauch von Fördergeldern auch in anderen Organisationen nicht verhindert zu haben. Außerdem halten sie dem Verbandsvorsitzenden Christoph Hillenbrand, der zugleich Regierungspräsident von Oberbayern ist, Interessenkollision vor. Die Bezirksregierung prüft das Geschäftsgebaren des Verbandes. Grünen-Fraktionschef Martin Runge stellte bereits die Frage, ob Hillenbrand im Amt des Regierungspräsidenten noch zu halten ist.

Bei einer Pressekonferenz wollten Verbandschef Hillenbrand und Götschel über die Insolvenz und die Folgen für die Tourismusbranche in Oberbayern informieren. Es gibt bereits Anzeichen für die Gründung einer neuen Organisation, die sich auf Kernaufgaben wie die Werbung auf Messen konzentriert. Hillenbrand dürfe dort allerdings nicht mehr das Sagen haben. Dies haben einzelne Mitglieder bereits als Forderung für eine Neugründung erhoben.

Der nun insolvente größte touristische Verband Deutschlands bündelte die Interessen von mehr als 300 Mitgliedern und verzeichnete jährlich 30 Millionen Übernachtungen. Der Jahresetat von fast drei Millionen Euro wurde nur zu etwa 500 000 Euro aus Mitgliedsbeiträgen finanziert, der Löwenanteil kam vom Freistaat und aus Fördermitteln der EU. dpa