Um den Kaiserschmarren ranken sich Legenden

Von Heidemarie Pütz

Zart, buttrig und herrlich flaumig muss er sein: der Kaiserschmarren. Der Wiener Exportschlager ist auch hierzulande ein Muss auf vielen Speisenkarten. Trotz einfacher Zutaten gelingt die süße Mehlspeise nur mit Hingabe und Fingerspitzengefühl. Kenner bereiten sie à la minute zu. Aufgewärmte oder tiefgekühlte Kaiserschmarren sind ihnen ein Graus. Den gebürtigen Steirer Johann Lafer erinnert die Speise aus Milch, Mehl, Eiern, Butter, Zucker, Rosinen und Salz an seine Kindheit. Sie zählt immer noch zu seinen Favoriten. "Bei allen guten neuzeitlichen Desserts ist nach wie vor eines der besten der Kaiserschmarren", schwärmt der Fernsehkoch aus Stromberg bei Bingen. Auch im Restaurant "Tschebull" in Hamburg geht ohne den importierten Klassiker nichts: "Das muss sein. Sonst werde ich gelyncht. Es gibt zwei Gerichte, die nie von der Speisekarte gestrichen werden dürfen. Das sind Wiener Schnitzel und Kaiserschmarrn", sagt der gebürtige Kärntner Alexander Tschebull.

Dabei dauerte es eine Weile, bis die Mehlspeise geadelt wurde. "Ursprünglich war der Schmarren ein ländlich-bäuerliches Gericht, abgeleitet von Schmer für Schmalz", erklärt die Köchin und Kochbuchautorin Andrea Karrer aus Wien. "Die deftige Mahlzeit wurde hauptsächlich von Holzfällern oder Sennern am offenen Feuer zubereitet und gab Kraft für den langen Arbeitstag." Salonfähig wurde die Mehlspeise in der bürgerlich-städtischen Küche erst, als dort Zucker Einzug gehalten hatte. Damals kamen Karrer zufolge aufgeschlagener Eischnee für die lockere Luftigkeit, Zucker und Rosinen für die Süße sowie Butter für den Schmelz hinzu.

Um 1850 wird die verfeinerte Version erstmals als Kaiserschmarren bezeichnet. "Vielleicht als Hommage an den jungen Kaiser Franz Joseph, was aber wie die zahlreichen Schmarrenlegenden nicht belegbar ist", erklärt Karrer. So soll einer Version zufolge dem Hofkoch die Konsistenz eines Palatschinken nicht recht gelungen und der Teig beim Ausbacken zerrissen sein. Der Kaiser schickte den Nachtisch mit den Worten "So einen Schmarrn ist des Kaisers nicht wert!" zurück.

Nach Karrer spricht einiges dafür, dass im Kaiserschmarren das italienische Wort "casa" für Haus steckt und der Schmarren alla casa, also nach Art des Hauses, später nobilitiert wurde. Mit dem höchsten Adelsattribut zeichneten im 19. Jahrhundert Wiener Köche Speisen nur dann aus, wenn sie einen feinen Genuss durch besondere Zutaten versprachen. Der Kaiserschmarren drückte Wohlstand aus, da Zucker und weißes Mehl dem begüterten Bürgertum und Adel vorbehalten blieben. Die Mehlspeise wurde bald über die Grenzen der Donaumonarchie bekannt. So findet sich im 1886 in Leipzig erschienenen Universal-Lexikon der Kochkunst ein Rezept mit süßem Rahm, feingehackten Mandeln und Vanillezucker.

Die Zubereitung eines Kaiserschmarrens ist für den Fernsehkoch Lafer eine "Königsdisziplin": "Das Rezept ist sehr einfach. Wenn der aber richtig lecker werden soll, gehört Erfahrung dazu, und es muss präzise gearbeitet werden." Einen Kaiserschmarren könne ein Koch nicht vorbereiten. "Er muss à la minute zubereitet werden und verlangt viel Aufmerksamkeit."

