Von Patrick Reichardt
Stefan Möllmer hatte es sich schon als kleiner Junge genau vorgestellt. "Welcher Junge träumt nicht davon, einmal seine eigene Kneipe aufzumachen?", fragt der gelernte Tischler an einem herrlich warmen Frühlingstag am Bierzelttisch seines eigenen Lokals. Der 45-Jährige ist seit eineinhalb Jahren Mitbesitzer einer Gaststätte im Frankfurter Stadtteil Eschersheim - und hat seinen Jugendtraum wahr gemacht. "Das ist reizvoll, es hat etwas Inspirierendes", sagt Möllmer über sein Darsein als Wirt.
Im Mai beginnt für ihn und seine Geschäftspartnerin, Andrea Parrandier, die Hochsaison. Der Biergarten öffnet, die Leute strömen, je nach Wetter, in Scharen ins Freie, an die Biergläser und an die Brotzeitteller. "Es kommt jede soziale Schicht. Da gibt es keine spezielle Zielgruppe, das macht es einem als Wirt manchmal einfach", sagt Möllmer. Die Gastronomie, das sei so ein "kleines Sammelbecken", sowohl bei Gästen als auch bei Mitarbeitern und Angestellten.
450 Gäste finden in dem Außengarten in Eschersheim Platz. Geöffnet wird er, sobald das Wetter gut ist. Eine Genehmigung haben die Wirte für das ganze Jahr. Oftmals nähmen die Gäste den Biergartenbesuch bei schönem Wetter als Auftakt in den Abend. "Wir können die Nachtschwärmer da oft nicht halten. Wenn sie bei uns gehen, fängt oft der Abend erst an", erzählt Parrandier. Die 54-Jährige ist seit sechs Jahren Mitbesitzerin.
Kennengelernt haben sich die beiden aber über einen anderen Job, den beide noch immer ausüben. Möllmer ist Hausmeister an einer theologischen Hochschule, Parrandier arbeitet dort in der Verwaltung. Nach Feierabend betreiben sie ihre Gastronomie. Mit dem Ziel, irgendwann davon leben zu können. "Wir investieren derzeit etwa 100 Stunden Arbeitszeit pro Woche. Momentan gibt es keine Freizeit, da muss man durch", sagt Möllmer. Die Umgestaltung des lange Zeit unveränderten Gasthauses nennt er "einen Geschäftsaufbau im laufenden Betrieb". Für machbar hält er das nur mit "einer riesigen Leidenschaft". Losgehen kann es schließlich immer erst abends, wenn der andere Job erledigt ist.
Konzerte oder größere Events sind in den meisten Biergärten eher die Ausnahme als die Regel. "Wir brauchen das Wetter, keine Veranstaltungen", sagt Möllmer. Dadurch, dass viele Bier- und Außengärten in Wohnsiedlungen liegen, sei dies auch mit den Nachbarn schwer vereinbar. Der klassische Biergarten-Gast ist aber ohnehin nicht auf Halligalli aus, wie Parrandier verrät: "Die meisten wollen einfach zusammensitzen, etwas trinken und draußen sein."
Ausnahmen gibt es natürlich, bei Fußball-WM und -EM zum Beispiel. Das Pokalfinale von Eintracht Frankfurt gegen Borussia Dortmund soll ebenfalls auf Großbildleinwand gezeigt werden. Auch Junggesellenabschiede finden regelmäßig statt - trotz großer Alkohol-Mengen, schriller Verkleidungen und besonderer Aktionen gebe es dabei keine Probleme, sagt Parrandier.
Der Mai und der Juni gelten als die besten Monate in den Biergärten. Nach einem langen Winter wollen die Menschen zurück in die freie Natur, in den eigentlichen Hochsommermonaten Juli und August gibt es mit Festivals und Straßenfesten spürbar mehr Konkurrenz. "Auch die Sommerferien merkt man deutlich", sagt Möllmer.
Ihm fällt auf, dass sich der Trend ein Stück weit vom Bier entfernt. Stattdessen fordern die Gäste mehr nach Mixgetränken - Hugo oder Aperol Spritz zum Beispiel. Der Anteil von alkoholfreiem Weizenbier im Vergleich zu normalem Weizenbier sei enorm gestiegen. "Die beiden sind anteilig fast gleich. Das ist interessant und neu für uns", sagte der Gastwirt.
