Von Philipp Laage
Christoph Hoffmann ist nicht bescheiden, wenn er die Vision hinter seinen 25hours-Hotels beschreibt: "Wir wollen die guten Tugenden der alten Hotellerie neu definieren", sagt er. "Wir wollen keine standardisierten Häuser, wir wollen jedes Mal eine Welt neu erfinden." Das ist der Anspruch des Mitgründers für seine - Hotelkette? Genau das eigentlich nicht. Sieben 25hours-Hotels gibt es, in Wien, Zürich, Frankfurt, Hamburg und Berlin. Und alle sollen so individuell sein wie die Stadt, in der sie stehen.
"Viele gehen in ein Hotel, und es reicht ihnen nicht, dass sie dort ein Bett haben", hat Hoffmann beobachtet. "Das Motto ist eher: "Sage mir, wo du schläfst, und ich sage dir, wer du bist"." Das Hotel als Ausdruck der Identität oder zumindest des guten Geschmacks? Vielleicht. Aber mehr noch wollen Lifestyle-Hotels einen Ort schaffen, wo Gäste und Einheimische zusammenkommen. Im Idealfall also: einen echt hippen Hotspot.
Das 25hours-Haus in Wien zum Beispiel hat einen ausgebauten Dachboden mit Bar und Terrasse. In Berlin gibt es im Hotel die "Monkey Bar" mit Blick auf den Zoo. Ansprechen soll das szenebewusste Menschen. "Der Prototyp unter unseren Gästen ist der hedonistische Kreativarbeiter", erklärt Hoffmann. "Er arbeitet tagsüber per Laptop in der Lobby, abends will er in eine angesagte Bar."
Nach Ansicht Hoffmanns verändert sich der Hotelmarkt gerade: "In jeder Stadt gibt es mehr individuell geprägte Hotels, die eine Konkurrenz zu den großen Ketten darstellen." Man kann die Geschichte dahinter auch so erzählen: Früher ging es für ein Hotel darum, einen Schutzraum in einer fremden Stadt zu bieten, also etwas drastisch formuliert: um Abschottung. "Am Ende des Tages landete man in New York oder München in den großen Häusern", sagt Hoffmann. Sheraton, Interconti, Hilton, Marriott - man tritt ein und lässt die Stadt hinter sich. Heute geht es eher um Durchlässigkeit: das Hotel als Erweiterung und Ausdruck der Stadt, in der man sich befindet.
Mit wem misst sich 25hours? "Mit den lokalen Playern", antwortet Christoph Hoffmann. In München sind das zum Beispiel das Louis und das Cortiina der Gastro-Größe Rudolf Kull und seines Kollegen Albert Weinzierl. Hotels mit Persönlichkeit, stadtbekannt. Auch die Ace Hotels und die Häuser von Mama Shelter oder CitizenM zum Beispiel setzen auf Individualität und lokale Bezüge.
Der inflationär bemühte Begriff Boutique-Hotel als Klammer ist wenig sinnvoll. "Da versteht jeder was anderes drunter", sagt Tobias Warnecke. Er ist Referent im Bereich Marktforschung beim Hotelverband Deutschland (IHA) und weiß, dass es keine eindeutigen Abgrenzungen zwischen Hotels gibt. Die 25Hours-Häuser ordnet er am ehesten der Kategorie Themenhotel zu, das passende Schlagwort dazu lautet Lifestyle. Aber was meint das genau?
Schickes Design und interessante Architektur, das sind zwei Faktoren, die Warnecke nennt. Ein Kennzeichnen der betont individuellen Hotels ist die große Lobby mit Wohnzimmer-Atmosphäre. "Ein Ort, wo es leicht ist, ins Gespräch zu kommen, weg von diesen großen Hotelhallen." Anonymität ist eher nicht gewollt, auch kein Einheitslook. Der Kunde soll erkennen: Bin ich in Berlin oder London? "In diese Richtung gehen die neuen Konzepte in der Stadthotellerie", sagt der Experte. "Die Vernetzung mit der Umgebung spielt eine große Rolle. Es ist durchaus gewünscht, dass man sich die lokale Bevölkerung mit ins Boot holt", sagt Warnecke.
Der Fokus auf Lifestyle im weitesten Sinn ist natürlich keine brandneue Idee. Sie prägt auch die großen Ketten schon länger. Ibis hat mit "Ibis Styles" eine eigene Designmarke, Marriott die "Edition"-Häuser und Hilton die "Curio"-Reihe. Ein großer Impuls ging auch von der Budget-Kette Motel One aus, der nachgesagt wird, mit Design-Hotels zu erschwinglichen Preisen "die Hotellerie revolutioniert zu haben", wie es das touristische Fachmagazin "fvw" kürzlich formulierte. Zumindest eine "Schnittmenge" mit den eigenen Häusern sieht denn auch 25hours-Geschäftsführer Christoph Hoffmann.
Dass der Hotelmarkt vielfältiger und damit interessanter wird, wissen auch die Reiseveranstalter. "Nichts ist schlimmer als langweilige Hotellerie. Jeder versucht sich gerade zu positionieren", sagt Frank Götze, der bei Dertour den Bereich Kurzreisen leitet. Auch er sieht einen Trend zu mehr Lokalkolorit: "Regionale Bezüge werden heute stärker umgesetzt." Stichwort Gastronomie: "Früher ist man ungerne ins Hotelrestaurant gegangen. Heute gibt es schöne Bars und Restaurants, wo Touristen und Einheimische zusammenkommen."
Das Hotel als "Schlüssel zur Stadt", auch diese Idee sei allerdings nicht ganz neu, weiß der Städtereisen-Experte. Er verweist für Berlin zum Beispiel auf die "Marlene Bar" im Interconti oder die "New York Bar" im Sheraton, auf Orte also, wie schon lange Zeit beliebte Treffpunkte und Schaufenster für das urbane Nachtleben sind.
Wer genau die Zielgruppe solcher Häuser sei, lasse sich nicht genau erheben, erklärt Götze. "Es sind aber die, die im Zweifel auch mal 3,70 Euro mehr für ein Zimmer ausgeben." Und auf den Gesamtmarkt hochgerechnet ist es auf jeden Fall eine Nische. Letztlich sei es nämlich doch die Kettenhotellerie gewesen, die Städtereisen so attraktiv gemacht hätte. Preis schlägt Style.
Erfinden Konzepthotels also die Hotellerie neu, wie Hoffmann behauptet? Eher sind sie eine Ergänzung auf einem Markt, der zunehmend unübersichtlich wird. Und sie sind ein Aushängeschild für Leute, die jeden Teil ihres Alltags als Baustein ihrer Identität verstehen. Die gleichzeitig Tourist und Geschäftsreisende sind, so wie sich Hoffmann gleichzeitig als Geschäftsmann und Enthusiast versteht. "Wir gehen dahin, wo wir Freude haben", sagt er über die Entwicklung neuer Häuser. "Wir würden gerade kein Hotel in Moskau machen." dpa