Tschebull beklagt die schlechte Qualität vieler Schmarren: "Das meiste ist nicht frisch gemacht. Es sind Tiefkühlprodukte, auch in den Skihütten Österreichs. Das kommt in die Mikrowelle und dann zum Schluss noch etwas Puderzucker drauf." Das habe mit Kaiserschmarren nichts zu tun. "Er lebt von der Frische. Und man kann ihn so wenig aufwärmen wie ein Rührei."

Extra flaumig wird der Schmarren durch das schaumig geschlagene Eiweiß, das man vorsichtig unter den glatten Teig aus Eigelb, Mehl, Milch und Zucker zieht. Karrer rät, den Eischnee nicht zu sehr unterzumengen. "Manche fügen dem Eierteig auch Sodawasser oder ein bisschen Backpulver dazu, damit er luftig wird", ergänzt sie.

Die Profis garen ihren Kaiserschmarren bei geringer Hitze auf der Herdplatte vor, bis die Unterseite leicht gebräunt ist. Dann geben sie ihn in den Backofen: "Auf der Herdplatte hätte er zu viel Unterhitze, und das Eiweiß könnte nicht fluffig aufgehen", erklärt Lafer. Unbedingt erst zum Schluss zerreißen, darüber sind sich alle Köche einig. "Er muss 10 bis 15 Minuten im Backofen backen. Erst dann herausnehmen und auf der Herdplatte Butterflocken und Zucker darüber verteilen, karamellisieren und dabei erst zerreißen", empfiehlt Lafer. "Durch das Karamellisieren bekommt er seine schöne Kruste."

Andrea Karrer befolgt immer den Rat des Kochs F.G. Zenker am Hof des Fürsten Schwarzenberg Anfang des 19. Jahrhunderts aus dessen Buch "Die Kunstbäckerei": "Es ist besser, die Gäste warten auf den Schmarren, als der Schmarren auf die Gäste." Dazu munden ein Zwetschkenröster, ein frisches Fruchtkompott der Saison oder eingemachte Früchte. dpa

Rezept für Kaiserschmarren

Der Kaiserschmarren ist eine besonders feine Mehlspeise und schmeckt nur frisch zubereitet. Dem Fernsehkoch Johann Lafer, in der Steiermark geboren, gelingt er so:

Zutaten für vier Portionen: 2 Esslöffel Rosinen, 3 Zentiliter brauner Rum, 4 Eier (Klasse M), 125 Milliliter Milch, 120 Gramm Mehl, 50 Gramm Zucker, 1 Esslöffel saure Sahne, Salz, 50 Gramm Butterschmalz, 50 Gramm Butter, 50 Gramm Zucker, Puderzucker zum Bestreuen.

Zubereitung: Alle Zutaten abwiegen oder abmessen und bereitstellen. Die Rosinen in Rum einweichen. Die Eier trennen.
Eigelb in eine große Schüssel geben. Eiweiß bis zur Verwendung kalt stellen.
Eigelb und Milch mit dem Schneebesen verquirlen. Dann Mehl, Zucker sowie saure Sahne dazugeben und alles mit dem Schneebesen zu einem glatten Teig verrühren. Eiweiß und eine Prise Salz mit den Quirlen des Handrührers steif schlagen. Den Eischnee mit einem Schneebesen vorsichtig unter den Teig heben.
Butterschmalz in einer ofenfesten beschichteten Pfanne erhitzen und den Teig hineingießen. Die eingeweichten Rosinen auf den Teig streuen. Den Schmarren bei mittlerer Hitze backen, bis die Unterseite goldbraun ist. Dann die Pfanne auf der mittleren Schiene in den auf 180 Grad vorgeheizten Backofen schieben und den Schmarren 10 bis 15 Minuten fertigbacken (Umluft 160 Grad). Den Kaiserschmarren mit zwei Pfannenwendern in Stücke teilen. Butterflocken und Zucker darüber verteilen und den Schmarren darin karamellisieren. Zum Schluss mit Puderzucker bestreuen.