Von Philipp Laage
Was braucht der Mensch für eine gesunde Ernährung? Die Debatte darüber scheint kaum abzuebben. Mit dem Aufkommen sogenannter Low-Carb-Diäten wurden Kohlenhydrate oft als Dickmacher verteufelt - gleichzeitig erlebte das Eiweiß einen Hype. Proteine sind essenziell für den Körper, doch über die nötige Menge und ihre Herkunft streiten Ernährungsberater und Mediziner bis heute.
«Sämtliche Körperfunktionen hängen entscheidend vom Eiweiß ab», sagt der populäre Autor Ulrich Strunz aus Roth (Bayern), der dem Thema das Buch «Forever Young - Geheimnis Eiweiß» gewidmet hat. Eiweiß besteht aus Aminosäuren. Es bildet die Grundstruktur des Körpers, nicht nur der Muskeln, der Knochen, sondern auch des Blutes, des gesamten Immunsystems und der meisten wesentlichen Hormone.
Ernährungswissenschaftler räumen dem Eiweiß eine hohe Bedeutung für die Gesundheit ein - aber sie ziehen oft unterschiedliche Schlüsse für die Ernährung. Strunz argumentiert, unsere Vorfahren hätten wesentlich mehr Proteine zu sich genommen als der Mensch heute. «Vielleicht hatten die ja recht.» Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sagt jedoch: «Die Eiweißzufuhr ist in den Industrienationen relativ hoch. Wir sind gut versorgt.»
Männer essen Gahl zufolge im Schnitt 81 Gramm Eiweiß pro Tag, Frauen 60 Gramm. Die offizielle Empfehlung lautet: 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Das bedeutet zum Beispiel bei einem Körpergewicht von 60 Kilo 48 Gramm Eiweiß pro Tag. Ein kleiner Becher Joghurt hat 5 Gramm Eiweiß, genauso wie 250 Gramm Kartoffeln. Ein Viertelliter Milch kommt auf 9 Gramm Eiweiß. 150 Gramm Kabeljau haben 31 Gramm Eiweiß, und 100 Gramm Naturschnitzel vom Schwein liegen bei 22 Gramm Eiweiß.
«Es gibt nur sehr wenige Daten darüber, wie viel Eiweiß gesund oder ungesund ist», sagt Gahl. Als unschädliche Obergrenze seien 2 Gramm pro Kilo pro Tag festgelegt worden. Das mache für Frauen etwa 120 Gramm am Tag und für Männer 140 Gramm. «Es gibt aber keine Leitlinien. Man kennt mögliche schädigende Wirkungen nicht.»
Nahrungsergänzungsmittel halten viele Ernährungswissenschaftler für überflüssig. «Den Eiweißbedarf zu decken, gelingt auch durch normale Ernährung», sagt etwa Christiana Gerbracht vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam. «Bewusstes Essen ist viel besser, als irgendwelche Shakes zu nehmen.»
Nur welches Eiweiß ist nun das richtige? «Es gibt kein gutes oder schlechtes Eiweiß», sagt Gahl. Es gebe in der Ernährung nichts, was per se schlecht sei - Ausgewogenheit ist das Zauberwort. Bei der Eiweißqualität spreche man von biologischer Wertigkeit. «Sie gibt Auskunft darüber, wie viel Gramm Körperprotein aus 100 Gramm Nahrungsprotein gebildet werden kann.» Ausschlaggebend für die Wertigkeit ist das Aminosäurenmuster. Bei tierischem Eiweiß ähnele es am ehesten dem Körperbau des Menschen. Deshalb habe tierisches Eiweiß eine hohe biologische Wertigkeit.
Tierisches Eiweiß sei ein hochwertiges Eiweiß und werde vom Körper leicht aufgenommen, erläutert Gerbracht. Jedoch stecke tierisches Eiweiß oft in Lebensmitteln, die darüber hinaus eher fettreich sind. «In Wurst und Käse zum Beispiel sind viele gesättigte Fettsäuren und viel Cholesterin, also Inhaltsstoffe, die wir ohnehin schon viel aufnehmen.» Fettreiche Nahrung könne sich - zumal bei mangelnder Bewegung - schnell auf das Körpergewicht auswirken. «Bei pflanzlichem Eiweiß gibt es dieses Problem nicht.»
Im Gegenteil: Es gebe auch sehr hochwertiges pflanzliches Eiweiß, zum Beispiel in Getreide und Hülsenfrüchten, erklärt Gahl. Sie rät zu Kombinationen: «Zum Beispiel fettarmes Fleisch oder Fisch mit Milch plus Brot oder Getreideflocken und Hülsenfrüchte.» Auch für Vegetarier gibt es passende Gerichte, etwa Erbseneintopf mit Brot, Linsengemüse mit Reis, Kartoffeln und Ei oder Pellkartoffeln mit Quark. «Das sind sehr gute Eiweißlieferanten.» Hülsenfrüchte ließen sich gut in Form von Pasten als Brotaufstrich verwenden, ergänzt Gerbracht. Erbsen, Linsen oder Sojabohnen eigneten sich häufig als Zugabe zu anderen Gerichten.
Mit Blick auf den wöchentlichen Speiseplan rät Gahl, die Menge an Fleisch und Wurst eher gering zu halten. «Nicht mehr als 300 bis 600 Gramm pro Woche.» Empfehlenswert seien drei Portionen Fleisch pro Woche und zwei bis drei Tage, an denen fleischlose Gerichte auf den Teller kommen. Die Alternativen seien Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Getreideprodukte, Linsensuppe und Vollkornbrot.
Ein optimaler Warenkorb für einen Tag könnte Gahl zufolge so aussehen: ein Viertelliter Milch, ein Becher Joghurt, fünf Scheiben Vollkornbrot, 250 Gramm Kartoffeln, 150 Gramm Kabeljau. «Damit hätte man zusammengerechnet 68 Gramm Eiweiß aufgenommen.» dpa
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