Von Christoph Jänsch
Inzwischen hat man sich daran gewöhnt: Jeden Freitag weist die Bundesregierung neue Länder als Hochrisikogebiete aus, andere werden von der Liste entfernt. Die Liste der Länder, für die eine coronabedingte Reisewarnung besteht, wird länger und länger.
Aber erreicht das die Menschen überhaupt noch, wenn Sieben-Tage-Inzidenzen in der Heimat ähnlich hoch sind wie im Ausland? Und sich Bahnfahren oder Einkaufen beinahe genauso gefährlich anfühlt wie eine Urlaubsreise?
Für die Reisebranche beantwortet Kerstin Heinen vom Deutschen Reiseverband diese Frage ganz klar mit Ja: «Immer wenn etwas verändert wird, führt das grundsätzlich zu Verunsicherung.» Menschen buchen dann laut Heinen verhaltener oder wenden sich häufiger mit Rückfragen an die Veranstalter. Außerdem würden Reisen kurzfristiger gebucht. «Das haben wir im vergangenen Jahr gesehen und das wird sich auch in diesem Jahr fortsetzen», sagt Heinen.
Im Urlaub ist man den örtlichen Umständen ausgesetzt
Karolina Wojtal vom Europäischen Verbraucherzentrum erkennt außerdem sehr wohl einen Unterschied zwischen der Urlaubsreise und den alltäglichen Erledigungen am Wohnort: Zu Hause könne man sich entscheiden, wie frei man sich bewegen möchte. Ob man öffentliche Verkehrsmittel nutzt oder das eigene Auto oder Rad. Bei einer Reise allerdings sei man mehr oder weniger den Umständen vor Ort ausgeliefert - dort gebe es eine vorgefertigte Anreise- und Unterkunftssituation.
Doris Berve-Schucht vom Bundesgesundheitsministerium warnt außerdem davor, das Infektionsrisiko nur vom Wert der Sieben-Tage-Inzidenz abzuleiten. Das sei epidemiologisch weder sinnvoll, noch zielführend. In die Analyse und Entscheidung der Bundesregierung über die Ausweisung von Hochrisikogebieten flössen neben quantitativen Daten wie der Sieben-Tage-Inzidenz, der Testrate und der Trendentwicklung in dem jeweiligen Land auch qualitative Daten.
Dazu gehören zum Beispiel Informationen hinsichtlich der Art des Ausbruchs - ob dieser etwa lokal oder flächendeckend geschieht -, in den Staaten ergriffene Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens, die Teststrategie oder die berichtete Inanspruchnahme des Gesundheitssystems.
Nachverfolgung von Infektionsherden durch Kontrolle
Berve-Schucht weist darauf hin, dass durch die Reisebewegungen und den Grenzverkehr Infektionen eingetragen und neue Infektionsherde geschaffen werden können. Durch die Einstufung eines Landes als Hochrisikogebiet lässt sich dieser grenzüberschreitende Verkehr sehr viel besser kontrollieren. Denn Reiserückkehrer aus einem Hochrisikogebiet müssen vor der Einreise nach Deutschland eine digitale Einreiseanmeldung ausfüllen. Reiserückkehrer, die älter als sechs Jahre sind, brauchen zudem entweder ein negatives Testergebnis oder einen Impf- oder Genesenennachweis.
Außerdem müssen sich Personen, die aus einem Hochrisikogebiet zurück nach Deutschland kommen, grundsätzlich direkt nach Ankunft zu Hause in eine zehntägige häusliche Quarantäne begeben. Geimpfte und Genesene können sich dieser Pflicht entziehen, sobald sie online einen entsprechenden Nachweis über ihren Status erbringen. Ungeimpfte können die Quarantäne mit einem negativen Testergebnis ebenfalls vorzeitig beenden - aber erst am fünften Tag nach der Einreise.
Wer aus einem Virusvariantengebiet zurückkehrt, muss sogar 14 Tage in Quarantäne. Die vorzeitige Beendigung durch freitesten ist in diesem Fall weder für Geimpfte und Genesene, noch für Ungeimpfte möglich. Derzeit ist allerdings kein Land als Virusvariantengebiet gelistet.
Bei Nichtbeachtung drohen empfindliche Bußgelder
Karolina Wojtal rät Reiserückkehrern, die Einreiseanmeldung gewissenhaft auszufüllen. Wer dies nicht tut, oder gar falsche Angaben macht, dem droht bei einer Kontrolle laut der Expertin ein Bußgeld von 1000 Euro. Wird die Anmeldung nicht spätestens 24 Stunden später nachgereicht, drohen weitere 1000 Euro Bußgeld. Wer gegen die Einreisequarantänepflicht verstößt und erwischt wird, müsse sogar mit einem Bußgeld in Höhe von 2000 Euro rechnen.
Achtung: Dabei gibt es einen Unterschied zwischen dem Aufenthalt in einem Risikogebiet und dem Passieren eines solchen Gebiets auf der bloßen Durchreise. Wer zum Beispiel mit dem Auto oder Zug durch ein Risikogebiet fahre, um seinen Urlaubsort zu erreichen, der nicht als Risikogebiet deklariert ist, gelte nicht als Reiserückkehrer aus einem Risikogebiet, sagt Wojtal. Wer zum Beispiel zum Tanken hält und aussteigt hingegen schon.
Eine Reisewarnung an sich gibt Verbraucherinnen und Verbrauchern übrigens nicht automatisch das Recht, ihre Reise kostenfrei stornieren zu können. Das sei immer eine Einzelfallentscheidung, sagt Karolina Wojtal. Um im Zweifel nicht auf Reisekosten sitzen zu bleiben, rät sie bei der Buchung darauf zu achten, dass die Reise kurz vor Antritt noch änder- oder stornierbar ist. Das sei zwar meist ein wenig teurer, aber es lohne sich, solche oft als Flextarife bezeichneten Verträge abzuschließen, sagt Wojtal. dpa