Veganz liebe Grüße aus Berlin

Von Caroline Bock

Jan Bredack steht vor einem Supermarktregal in Berlin-Friedrichshain und runzelt die Stirn. Bei den Snack-Riegeln gibt es eine Lücke, es fehlen Preisschilder. Dann kommt ein Kunde und sucht nach Matcha. Bredack zeigt ihm freundlich den teuren grünen Wundertee. «Der hier ist der beste.»

In der Hand hat der Supermarkt-Chef einen grünen Smoothie, der Obst-Shake ist sein Morgen-Ritual. Seine Trekkingschuhe trägt er wie Pantoffeln, dazu einen schwarzen Kapuzenpulli. So sieht ein ehemaliger Daimler-Manager und Bio-Pionier aus.

Jan Bredack (42) ist Gründer der veganen Kette «Veganz», ein Markt für Ökokost und Produkte ohne Fleisch, Milch und Eier. E-Mails unterschreibt er mit «Veganz liebe Grüße». Wie Kochbuchautor Attila Hildmann gehört Bredack zu den bekannten Namen der Szene. Nach einer Schätzung des Vegetarierbundes gibt es in Deutschland 800 000 Veganer. Bredack ist einer davon. Er hat ein Buch geschrieben, sein Leben im Rückspiegel reflektiert, wie er sagt.

«Vegan für alle» (Piper) ist eine Mischung aus einem Sachbuch über Essen, Ethik, Tierschutz und Umwelt - und privater Biografie. «Vom Stasi-Kind zum Manager und Millionär», heißt ein Kapitel. «Von Mistgebirgen und Gülleseen» ein anderes. Bredack erzählt, wie er bei Eltern «rot bis ins Mark» in der DDR aufwuchs und bei Daimler vom Pannenhelfer zum Manager mit Milliardenumsatz aufstieg.

Für Bredack war das eine Welt, in der es wichtig ist, welchen Platz der Wagen in der Tiefgarage hat. Er hatte ständig neue teure Autos, so dass die Nachbarn auf dem Land schon scherzten, er sei ein Zuhälter. Er machte teure Reisen. «Unter fünf Sternen ging gar nichts.»

Seine Arbeit beschreibt er in einem Kapitel als «System der Angst», in dem Mitarbeiter fies «rasiert» werden, auch von ihm. «Es gibt in Konzernen keine Ehrlichkeit, nur Scheinheiligkeit.» Daimler wollte sich auf dpa-Anfrage nicht zu dem Buch äußern. Bredack sagt im Gespräch: «Es könnte auch BMW oder Siemens sein, die ticken ja überall gleich, die Konzerne.»

In Moskau baut er als junger Manager das erste russische Daimler-Nutzfahrzeugwerk auf. 2008 klappt Bredack zusammen. Burnout. Nach der Trennung von seiner Familie lernt er seine damalige Freundin kennen, eine Vegetarierin. «Das Hähnchen auf deinem Teller wurde getötet, damit du es essen kannst», sagt die ihm. Darüber hatte Bredack, der vorher Burger und Currywurst in sich hineinstopfte, bis Mitte 30 nie nachgedacht - so erzählt er es.

Er wurde erst Vegetarier, dann Veganer - früher waren das für Bredack Leute, die «nicht alle Latten am Zaun» hatten. Er stieg bei Daimler aus. «Ich möchte nie wieder in meinem Leben von Geld abhängig sein», sagt Bredack heute. Er lebt nicht mehr in einer Villa mit Pool, sondern in einer Zweizimmerwohnung. Sich selbst zahlt der Chef nach eigenen Angaben ein Gehalt von 3500 Euro brutto aus, viel weniger als seinen Geschäftsführern.

Billig sind die Produkte bei «Veganz» nicht. Es gibt Gemüse, eine Nuss-Bar, Soja-Medaillons, Veggie-Döner, Bio-Mandelpüree oder Wein, der ohne tierische Gelatine gefiltert ist. Die meisten Kunden sind laut Bredack keine Veganer oder Vegetarier, sondern «omnivor» und essen sonst alles.

Die Märkte laufen laut dem Gründer «sehr gut», das Unternehmen soll dieses Jahr wirtschaftlich werden. 2011 öffnete die erste Filiale von «Veganz» im Prenzlauer Berg. Mittlerweile gibt es Läden in München, Hamburg und Frankfurt, bald in Leipzig, Essen und Wien. Es sollen einmal 20 werden, auch internationale Franchise-Unternehmen sind geplant.

In der linken Szene hat das kommerzielle Unternehmen nicht nur Freunde. Es wurden schon Scheiben eingeschmissen. Und den militanten Veganern behagt es nicht, dass ihnen ein Teil ihrer Protestkultur genommen wird, so erklärt es Bredack.

Das Argument, vegan zu leben, sei anstrengend, weist er von sich: «Am liebsten lasse ich so etwas ins Leere laufen. Wir zeigen, dass es total einfach ist.» Dass man als Veganer nicht immer gertenschlank bleibt, weiß der Unternehmer, der gerade keine Rohkostphase hat, wie am leichten Bauchansatz zu erkennen ist. «Sie haben eine schier unendliche Auswahl an Kohlenhydraten.»

In der Branche wird der Trend zu veganen Produkten aufmerksam beobachtet. «Man sieht, dass die Sortimente wachsen», sagt Denise Klug vom Handelsinformationsdienst Planet Retail. So verkauft mittlerweile auch eine Back-Kette vegane Sandwiches, Supermärkte haben ihre Auswahl für Veganer vergrößert.

Bislang ist es für die Expertin «fast ausschließlich ein Großstadtphänomen». Ob der Lebensstil viel Geld kostet? Kommt darauf an, ob man kocht oder zu den teuren Fertigprodukten greift, sagt Klug. «Spaghetti mit Tomatensoße ist ja kein teures Gericht.» dpa

(Jan Bredack mit Helmut Kuhn, «Vegan für alle. Warum wir richtig leben sollten», Piper, 256 Seiten, 19,99 Euro)