Von Prag bis Pilsen Auf den Spuren des Bieres durch Böhmen

Von Markus Münch-Pauli

Zu Saisonbeginn sind es noch zarte Pflanzen, deren langer Weg nach oben schon vorbereitet ist. Acht Meter lange Seile dienen als Rankhilfe. Sie hängen von quer gespannten Stahlseilen herab, die wie Stromleitungen über das Feld verlaufen. Hier wächst Hopfen, die Grundlage für jedes gute Bier Pilsener Art. Die ländliche Region um die tschechische Stadt Zatec, zu deutsch Saaz, ist eines der weltweit bedeutendsten Hopfen-Anbaugebiete. Wirtschaft, Kultur und Natur rund um Zatec, Prag und Pilsen sind von der Bierproduktion geprägt.

Den besten Eindruck davon gewinnt der Besucher im «Hopfen- und Bier-Tempel» mitten in Zatec. Dahinter verbirgt sich ein Informationszentrum, das in einem ehemaligen Hopfen-Lagerhaus eingerichtet wurde. Jirí Vent ist einer der Manager der Anlage und erklärt die aufwendig gestaltete Uhr über dem Eingang. Rund um das Ziffernblatt der Wanduhr sind Szenen der Arbeit am Hopfen abgebildet - und Motive zum Biergenuss inklusive Bierhimmel.

Danach geht es auf den Aussichtsturm, von oben reicht der Blick bis zur deutschen Grenze über leicht hügelige, saftig grüne Landschaft. Und über zahlreiche Dächer ehemaliger Lagerhäuser des Hopfens. Die moderne Verarbeitung und Lagerung ist platzsparender und geschieht fast ausschließlich in der ortsansässigen Firma Bohemia Hop, die Kunden in der ganzen Welt beliefert. Im Hopfen- und Bier-Tempel ist die historische Lagerung von Hopfensäcken als Labyrinth nachgebaut - da haben auch Kinder ihren Spaß. Erwachsene können im Anschluss im hauseigenen Biergarten das selbstgebraute Bier genießen.

Eine gute Autostunde nordöstlich von Zatec liegt Litomerice. In der Stadt am Elbufer gibt es keine bedeutende Brauerei mehr, dafür aber die junge Mini-Brauerei Labut ganz in der Nähe des Marktplatzes. Sie ist typisch für die moderne Bierkultur in Tschechien. «Wir brauen seit 2011 unser eigenes Bier fast ausschließlich für den Ausschank im Lokal und Biergarten», sagt die Geschäftsführerin Sabina Záková. Beliebt ist das leichte «Sommerbier», das mit einer Stammwürze von 10 Grad serviert wird. Die Grad-Angaben stehen in Tschechien fast immer auf der Getränkekarte. Bei 10 geht es mit leichtem Bier los, 16 bezeichnet ein sehr kräftig malziges Bier mit höherem Alkoholgehalt.

Restaurants wie das «Labut» sind angesagt, das hausgebraute Bier ist jeweils ein Unikat. «Wir filtrieren das Bier nicht und es wird auch nicht pasteurisiert», erklärt Sabina Záková, «daher ist es auch nicht lange haltbar.» Ein frisch gezapftes 0,3-Liter-Labut-Bier gibt es für weniger als einen Euro - das ist der übliche Preis in tschechischen Kneipen und Biergärten.

Schon immer war die Kühlung des Gerstensafts wichtig und dabei half in der Nähe von Litomerice auch die Natur. Etwas außerhalb des Ortes liegt die verfallene Burg von Kamyk im Böhmischen Mittelgebirge. Die Gegend wird von gut markierten Wanderwegen durchzogen, von denen einer hinauf auf den Plesivec, zu deutsch «Eisberg», führt. Der Name deutet schon auf das außergewöhnliche Naturphänomen hin: Den Wanderer erwartet auch an heißen Sommertagen in der Höhe angenehm kühle Luft.

«Das Basaltsteingeröll türmt sich hier in Schächten auf, die tief in die Erde führen», erklärt der ortsansässige Geologe Jan Hammersky: «Durch kleine Spalten strömt so kalte Luft nach oben.» Hier wurde früher Eis abgebaut und zur Kühlung von Bier ins Tal gebracht.

Von Litomerice ist Prag gut mit Bahn oder Bus zu erreichen. Dort wird die Bierkultur nicht nur in der touristisch stark frequentierten Altstadt gepflegt, sondern auch ruhiger und familienfreundlicher im Stadteil Brevnov. Hier steht das älteste Benediktinerkloster des Landes. Mönche stehen auch in Tschechien für Braukunst und an diese Tradition knüpft die Klosterbrauerei Brevnovsky seit 2011 an.

Für den Reisenden auf den Spuren tschechischen Biers fehlt noch eine Station: Pilsen. Die europäische Kulturhauptstadt 2015 zelebriert Bier wie wohl keine andere. Das Gelände der Pilsner Urquell-Brauerei mutet auf den ersten Blick wie ein kleines Disneyland an: Hinter dem berühmten Eingangstor liegt rechts der Souvenirshop und links das Besucherzentrum, Busse fahren eine Besuchergruppe nach der anderen aufs Gelände.

Spätestens bei den kupfernen Maischpfannen, die heute nicht mehr in Betrieb sind, kommt Nostalgie auf - ganz anderes als in der riesigen modernen Flaschenabfüllung, die ebenfalls zur Tour gehört. Das Highlight wartet unter der Erde: Hier stehen riesige offene Eichenholzfässer in einem konstant sechs Grad kalten unterirdischen Labyrinth mit den Ausmaßen einer Kleinstadt.

Tourguide Jan Dienstbier erklärt: «Das Bier hier wird traditionell produziert und dient als Qualitätskontrolle für die Industrieproduktion». In den Genuss kommt aber auch jeder volljährige Besucher, denn an die wird der Großteil des handwerklich gebrauten Urquells exklusiv ausgeschenkt.

Die passende Kleinbrauerei zum ursprünglichen Biergeschmack befindet sich in Spazier-Reichweite in der Nähe der Pilsener Innenstadt. Das «Groll» trägt seinen Namen, weil hier der Erfinder des Pils seine erste Wirkungsstätte hatte. Im Auftrag der Pilsener Bierbrauer konzipierte der bayrische Braumeister Josef Groll um das Jahr 1842 die Pilsener Brauereitechnik und erfand damit das Pils. Im Biergarten des «Groll» lässt sich heute entspannt auf die gemeinsame deutsch-tschechische Biertradition anstoßen. dpa

Reise nach Böhmen

Die tschechische Hauptstadt Prag ist gut mit dem Zug erreichbar. Die Fahrtzeit ab Berlin beträgt viereinhalb, ab München rund fünf Stunden.

Zatec ist über den europäischen Radweg Nr. 6 mit der deutschen Stadt Thum im Erzgebirge verbunden: zatec-thum.eu

Informationen: Tschechien-Tourismus: czech-tourist.de/; Zatec: mesto-zatec.cz/ (tschechisch); Litomerice: litomerice-info.cz/de/