Trocken gereiftes Fleisch - dry aged Beef!

Von Monika Hillemacher

An das Beste vom Besten heranzukommen, kostet Überwindung. Der Anblick von dicker Schimmelschicht und schwarzem, hartem Rinderrücken wirkt wenig appetitanregend. Doch darunter steckt ein Genuss, der unter Kennern als das Geschmackserlebnis schlechthin gilt: ein an der Luft gealtertes Stück Steak. Dry-aged-Fleisch ist in der Gourmetszene in.

Ohne Reifung wäre Rindfleisch zäh wie Leder. Für die moderne Massenproduktion reifen die Stücke im Vakuumbeutel. Das geht schnell und einfach, zum Beispiel im Kühlfrachter auf dem Weg von Übersee nach Deutschland. Weitere Vorteile sind dem bundeseigenen Max-Rubner-Institut für Sicherheit und Qualität bei Fleisch zufolge: geringer Bedarf an Lager- und Transportkapazitäten, Vermeidung von Austrocknung und damit Gewichtsverlust. Das wirkt sich günstig auf die Preise im Supermarkt aus.

Der Nachteil: Weil das Fleisch im eigenen Saft liegt, leidet der Geschmack. Es schmecke säuerlich, stellten die Forscher fest. Ursache sind biochemische Vorgänge.

Dry Aging verspricht dagegen das ursprüngliche Geschmackserlebnis. Das Verfahren ist im Grunde genommen nichts anderes als die Wiederentdeckung des traditionellen Reifeprozesses. «Früher wurden ein, zwei Rinder in der Woche geschlachtet. Das vordere Viertel wurde frisch für Suppen- und Hackfleisch verarbeitet. Das hintere für Roastbeef und Keule gedachte Teil ließ man bis zum Verkauf hängen», sagt Bernd Willmes, Fleischermeister in dritter Generation in Schmallenberg (Sauerland). Manchmal blieb das Fleisch bis zu vier Wochen am Haken. «Gut abgehangen» - das garantierte mürbes, kaubares, aromatisches Gargut.

Das Geheimnis liegt in den Abläufen. Das Fleisch wird unverpackt am Knochen bei Temperaturen um null Grad, einer Luftfeuchtigkeit um 75 Prozent und unter stetiger Belüftung gelagert. Das Wasser wird entzogen, Enzyme können in Ruhe arbeiten, Aromen entwickeln sich besser. So gealtertes Fleisch besitze einen intensiveren Eigengeschmack als unter Vakuum gereiftes, erläutert Willmes.

Die Idee, Steakfleisch wieder auf die hergebrachte Weise zu reifen und als Delikatesse anzupreisen, kommt aus den USA. In Deutschland bieten vor allem die gehobene Gastronomie oder kulinarisch engagierte Metzgerbetriebe wie der von Willmes Dry-aged-Fleisch an. Willmes hat für die aufwendige Prozedur ein eigenes Kühlhaus gebaut, 80 Prozent seiner Abnehmer sind Restaurants.

Spitzenköche fasziniert das Aroma. «Das Besondere an Dry-aged-Beef ist, dass es sehr vielschichtig, nussig und rund schmeckt. Daher ziehe ich sehr gerne einen Vergleich zu fassgelagertem Rotwein», sagt Hendrik Maas, Chefkoch des Steakrestaurants «(m)eatry» in Hamburg. Er gehörte zu den Ersten, die das Steakfleisch in Deutschland auf die Karte setzten. Maas lernte es in New York kennen. Zurück in Hamburg stellte er eine Reifezelle direkt ins Restaurant.

In Berlin haben sich beispielsweise der Grill Royal, das Filetstück (im Foto Chefkoch Sascha Ludwig), der Brooklyn Beef Club und das The Grand auf dry-aged beef spezialisiert.

Privatleute halten sich bei Preisunterschieden von bis 20 Euro pro Kilogramm und mehr im Vergleich zu herkömmlichem Roastbeef beim Kauf noch zurück. Metzger lassen sich nicht nur den Gewichtsverlust von etwa 25 Prozent teuer bezahlen, der beim Altern des Fleisches entsteht, sondern auch das großzügige Wegschneiden der vergammelten Schichten. Ein Kilogramm Filet kostet um die 90 Euro, Roastbeef um die 70 Euro pro Kilogramm. Wen das nicht abhält, der fragt beim Metzger nach oder ordert bei spezialisierten Onlineanbietern.

Dry-aged-Steaks werden im Prinzip genauso zubereitet wie herkömmliche: in heißem Fett in der Pfanne braten oder grillen, dann ruhen lassen. «Ich habe in jeder Garstufe butterzartes Fleisch. Egal ob englisch, medium oder well done», sagt Joachim Elflein, Chefkoch des «Seehotels» in Niedernberg bei Aschaffenburg. Er würzt vorher mit etwas Salz, danach mit schwarzem Pfeffer.

Auf anderes verzichtet er, damit der Eigengeschmack des Fleischs wirken kann: «Eine gute Bratwurst isst man auch ohne Senf.» Als Beilage serviert er wie Maas am liebsten frischen Salat, auf Wunsch auch hauchdünne Pommes frites (Pommes allumetes), Soße oder Butter. Den höheren Preis nehmen die Köche auch in Kauf, weil trocken gereiftes Steak beim Braten kaum schrumpft. Außerdem macht es in der Vorbereitung wenig Arbeit.

Im Internet gibt es Zubehör, um Fleisch zu Hause reifen zu lassen: dünne Reifebeutel aus Plastik, die Wasser hinaus und Luft rein lassen sowie Vakuumiergeräte, die professionellen Ansprüchen genügen sollten. Als Fleisch empfehlen Experten Rib-Eye oder T-Bone. Wichtig ist eine gute Marmorierung. Gut verpackt kommt das Fleisch für ungefähr vier Wochen bei etwa drei Grad in den Kühlschrank.

Hendrik Maas betrachtet hausgemachtes Dry-aged-Fleisch aber skeptisch. Vor allem sei es schwierig, ohne großen technischen Aufwand alle klimatischen Parameter gleichermaßen unter Kontrolle zu bringen, warnt er. dpa