Warmer Spätsommer tut Wein gut

Das warme Spätsommerwetter Anfang September hat in den deutschen Weinbergen für einen kräftigen Qualitätsschub gesorgt. «Zum Start der Hauptweinlese berichten die Winzer von tollen Qualitäten», sagte Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Mainz der. Die Trauben seien sehr gesund, ohne Fäulnis. «So einwandfreies Lesegut konnte zuletzt 2003 oder 2009 in die Keller gefahren werden.» Lesereif sei derzeit unter anderem Müller-Thurgau. Mit dem spätreifen Riesling gehe es erst Ende September bis Anfang Oktober los.

Die Winzer blicken 2012 auf eine wechselhafte Saison zurück. Kühle Witterung während der Rebblüte hatte dafür gesorgt, dass etwa die Burgundersorten oft Trauben mit eher kleinen, locker stehenden Beeren bilden. Das muss nicht nur ein Nachteil sein - etwa ein geringerer Ertrag. Wenn die Weinbeeren nicht so eng in der Traube wachsen, dann faulen sie nicht so leicht. Die Winzer rechnen hierzulande mit einem Ertrag von insgesamt neun Millionen Hektolitern Weinmost. Diese Menge liegt etwas unter dem langjährigen Mittelwert von 9,2 Millionen Hektolitern.

«Die warmen Tage und kühlen Nächte derzeit sind gut und wichtig für die Aromenausbildung», erklärte Büscher. «Bis Ende Oktober kann allerdings noch viel passieren. Daher sollte man den Jahrgang nicht loben, bevor er im Keller ist.» In Deutschland gibt es 48 000 Betriebe, die Rebflächen bewirtschaften. Mehr als die Hälfte davon verfügen jedoch über weniger als einen halben Hektar Weinstöcke und liefern ihren Most meist an Genossenschaften. Rund 9000 Betriebe produzieren Flaschenweine.

Bundesweit wächst auf 100 000 Hektar Wein, darunter 36 Prozent rote Trauben. Dieser Wert sei seit 2004 etwa konstant, sagte Büscher. «Der Rotweinboom ist endgültig rum. Es geht eher wieder etwa in Richtung Weißwein, auch der Rosé-Wein hat zuletzt Liebhaber hinzu gewonnen.»

Winzer in Baden und Württemberg  rechnen mit guter Ernte

In Baden beginnt schon jetzt die Weinlese, in Württemberg etwas später - doch die Vorzeichen für die Saison sind gleich günstig: Die Weinexperten des Statistischen Landesamtes rechnen im ganzen Südwesten mit einem Ertrag von 2,41 Millionen Hektolitern. Das wäre das höchste Ergebnis seit dem Jahrgang 2008, teilte das Amt mit.

Winzer freuen sich dabei nicht nur auf eine reiche Ernte - der Rebensaft verspricht auch gut zu werden. Die Experten sind vom Gesamteindruck der Reben «meist sehr angetan». Der mögliche Most-Ertrag in Baden liegt wegen Frost und Hagelschäden mit 85 Hektoliter pro Hektar allerdings leicht unter dem Wert vom Vorjahr. Besser sieht es in Württemberg aus, wo 99 Hektoliter pro Hektar erwartet werden.

Im Land überwiegt beim Anbau der Rotwein. Im Ertrag werden 1,37 Millionen Hektoliter Rotmost und 1,04 Millionen Hektoliter Weißmost erwartet. Warme Tage, kalte Nächte: So ein Spätsommer ist ganz nach dem Geschmack der Winzer. «Wenn jetzt noch ein paar Niederschläge hinzukommen, geht die Entwicklung positiv weiter», meinte Hermann Hohl, Präsident des Weinbauernverbands Württemberg. «Beim Rotwein ist die Farbe der Trauben schon sehr gut ausgeprägt und die Temperaturschwankungen sorgen für fruchtige und aromatische Weißweine.»

In Württemberg setzen die Winzer in erster Linie auf den Roten. Angebaut wird auf insgesamt 11 300 Hektar Fläche. 70 Prozent rot, 30 Prozent weiß. Die Nachbarn im Badischen setzen ihre Prioritäten anders: Mit 15 500 Hektar bewirtschaften sie das drittgrößte Weinbaugebiet in Deutschland, zu 60 Prozent mit weißen Trauben. «Ich finde, das ist eine schöne Differenzierung zwischen den beiden Regionen», sagte der Geschäftsführer des badischen Weinbauernverbands Peter Wohlfarth.

2010 und 2011 waren für die Winzer in Württemberg keine guten Jahre: Bis zu 40 Prozent Frostschäden verzeichneten sie da. «Das hat die Betriebe teilweise in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht», so Hohl. Mit einer starken Saison 2012 könnte sich die Lage wieder entspannen. In Baden gehen die Weinbauern davon aus, zumindest an 2010 anknüpfen zu können, auch wenn das nur ein «durchschnittliches Jahr» war.

Die Zeichen stehen günstig: «Mit vielen Sorten sind wir schon jetzt im Qualitätsweinbereich», sagte Hohl. «Aber entscheidend sind die nächsten sechs Wochen.» Hier wie da: Die Weinfachleute erkennen einen klaren Trend zu leichten Weinen. «Möglichst viel Frucht und spritzig - Weine, die man abends gerne auf der Terrasse trinkt», fasste Hohl zusammen. «Früher haben wir immer gedacht, Rotwein muss schwer und alkohollastig sein. Das hat sich nicht bewahrheitet.»

Baden kann auf der Frucht-Schiene mit dem Spätburgunder wuchern. In Baden beginnen die rund 21 000 Winzer schon diese Woche mit der Weinlese. Schluss ist in der Regel Ende Oktober. «Als erstes ist der Müller-Thurgau dran», berichtete Peter Wohlfarth. Etwas mehr Zeit lassen sich die 16 000 Weinbauern in Württemberg: «Wir werden die Lese noch etwas verzögern, sagte Hermann Hohl. Dort will man erst in der letzten September-Woche anfangen.

Auf den Markt kommen die 2012er Weine aus Württemberg wohl schon zum Weihnachtsgeschäft: Zumindest die Weißen sollen Ende des Jahres in den Regalen stehen. Die Badener lassen sich Zeit bis zum Anfang nächsten Jahres. dpa