Dass Bier in Biergärten nicht immer der Renner ist, hat auch Helmut Böhm festgestellt. Er ist seit 27 Jahren an einer Gaststätte in Sachsenhausen beteiligt und erklärt: "Der Bier-Anteil wächst nicht mehr bei uns, stattdessen greifen auch junge Menschen wieder verstärkt zum Apfelwein." Wie Möllmer und Parrandier betreibt auch er die Gastronomie aus Leidenschaft. Events seien verzichtbar, sagt er, im Sommer ist sein Biergarten auch sonst "knallvoll, sobald das Wetter passt". Das Pokalfinale der Eintracht wird Böhm nicht im Biergarten übertragen. Er wird es sich stattdessen live in Berlin ansehen. dpa
Mehr: Beste Craft Biere
Regeln, Kontrollen und Lautstärke: Darauf müssen Biergärten achten
Für die Gäste heißt Biergartenzeit ein Frischgezapftes im Freien zu genießen. Für die Wirte ist das Geschäft mit der Außengastronomie mit vielen Behördenauflagen verbunden. Fragen und Antworten zum Start in die Saison.
Welche Probleme bringen Bier- und Außengärten mit sich?
Das größte Problem in den hessischen Städten sind Beschwerden von Anwohnern über zu viel Lärm. Die meisten Biergärten haben deswegen ihre Betriebszeit begrenzt - vor allem, wenn sie in Wohngebieten liegen. Mehrere Städte klagen darüber, dass Wirte die vorgegebenen Flächen für die Außenbewirtung nicht einhalten und unter anderem Wege für Fußgänger mit Stühlen zustellen. Auch prangern die Städte mangelhafte Reinigung der Flächen, Sonnenschirme mit unerlaubten Werbeaufdrucken und übermäßige Begrünung an.
Wie häufig werden Verstöße kontrolliert und wer ist damit beauftragt?
Aus Sicht der Gastronomen sind die Kontrollen in den vergangenen Jahren wesentlich schärfer geworden. Der Frankfurter Wirt Helmut Böhm sieht eine "zunehmende Bürokratisierung" des Biergartenwesens, Gaststätten werden öfter auf Sauberkeit, Einhaltung des Mindestlohns und der gesetzlichen Vorgaben geprüft. Auch sogenannte Vollkontrollen häuften sich, sagt der 60-Jährige.
Die Städte können frei entschieden, wie sie die Außengärten überprüfen. In Frankfurt ist das Ordnungsamt beauftragt, in Wiesbaden kümmern sich die zuständigen Sachbearbeiter, die Stadtpolizei sowie der Gewerbeaußendienst. Darmstadt setzt Mitarbeiter des Bürger- und Ordnungsamtes ein. Der Außendienst der Ordnungsabteilung sowie die Ordnungspolizei kontrollieren in Fulda - sowohl unter der Woche als auch am Wochenende, wie die Stadt erklärte.
Was kostet die Sondernutzung eines Biergartens?
Auch da kann jede Stadt ihre eigenen Regeln aufstellen. Frankfurt berechnet seinen Gastronomen jährlich 24 Euro pro Quadratmeter an historischen Plätzen in der Innenstadt, an allen weiteren Orten 15 Euro. Die Stadt Offenbach staffelt die Gebühren monatsweise. Von April bis September kostet der Quadratmeter pro Monat 2,50 Euro, von Oktober bis März nur einen Euro. Darmstadt verlangt monatlich 15 Euro und nur in "besonders schlechten Lagen" 10 Euro. Kassel hat den monatlichen Satz für seine Biergarten-Wirte auf 3 Euro festgelegt.
Biergarten ist nicht gleich Biergarten - welche Unterschiede gibt es?
Die Stadt Frankfurt am Main unterscheidet in ihrem "Leitfaden zur Beantragung und zum Betreiben von Wirtschafts- und Sommergärten" zwischen vier verschiedenen Arten: Wirtschaftsgärten, Sommergärten, Gastronomie auf öffentlichen Grünflächen sowie Märkte und öffentliche Veranstaltungen. Ein Wirtschaftsgarten befindet sich der Definition nach auf öffentlichem Grund und ist baugenehmigungspflichtig. Ein Sommergarten hingegen wird auf öffentlicher Verkehrsfläche eingerichtet und ist erlaubnispflichtig. Wer einen Sommergarten betreiben will, erhält nur eine befristete Genehmigung, die er immer wieder verlängern lassen muss.