Von Ingo Senft-Werner
Wild steht zu Weihnachten in den meisten deutschen Gourmet-Tempeln ganz oben auf der Speisekarte - umrahmt von aufwendigen Vorspeisen wie Gänseleber und Jakobsmuscheln. Privat setzen die Sterneköche an den Festtagen dagegen auf einfache Mahlzeiten und raten das auch allen Familien. «Man sollte das machen, was man kann - und das mit Liebe», sagt etwa Kevin Fehling aus Lübeck-Travemünde. Sein Kollege Dirk Hoberg aus Konstanz ergänzt: An Heiligabend sollte die Familie um einen Tisch sitzen und die Gespräche genießen, und nicht in der Küche stehen.»
Fehling, der mit «La Belle Epoque» in diesem Jahr in die Drei-Sterne-Liga aufgestiegen ist, kocht für seine Familie die klassische Ente mit Rotkohl und Klößen. «Dazu mache ich zur Abrundung noch ein grünes Gemüse, entweder Bohnen oder Rosenkohl.» Das nimmt sich neben seinen mehrgängigen Menues im Restaurant, wo er unter anderem ein Ein-Stunden-Ei zur Vorspeise und ein aufwendiges Rinderfilet mit Ofenkartoffel anbietet, eher bescheiden aus. «Solche Menues kann ich nicht allein stemmen - und an Weihnachten will ich nicht meine gesamte Küchenmannschaft zu mir nach Hause bestellen», sagt er lachend.
Für Dirk Hoberg, der das «Ophelia» innerhalb von zwei Jahren in die Zwei-Sterne-Kategorie geführt hat, wird Heiligabend eher spartanisch ausfallen. «Ich werde auf der Couch entspannen und mit Blick auf die anstrengende Woche früh schlafen gehen», erzählt der Single. Was er essen wird, weiß er noch nicht. «Vielleicht nur das übliche Wurstbrot.» Bei seinen Eltern, die 700 Kilometer entfernt wohnen, gibt es wohl Brühe-Fondue. «Das lässt sich schnell vorbereiten und bringt eine gesellige Stimmung.»
Davon ist auch die Mutter von Sven Elverfeld überzeugt. An Heiligabend darf sie den Drei-Sterne-Koch des «Aqua» in Wolfsburg verwöhnen. «Die Fondue-Brühe essen wir dann am folgenden Tag mit Jasminreis als Suppe», verrät er einen Trick. An einem der Feiertage tischt seine Mutter zudem ganz traditionell Gans mit Klößen und Rotkohl auf. «Das gehört einfach dazu.»
So sieht das auch Claus-Peter Lumpp aus Baiersbronn. «Gans oder gar nicht», lautet das Motto des Drei-Sterne-Manns aus dem «Bareiss» im Schwarzwald. Und das rät er - mit kleiner Abwandlung - allen Feiernden: «Für zwei Personen eine Ente, ab sechs Personen eine Gans.» Was er selbst an den Feiertagen essen wird? Dafür bleibt ihm wenig Zeit, da er ständig in seiner Küche stehen muss, sagt er. Dort wird er vor allem Reh und Lamm zubereiten.
Dieses rastlose Schicksal teilt er mit Helmut Thiltges, an dessen Waldhotel Sonnora in Wittlich/Dreis ebenfalls drei Sterne prangen. Sein eigener Magen spielt an den Feiertagen nur eine Nebenrolle, wenn er mehrere Gänge für seine Gäste auftischen muss: Gänseleber, Hummer, Steinbutt, Kalbsbries mit Trüffeln, Wachteln mit Maronen und nicht zuletzt Rehrücken. Darum rät er den Familien, Weihnachten nicht nur mit Kochen zu verbringen. «Warum nicht Bockwurst mit Kartoffelsalat?» Anderseits könnte man sich auch mal was besonderes gönnen, etwa einen Kapaun mit schwarzen Wintertrüffeln. «Und wenn das Geld reicht, ist doch auch ein Döschen Kaviar nett.»
Ob Kaviar oder Kartoffelsalat - was spielt das an Weihnachten für eine Rolle, fragt sich Drei-Sterne-Koch Thomas Bühner. «Wichtig wäre mir das gemeinsame Mahl mit Freunden und Familie am Tisch sitzend, fröhlich und gesellig den Abend erleben.» Wer mehr will, kann später im «La Vie» in Osnabrück zwölf Gänge bestellen mit Steinbutt, Rentierrücken mit Knoblauch oder Ravioli von Périgord-Trüffeln.
Ach ja: Was das Ein-Stunden-Ei aus Lübeck betrifft: Es wird bei exakt 64 Grad erwärmt und ist dann nach 60 Minuten wachsweich. «Das optimale Frühstücksei», sagt Fehling. Das ist mal einen Test über die Feiertage wert. dpa