Von Biologie bis BWL Winzer müssen Generalisten sein

Von Jan Lukas Roßmüller

Mit dem Genuss von Wein ist oft auch eine gewisse Fachsimpelei verbunden: etwas zu trocken, süßlich im Abgang. Ein Winzer muss diese Nuancen nicht nur gerne schmecken, sondern in allen Phasen der Produktion auf sie hinarbeiten. "Das Tolle am Winzerberuf ist, dass ein Mensch noch alles in der Hand hat", erklärt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Mainz.

Das bedeutet aber auch hohe Anforderungen: Winzer brauchen neben Liebe fürs Detail handwerkliche und naturwissenschaftliche Kenntnisse. Der Nachwuchs hat deshalb eine Ausbildung zum Generalisten vor sich. Winzer müssen pflanzen, ernten, herstellen und verkaufen. Für Weinmacher ist jeder Bereich wichtig.

Wer den Beruf erlernen will, muss sich zunächst fragen: Ausbildung, Studium oder beides? Die Ausbildung zum Winzer ist der praxisnahe Weg: Drei Jahre lernen Jugendliche im Betrieb und in der Berufsschule. Abiturienten brauchen ein Jahr weniger. Im Betrieb sind Jugendliche je nach Jahreszeit meist draußen auf dem Weinberg oder im Keller bei der Herstellung. Die Arbeit auf dem Feld, oft im Herbst bei widrigen Bedingungen, ist körperlich anstrengend.

Die Ausbildungsvergütung variiert dabei je nach Bundesland und Betrieb. Auszubildende, die in Rheinland-Pfalz anfangen, bekommen zum Beispiel im ersten Jahr 520 Euro brutto monatlich. Die fertigen Winzergehilfen können nach eineinhalb Jahren Berufserfahrung einen Meister oder in zwei Jahren ihren Techniker anschließen. Alternativ können sie ein Studium aufnehmen.

Eine andere Möglichkeit für Jugendliche ist ein duales Studium. "Weinbau und Oenologie" heißt es am Weincampus Neustadt. Studenten absolvieren parallel zu ihrer Ausbildung an der Hochschule eine Winzer-Lehre.

An der Hochschule setzen sich Studenten in einem Drittel der Studienzeit mit Betriebswirtschaft und Marketing auseinander. Der Rest des Studiums besteht aus Biologie, Chemie, Mathematik und Physik. So entwickeln Studierende Verständnis für den Herstellungs- und Reifungsprozess. Auch die Verkostung gehört zum Inhalt des Studiums. "Das ist etwas, das man lernen muss und kann", ermutigt Wilhelma Metzler, Geschäftsführerin des Weincampus. "Da gibt es nicht so viel Ferien", warnt sie.

Doch wer das stressige Studium auf sich nimmt, hat später gute Chancen. In Betrieben und im Vertrieb werden Fachkräfte gesucht. Die meisten Winzer, ob studiert oder ausgebildet, arbeiten später bei Weingütern, Kellereien oder Winzergenossenschaften. Auch Jobs bei Technikzulieferern, Küfern, Beratern und im Handel sind denkbar, sagt Metzler. Meister und Techniker werden eher als Spezialisten tätig, Akademiker eher in Führungs- und Verwaltungspositionen. Die Absolventen vom Weincampus stiegen mit etwa 2500 Euro ein.

Barbara Roth beschäftigt Studenten vom Weincampus und Auszubildende. Die studierte Winzerin hat das Weingut "Wilhelmshof" in Siebeldingen in Rheinland-Pfalz von ihren Eltern übernommen. "Jemand mit Hauptschulabschluss kann super Weine machen", meint sie. Studenten seien nicht automatisch die besseren Winzer. Handwerkliche Grundlagen sind ihr wichtig. Wer nicht aus einer Winzerfamilie stammt und die Abläufe kennt, sollte erstmal ein Praktikum oder eine Ausbildung machen, rät die Winzerin. So finden Jugendliche heraus, ob die Arbeit etwas für sie ist.

Auf einem Weingut gibt es zahlreiche Aufgaben: "Alle zwei bis drei Wochen gibt es eine andere Arbeit", erklärt Roth. Dabei unterscheiden sich die Betriebe in ihren Zielen und ihrer Orientierung: Ein Familienbetrieb produziert anders als ein Zulieferer für Discounter. "Es ist wichtig, den Ausbildungsbetrieb zu suchen, der zu den persönlichen Zielen passt", rät Roth. Wer gerne Trecker fährt, sollte in einem großen Betrieb anfangen. Wer sich in liebevoller Kleinarbeit um den Weinstock kümmern möchte, ist bei kleinen, eigenständigen Weingütern besser aufgehoben.

Am "Wilhelmshof" wird noch viel von Hand gemacht. Auf die Rebe reagieren, nur die wirklich reifen Trauben pflücken: Im anderthalb Jahre dauernden Produktionsprozess ist viel Spielraum für Perfektionismus. Spezialwissen kann helfen, das eigene Produkt von der Konkurrenz auf dem internationalen Markt abzusetzen.

Doch vor dem Spezialwissen muss der Nachwuchs die Grundlagen beherrschen. Sowohl Auszubildende als auch Studenten müssen in erster Linie ein Handwerk erlernen. dpa