Wein aus Franken - 100 Jahre Müller-Thurgau

Seit exakt einem Jahrhundert bauen bayerische Winzer Weißwein der Sorte Müller-Thurgau an. Vom Freistaat aus wurde die Rebsorte in ganz Deutschland verbreitet. Im Jubiläumsjahr 2013 dreht sich in Franken deshalb viel um die sogenannte Brotsorte der Winzer.

An diesem Dienstag (19. Februar) widmet die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau dem Müller-Thurgau eine eigene Fachtagung. Experten blicken auf die Weinwirtschaft der vergangenen 100 Jahre und diskutieren gleichzeitig die Zukunft der Rebsorte.

Am ersten der beiden Tagungstage im unterfränkischen Volkach (Landkreis Kitzingen) wird Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) erwartet. Er will Stellung nehmen zu wichtigen weinbaupolitischen Fragen vor dem Hintergrund der europäischen Agrarpolitik.

Fast 30 Prozent des bayerischen Weißweins wird heute aus der Rebsorte Müller-Thurgau gepresst, noch vor Silvaner mit etwa 22 Prozent und Bacchus mit rund 12 Prozent. Insgesamt gesehen bringt der Weinbau im Freistaat mit einem Anbaugebiet von rund 6000 Hektar zu 80 Prozent Weißwein hervor.

Seinen Siegeszug trat der Müller-Thurgau, die erste von Menschenhand geschaffene Rebsorte, im unterfränkischen Sendelbach (Landkreis Main-Spessart) und in Regensburg an. «Dort wurde sie erstmals angepflanzt», weiß Weinfachberater Hermann Mengler vom Bezirk Unterfranken. Die Rebsorte ist - wie man erst seit zehn Jahren aufgrund von gentechnischen Untersuchungen weiß - eine Kreuzung aus dem ertragstreuen Riesling und der frühreifen Madeleine Royale.

Der Anbau des Müller-Thurgau ist - vor allem im Vergleich zum verwöhnten Silvaner - unkomplizierter. «Das hatte in den 1980-er Jahren aber auch seine Nachteile. Auf einmal sind die Keller übergelaufen und man kümmerte sich nicht mehr so sehr um die Qualität des Weines», sagte Mengler weiter. Seit zehn, fünfzehn Jahren aber stehe der Müller-Thurgau mit seinem jugendlichen Image, seiner leichten Süße und dem zitrusbehafteten Aroma wieder für gute Qualität.

Nun aber warten neue Herausforderungen auf die bayerischen Winzer: «Viele andere sind auf den gleichen Trichter wie die Franken gekommen, deshalb ist der Müller-Thurgau mittlerweile austauschbar. Er kann genauso gut aus einem anderen Weinanbaugebiet stammen», sagte Mengler. Es sei nun an der Zeit, sich wieder auf die regionale Würzigkeit zu besinnen. «Wir wollen an dem Stil feilen, etwas mehr Mineralität haben und wieder etwas eigenes in den Müller-Thurgau bringen.» dpa

Die Rebsorte Müller-Thurgau

Die Weißweinsorte Müller-Thurgau wurde erstmals 1882 vom Rebforscher Hermann Müller aus dem Schweizer Kanton Thurgau an der Forschungsanstalt Geisenheim (Rheingau) gezüchtet. Sie gilt als die erste von Menschenhand geschaffene Rebsorte. Müller studierte und promovierte in Würzburg. Auf diesem Weg kam die Züchtung nach Bayern, von wo aus sie sich in ganz Deutschland verbreitete.

Die Reben der Sorte reifen früh und bringen große Ertragsmengen. Die Sorte stellt an das Klima sowie an die Beschaffenheit des Bodens nur relativ geringe Ansprüche. Sie ist daher bei Winzern besonders beliebt. Die Müller-Thurgau-Rebe liegt nach Angaben des Deutschen Weinbauverbandes (Mainz) bei den Neupflanzungen weißer Rebsorten auf Platz zwei nach dem Riesling.

Wegen der geringen Säure ist der Müller-Thurgau vergleichsweise mild im Geschmack. Zudem ist er fruchtig. Trocken und halbtrocken ausgebaut wird der Müller-Thurgau oft als «Rivaner» bezeichnet. Als Elternreben wurden jahrzehntelang Riesling und Silvaner angesehen. Genetische Untersuchungen aus dem Jahr 2003 haben jedoch ergeben, dass die wahren Eltern die Sorten Riesling und Madeleine Royale sind.

Die Rebe des Müller-Thurgau ist starkwüchsig, sie bevorzugt tiefgründige und frische Böden. Trockenheit bereitet der Pflanze Probleme. Ist es zu trocken, müssen die Winzer mit Qualitätseinbußen und geringeren Erntemengen rechnen.

In Europa findet sich der Müller-Thurgau hauptsächlich in Ungarn, Österreich, Tschechien, der Slowakei, der Schweiz und Nord-Italien. Außerhalb Europas ist der Müller-Thurgau vor allem in Neuseeland und den USA zu finden.