Weil das Unternehmen im dritten Geschäftsquartal von April bis Juni fast alle Urlaubsangebote absagen musste, verlor es unterm Strich rund 1,4 Milliarden Euro. Dies teilte Tui am Donnerstag in Hannover mit. Ein Jahr zuvor hatten noch knapp 23 Millionen Euro Gewinn in der Zwischenbilanz gestanden. Der Umsatz sackte nun um 98,5 Prozent auf 72 Millionen Euro ab, so dass das Geld für die Deckung der Betriebskosten nicht ausreichte.
Vorstandschef Fritz Joussen hofft, den Abfluss stoppen zu können. Dazu braucht Tui möglichst viele Urlauber. Seit der Wiederaufnahme der Reisen zeige sich ein positiver Trend: Es seien 1,7 Millionen Neubuchungen eingegangen. Ab Mitte Juni starteten die Hannoveraner wieder den Betrieb in einigen Ferienregionen - im Juli seien dann innerhalb Europas mehr als 500 000 Kunden mit Tui verreist. Die Balearen seien ebenso ein beliebtes Ziel wie die griechischen Inseln. Für Urlaubsgebiete außerhalb der EU bestehen - abgesehen etwa von der türkischen Mittelmeerküste - allerdings nach wie vor Reisewarnungen.
Um die Krise zu überstehen, hat sich Tui Staatshilfen im Umfang von drei Milliarden Euro gesichert. Ein im April gewährter Kredit der Förderbank KfW über 1,8 Milliarden Euro soll um 1,05 Milliarden Euro aufgestockt werden. Überdies sollen 150 Millionen Euro über eine Wandelanleihe an Tui gehen, die der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) des Bundes zeichnet. Solche Anleihen können vom Besitzer unter bestimmten Bedingungen in Aktien umgetauscht werden.
So könnte der Bund mit bis zu neun Prozent bei Tui als Miteigentümer einsteigen. Damit könnte sich der Staat - nach der Lufthansa - an noch einem großen Konzern beteiligen. Joussen sieht das aufgestockte Darlehen vor allem als Vorsorgemaßnahme für den Fall, dass die Nachfrage nicht spätestens ab Herbst anzieht. Bis Ende September müssen die formalen Konditionen für die Hilfe erfüllt sein.
Die Touristikbranche gehört zu den am schwersten von der Pandemie gebeutelten Wirtschaftszweigen. Tui hat Einsparungen angeschoben, die von Betriebsräten und Gewerkschaftern heftig kritisiert werden. So stößt die geplante drastische Verkleinerung der eigenen Flotte Tuifly auf heftigen Widerstand in der Belegschaft. Bisher sollen im Konzern 8000 Jobs abgebaut werden, vor allem im Ausland. Die allgemeinen Kosten sollen pro Jahr um über 300 Millionen Euro sinken.
Durch die bisherigen Schritte habe man die finanziellen Corona-Folgen eindämmen können, erklärte Tui. So habe der bereinigte Verlust vor Zinsen und Steuern in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres zwar bei 2 Milliarden Euro gelegen - rechne man den Faktor Viruskrise heraus, betrage das Minus aber nur rund 100 Millionen Euro, was einer Verbesserung gegenüber dem Vorjahr entspreche. Im Winter ist das Geschäft der Reiseanbieter traditionell schwach, sie verdienen ihr Geld in regulären Jahren in erster Linie im Sommer. Netto lag der Fehlbetrag vom Oktober 2019 bis zum Juni 2020 bei Tui bei rund 2,3 Milliarden Euro - etwa das Siebenfache des Vorjahreswerts.
Auch wichtige Investitionen wurden zuletzt gekappt. Ausgenommen ist der Umbau in Richtung Digitalisierung. Tui will im Vertrieb stärker über Plattformen und einen einheitlichen Markenauftritt arbeiten. Die Kunden sollen außerdem eine zentrale Service-App nutzen können.
Joussen setzt auf eine baldige Stabilisierung der Corona-Lage. Die Zeichen stünden derzeit gut. Man gehe davon aus, bis zum Ende des laufenden Quartals die Kosten im laufenden Betrieb wieder decken zu können, und die Buchungen für den nächsten Sommer entwickelten sich bereits positiv. Eine genaue Prognose für das Gesamtjahr will der Vorstandschef noch nicht abgeben. Er glaubt jedoch, dass Tui gestärkt aus der Krise hervorgehen wird. Das Unternehmen werde «langfristig wirtschaftlich wieder so erfolgreich sein wie vor der Pandemie». dpa